Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die Veutschon in zcewyort. lich äußert; doch diirfte sie zu nichts weiter führen als zu einer Reihe persön¬ Die Veutschon in zcewyort. lich äußert; doch diirfte sie zu nichts weiter führen als zu einer Reihe persön¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0610" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198034"/> <fw type="header" place="top"> Die Veutschon in zcewyort.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1802" prev="#ID_1801" next="#ID_1803"> lich äußert; doch diirfte sie zu nichts weiter führen als zu einer Reihe persön¬<lb/> licher Verstimmungen, da für ein politisches Aufraffen und Zusanunenfasfen des<lb/> Deutschtums an irgendeinem Punkte infolge jahrhundertelanger Gleichgiltigkeit<lb/> so gut wie nichts vorgebildet und das Wenige vernachlässigt ist. Während man<lb/> die sozialen Eigenschaften der Semiten mißbilligt, steht man im Gegenteil politisch<lb/> vollkommen unter dem Einflusse der Grundsätze, welche das Judentum in der<lb/> Welt zu verbreiten für zuträglich gehalten hat, und jedes deutsche Komitee,<lb/> welches sich bilden könnte, würde zur Zeit von gewissen unvermeidlichen Be-<lb/> kennern jeuer Grundsätze angesteckt und lahmgelegt werden. Und trotzdem<lb/> — mag es immerhin paradox klingen! — in den Tiefen unsers nahezu unzer¬<lb/> störbar scheinenden Volkstums schlummert auch drüben die deutsche Gesinnung.<lb/> Sie hat sich des öfter» werkthätig in reichen Spenden geäußert, während des<lb/> letzten Krieges, während der großen Überschwemmungen am Rhein; das ist<lb/> immerhin viel. Wir wollen auch derer nicht vergessen, die in stiller und ge¬<lb/> wissenhafter Arbeit deutscher Wissenschaft und deutscher Thätigkeit Achtung und<lb/> Anerkennung erwerben, wir wollen derer nicht vergessen, die auf verlorenen<lb/> Posten, aus welche die Gewaltsamkeit amerikanischen Lebens sie verschlagen hat,<lb/> an die Scholle gebunden und ohne Möglichkeit der Rückkehr, der Heimat dennoch<lb/> ihre Sehnsucht und ihr Herz bewahrt haben; wir wollen endlich dankbar die Hand<lb/> reichen den wenigen, die sich rüstig im Kampfe um politische Geltung, im Kampfe<lb/> gegen amerikairisches Vorurteil gerührt haben. Wir verdanken diesem Kampfe jene<lb/> prächtige Antwort eines braven Landsmannes ans die hämischen Angrisse seiner<lb/> amerikanischen „Brüder:" „Was ist für ein Unterschied zwischen mir und euch,<lb/> als daß ich in Kleidern in dieses Land gekommen bin, ihr aber nackt?" schlagender<lb/> kann man es nicht ausdrücken, daß jeder sozusagen bereits „fertiggestellte" deutsche<lb/> Einwanderer ein Kapital darstellt, welches Amerika geschenkt wird; wovon aber<lb/> das Gros der Amerikaner keine Ahnung hat, keine haben will und nie eine<lb/> haben wird, da die deutsche Presse ihre Schuldigkeit nicht thut. Es hat uns<lb/> jenes Wort erinnert an den deutschen Richter in Ungarn, in dessen Umgebung<lb/> die Magyaren scherzhaft die Frage aufwarfen, weshalb die Hunde in Ungarn<lb/> nur auf deutsche Kommandos hörten: „Nun, sagte einer, weil das Deutsche<lb/> bloß für die Hunde gut ist!" — „Nein, sagte der Stuhlrichter, weil das Ma¬<lb/> gyarische selbst für die Hunde zu schlecht ist!" Und die Ungarn riefen „Eljen!"<lb/> weil sie es achten, wenn jemand seine Nationalität mutig bekennt. Immer in<lb/> der höchsten Not, nnter allerderbstem und schneidendsten Anreiz, kommt auch<lb/> bei uns Deutschen unser Nationalstolz zum Durchbruch; er ist noch da; aber<lb/> immer wieder schläft er ein, er ist noch keine alltägliche, unermüdliche Funktion<lb/> geworden wie Herzschlag und Atmnng; wir salzen noch nicht unsre Suppe damit,<lb/> wir tragen ihn uoch nicht in der Tasche; das Einträgliche des Nationalbewußt¬<lb/> seins vor allem ist uns noch nicht aufgegangen. Gesetzt, die Deutschen von<lb/> Newyork hätten einen nationalen Tick wie die Amerikaner, diese Stadt müßte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0610]
Die Veutschon in zcewyort.
