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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Aarl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg.

dreizehnte Organisationsedikt Karl Friedrichs von" 13. Mai 1803 mit seinen
Bestimmungen für das gesamte Schulwesen, mit der sorgsamen Gliederung aller
Stufen von Volks- und Mittelschulen zu den Lyceen, Gymnasien und zur neuen
Universität, die alle wieder das heilige Band des Strebens nach Licht, nach
Reinheit, Wahrheit, Schönheit verknüpfte.

Die Universität war ganz verarmt, eine Staatsdotation die erste Lebens-
bedingung; Karl Friedrich setzte sie auf 40 000, bald auf 50 000 Gulden jährlich
an, wovon 28 200 bis 32 000 für die Lehrer verwendet werden sollten, für die
Bibliothek nur 1500, für Instrumente und Apparate nur 1000 Gulden an¬
gesetzt waren. Wiederholt aber wies er dem Universitätsfonds Geschenke zu, z. B.
1804 12 000 Gulden, und aus den zahlreichen ausgehöhlten Klöstern strömten
Schütze an Büchern und Handschriften in die weiten Hallen der Bibliothek, die
bald auch die Büchersammlung der 1804 mit der Universität verschmolzenen
staatswirtschaftlichen hohen Schule im jetzigen Cuntzschen Hause ausnahm. Karl
Friedrich fand es für ratsam, daß nicht nur der Staat, sondern auch die Kirche
zum Unterhalte der Universität beitrage, und lies; darum vou den 40 000 Gulden
die Kirchenstiftungen 10 000 übernehmen, derart, daß die katholischen zwei, die
lutherischen zwei und die reformieren ein Fünftel beisteuern mußten. Da die
drei christlichen Konfessionen am Aufbaue der Wissenschaft gleichberechtigt mit¬
wirken sollten, so setzte Karl Friedrich eine aus Katholiken, Reformirten und
Lutheranern gemischte kirchliche Sektion (Fakultät) mit neun theologischen Lehr¬
stühlen ein und ließ jeden Einfluß des Unterschieds der Konfession bei der Be¬
setzung der Lehrstühle in den andern Fakultäten außer Geltung kommen. Die
juristische Fakultät, die der den Bedürfnissen des Staates und des weltlichen
öffentlichen Unterrichts sonderlich Rechnung tragende Neubegründer als staats¬
rechtliche zu bezeichnen liebte, erhielt fünf, die medizinische sechs, die allgemeine
Sektion, die seit 1807 wieder als philosophische Fakultät erscheint, sechs bis
sieben Lehrstühle, zu denen ein achter für Astronomie mit dem Sitze in
Mannheim kam; der staatswissenschaftlicher fünften Fakultät, die in wunderlicher
Mischung die wirtschaftlichen Fächer, die Gewerbstunde, die Scheidekunst und
die Polizeiwissenschaft umschloß, wurden drei bis vier Professuren zugewiesen,
doch trat sie unter Großherzog Ludwig 1822 als Unterabteilung in die
philosophische Fakultät ein. Eine "bildende" sechste Sektion umfaßte vier
Exerzitienmeistcr für Reiten, Fechten. Tanzen und Zeichnen und zwei Sprach¬
meister für Englisch, Französisch und Italienisch. Der akademische Senat von
zwanzig Ordinarien sollte alle allgemeinen Studien- und Universitätsangelegen-
heiten beraten. Wie einst 1652 Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, ihr
zweiter Vater und Neorganisatvr, so übernahm Karl Friedrich für sich und
seine Thronerben das Rektorat der Universität und ließ sich durch einen Pro¬
rektor vertreten. Neben das akademische Gericht unter dem Vorsitze des Pro¬
rektors trat ein Ephorat von sechs Ordinarien, um über die sittliche Führung


Grmzlwtcn II. 1886. >L
Aarl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg.

dreizehnte Organisationsedikt Karl Friedrichs von» 13. Mai 1803 mit seinen
Bestimmungen für das gesamte Schulwesen, mit der sorgsamen Gliederung aller
Stufen von Volks- und Mittelschulen zu den Lyceen, Gymnasien und zur neuen
Universität, die alle wieder das heilige Band des Strebens nach Licht, nach
Reinheit, Wahrheit, Schönheit verknüpfte.