lich äußert; doch diirfte sie zu nichts weiter führen als zu einer Reihe persön¬
licher Verstimmungen, da für ein politisches Aufraffen und Zusanunenfasfen des
Deutschtums an irgendeinem Punkte infolge jahrhundertelanger Gleichgiltigkeit
so gut wie nichts vorgebildet und das Wenige vernachlässigt ist. Während man
die sozialen Eigenschaften der Semiten mißbilligt, steht man im Gegenteil politisch
vollkommen unter dem Einflusse der Grundsätze, welche das Judentum in der
Welt zu verbreiten für zuträglich gehalten hat, und jedes deutsche Komitee,
welches sich bilden könnte, würde zur Zeit von gewissen unvermeidlichen Be-
kennern jeuer Grundsätze angesteckt und lahmgelegt werden. Und trotzdem
— mag es immerhin paradox klingen! — in den Tiefen unsers nahezu unzer¬
störbar scheinenden Volkstums schlummert auch drüben die deutsche Gesinnung.
Sie hat sich des öfter» werkthätig in reichen Spenden geäußert, während des
letzten Krieges, während der großen Überschwemmungen am Rhein; das ist
immerhin viel. Wir wollen auch derer nicht vergessen, die in stiller und ge¬
wissenhafter Arbeit deutscher Wissenschaft und deutscher Thätigkeit Achtung und
Anerkennung erwerben, wir wollen derer nicht vergessen, die auf verlorenen
Posten, aus welche die Gewaltsamkeit amerikanischen Lebens sie verschlagen hat,
an die Scholle gebunden und ohne Möglichkeit der Rückkehr, der Heimat dennoch
ihre Sehnsucht und ihr Herz bewahrt haben; wir wollen endlich dankbar die Hand
reichen den wenigen, die sich rüstig im Kampfe um politische Geltung, im Kampfe
gegen amerikairisches Vorurteil gerührt haben. Wir verdanken diesem Kampfe jene
prächtige Antwort eines braven Landsmannes ans die hämischen Angrisse seiner
amerikanischen „Brüder:" „Was ist für ein Unterschied zwischen mir und euch,
als daß ich in Kleidern in dieses Land gekommen bin, ihr aber nackt?" schlagender
kann man es nicht ausdrücken, daß jeder sozusagen bereits „fertiggestellte" deutsche
Einwanderer ein Kapital darstellt, welches Amerika geschenkt wird; wovon aber
das Gros der Amerikaner keine Ahnung hat, keine haben will und nie eine
haben wird, da die deutsche Presse ihre Schuldigkeit nicht thut. Es hat uns
jenes Wort erinnert an den deutschen Richter in Ungarn, in dessen Umgebung
die Magyaren scherzhaft die Frage aufwarfen, weshalb die Hunde in Ungarn
nur auf deutsche Kommandos hörten: „Nun, sagte einer, weil das Deutsche
bloß für die Hunde gut ist!" — „Nein, sagte der Stuhlrichter, weil das Ma¬
gyarische selbst für die Hunde zu schlecht ist!" Und die Ungarn riefen „Eljen!"
weil sie es achten, wenn jemand seine Nationalität mutig bekennt. Immer in
der höchsten Not, nnter allerderbstem und schneidendsten Anreiz, kommt auch
bei uns Deutschen unser Nationalstolz zum Durchbruch; er ist noch da; aber
immer wieder schläft er ein, er ist noch keine alltägliche, unermüdliche Funktion
geworden wie Herzschlag und Atmnng; wir salzen noch nicht unsre Suppe damit,
wir tragen ihn uoch nicht in der Tasche; das Einträgliche des Nationalbewußt¬
seins vor allem ist uns noch nicht aufgegangen. Gesetzt, die Deutschen von
Newyork hätten einen nationalen Tick wie die Amerikaner, diese Stadt müßte
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