Die Universität war ganz verarmt, eine Staatsdotation die erste Lebens-
bedingung; Karl Friedrich setzte sie auf 40 000, bald auf 50 000 Gulden jährlich
an, wovon 28 200 bis 32 000 für die Lehrer verwendet werden sollten, für die
Bibliothek nur 1500, für Instrumente und Apparate nur 1000 Gulden an¬
gesetzt waren. Wiederholt aber wies er dem Universitätsfonds Geschenke zu, z. B.
1804 12 000 Gulden, und aus den zahlreichen ausgehöhlten Klöstern strömten
Schütze an Büchern und Handschriften in die weiten Hallen der Bibliothek, die
bald auch die Büchersammlung der 1804 mit der Universität verschmolzenen
staatswirtschaftlichen hohen Schule im jetzigen Cuntzschen Hause ausnahm. Karl
Friedrich fand es für ratsam, daß nicht nur der Staat, sondern auch die Kirche
zum Unterhalte der Universität beitrage, und lies; darum vou den 40 000 Gulden
die Kirchenstiftungen 10 000 übernehmen, derart, daß die katholischen zwei, die
lutherischen zwei und die reformieren ein Fünftel beisteuern mußten. Da die
drei christlichen Konfessionen am Aufbaue der Wissenschaft gleichberechtigt mit¬
wirken sollten, so setzte Karl Friedrich eine aus Katholiken, Reformirten und
Lutheranern gemischte kirchliche Sektion (Fakultät) mit neun theologischen Lehr¬
stühlen ein und ließ jeden Einfluß des Unterschieds der Konfession bei der Be¬
setzung der Lehrstühle in den andern Fakultäten außer Geltung kommen. Die
juristische Fakultät, die der den Bedürfnissen des Staates und des weltlichen
öffentlichen Unterrichts sonderlich Rechnung tragende Neubegründer als staats¬
rechtliche zu bezeichnen liebte, erhielt fünf, die medizinische sechs, die allgemeine
Sektion, die seit 1807 wieder als philosophische Fakultät erscheint, sechs bis
sieben Lehrstühle, zu denen ein achter für Astronomie mit dem Sitze in
Mannheim kam; der staatswissenschaftlicher fünften Fakultät, die in wunderlicher
Mischung die wirtschaftlichen Fächer, die Gewerbstunde, die Scheidekunst und
die Polizeiwissenschaft umschloß, wurden drei bis vier Professuren zugewiesen,
doch trat sie unter Großherzog Ludwig 1822 als Unterabteilung in die
philosophische Fakultät ein. Eine „bildende" sechste Sektion umfaßte vier
Exerzitienmeistcr für Reiten, Fechten. Tanzen und Zeichnen und zwei Sprach¬
meister für Englisch, Französisch und Italienisch. Der akademische Senat von
zwanzig Ordinarien sollte alle allgemeinen Studien- und Universitätsangelegen-
heiten beraten. Wie einst 1652 Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, ihr
zweiter Vater und Neorganisatvr, so übernahm Karl Friedrich für sich und
seine Thronerben das Rektorat der Universität und ließ sich durch einen Pro¬
rektor vertreten. Neben das akademische Gericht unter dem Vorsitze des Pro¬
rektors trat ein Ephorat von sechs Ordinarien, um über die sittliche Führung


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[0121] Aarl Friedrich von Baden als Neubegründer der Universität Heidelberg. dreizehnte Organisationsedikt Karl Friedrichs von» 13. Mai 1803 mit seinen Bestimmungen für das gesamte Schulwesen, mit der sorgsamen Gliederung aller Stufen von Volks- und Mittelschulen zu den Lyceen, Gymnasien und zur neuen Universität, die alle wieder das heilige Band des Strebens nach Licht, nach Reinheit, Wahrheit, Schönheit verknüpfte. Die Universität war ganz verarmt, eine Staatsdotation die erste Lebens- bedingung; Karl Friedrich setzte sie auf 40 000, bald auf 50 000 Gulden jährlich an, wovon 28 200 bis 32 000 für die Lehrer verwendet werden sollten, für die Bibliothek nur 1500, für Instrumente und Apparate nur 1000 Gulden an¬ gesetzt waren. Wiederholt aber wies er dem Universitätsfonds Geschenke zu, z. B. 1804 12 000 Gulden, und aus den zahlreichen ausgehöhlten Klöstern strömten Schütze an Büchern und Handschriften in die weiten Hallen der Bibliothek, die bald auch die Büchersammlung der 1804 mit der Universität verschmolzenen staatswirtschaftlichen hohen Schule im jetzigen Cuntzschen Hause ausnahm. Karl Friedrich fand es für ratsam, daß nicht nur der Staat, sondern auch die Kirche zum Unterhalte der Universität beitrage, und lies; darum vou den 40 000 Gulden die Kirchenstiftungen 10 000 übernehmen, derart, daß die katholischen zwei, die lutherischen zwei und die reformieren ein Fünftel beisteuern mußten. Da die drei christlichen Konfessionen am Aufbaue der Wissenschaft gleichberechtigt mit¬ wirken sollten, so setzte Karl Friedrich eine aus Katholiken, Reformirten und Lutheranern gemischte kirchliche Sektion (Fakultät) mit neun theologischen Lehr¬ stühlen ein und ließ jeden Einfluß des Unterschieds der Konfession bei der Be¬ setzung der Lehrstühle in den andern Fakultäten außer Geltung kommen. Die juristische Fakultät, die der den Bedürfnissen des Staates und des weltlichen öffentlichen Unterrichts sonderlich Rechnung tragende Neubegründer als staats¬ rechtliche zu bezeichnen liebte, erhielt fünf, die medizinische sechs, die allgemeine Sektion, die seit 1807 wieder als philosophische Fakultät erscheint, sechs bis sieben Lehrstühle, zu denen ein achter für Astronomie mit dem Sitze in Mannheim kam; der staatswissenschaftlicher fünften Fakultät, die in wunderlicher Mischung die wirtschaftlichen Fächer, die Gewerbstunde, die Scheidekunst und die Polizeiwissenschaft umschloß, wurden drei bis vier Professuren zugewiesen, doch trat sie unter Großherzog Ludwig 1822 als Unterabteilung in die philosophische Fakultät ein. Eine „bildende" sechste Sektion umfaßte vier Exerzitienmeistcr für Reiten, Fechten. Tanzen und Zeichnen und zwei Sprach¬ meister für Englisch, Französisch und Italienisch. Der akademische Senat von zwanzig Ordinarien sollte alle allgemeinen Studien- und Universitätsangelegen- heiten beraten. Wie einst 1652 Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, ihr zweiter Vater und Neorganisatvr, so übernahm Karl Friedrich für sich und seine Thronerben das Rektorat der Universität und ließ sich durch einen Pro¬ rektor vertreten. Neben das akademische Gericht unter dem Vorsitze des Pro¬ rektors trat ein Ephorat von sechs Ordinarien, um über die sittliche Führung Grmzlwtcn II. 1886. >L

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/121>, abgerufen am 30.06.2024.