Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Ungehaltene Reden eines Nichtgewcihlten. Wissenschaft habe. Aber darin liegt ja eben die ungeheure Dreistigkeit. Wenn Darüber habe ich mich schon neulich ausgesprochen, ebenso habe ich wiederholt Grenzboten t. 1880. 71
Ungehaltene Reden eines Nichtgewcihlten. Wissenschaft habe. Aber darin liegt ja eben die ungeheure Dreistigkeit. Wenn Darüber habe ich mich schon neulich ausgesprochen, ebenso habe ich wiederholt Grenzboten t. 1880. 71
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197993"/> <fw type="header" place="top"> Ungehaltene Reden eines Nichtgewcihlten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1681" prev="#ID_1680"> Wissenschaft habe. Aber darin liegt ja eben die ungeheure Dreistigkeit. Wenn<lb/> ich hier sage, der Reichskanzler denkt nur darauf, die großen Grundbesitzer auf<lb/> Kosten des armen Manuel, namentlich desjenigen armen Mannes, welcher sein<lb/> trocknes Brot im Schweiße seines Angesichts aus der Börse verdient, zu be¬<lb/> reichern, und ein Untersuchungsrichter wollte sich unterfangen, mich zu fragen,<lb/> woher ich das wisse, so würde ich entschiede» jede Auskunft verweigern, Oder<lb/> sollte ich etwa meinen höchst glanbcnswerten Gewährsmann, den bekannten<lb/> Korrespondenten Wippchen, der Rache des Fürsten Bismarck preisgeben? Nun<lb/> wird weiter räsounirt: Wenn Herr von Schalscha nicht zur Verfolgung der<lb/> Verbrecher, zur Unterdrückung des Verbrechens die Hand bieten wollte, wozu<lb/> hatte er es denn zur Sprache gebracht? El, meine Herren, das geht niemand<lb/> etwas an. Und die Frage könnte garnicht aufgeworfen werden, wenn man sich<lb/> die Stellung eines Volksvertreters gegenwärtig hielte. Der Volksvertreter ist<lb/> ein Beichtvater. Dieser verrät das auch nicht, was ihm anvertraut worden<lb/> ist, er hält aber den Verbrecher an, den angerichteten Schaden wieder gut zu<lb/> machen, und das wird Herr von Schalscha ohne Zweifel ebenfalls gethan<lb/> haben — vorher giebt es keine Absolution. Die Mitteilung erfolgte auch nur<lb/> hier im vertrautesten Kreise, zur Warnung der Regierung; daß sie dann weiter¬<lb/> verbreitet, daß die Angelegenheit an die große Glocke gehängt wurde, ist das<lb/> seine Schuld? Und wenn es seine Schuld wäre, so werden wir doch niemals<lb/> zugeben, daß jemand angehalten werden könne, das zu vertreten, was er hier<lb/> gesagt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1682" next="#ID_1683"> Darüber habe ich mich schon neulich ausgesprochen, ebenso habe ich wiederholt<lb/> unsre Bereitwilligkeit erklärt, das Vaterland zu verteidigen, falls es wirklich<lb/> bedroht werden sollte, wozu bekanntlich gar keine Aussicht ist; und endlich nehme<lb/> ich nicht zum erstenmale Anlaß darauf hinzuweisen, wie schädlich es ist, wenn<lb/> eine Materie von sogenannten Fachmännern behandelt wird. Sprechen Kollege<lb/> Hänel oder Richter oder Banmbach oder ich z. B. über die Frage der Militär-<lb/> pensivnirung, so ist die Sache völlig klar. Beamter ist Beamter, ob im Zivil¬<lb/> oder im Kriegsdienst. Wenn ein Nechnungsrat bis ins sechzigste oder siebzigste<lb/> Jahr lange Kolonnen addiren kann, kann auch ein alter Hauptmann Kolonnen<lb/> führen bis an sein Lebensende. Jetzt tritt der Abgeordnete Graf Moltke auf,<lb/> ein Fachmann von einigem Ruf, wie ich uicht bestreiten will; aber eben deswegen<lb/> ist er befangen, besitzt nicht die frisch-fröhlich-freie Objektivität, welche uns ge¬<lb/> stattet, alles über einen Kamm zu scheren, und sofort wird die Angelegenheit<lb/> verwickelt. Wir sollen das Offizierkorps nicht alt werden lassen, weil sonst das<lb/> Heer selbst veralte — aber ist er nicht selbst alt? Aha, da haben wir ihn<lb/> gefangen! Er hat vielleicht an Friedrich Wilhelm III. gedacht, der die Offiziere<lb/> aus Friedrichs des Großen Zeit zu sehr respektirte, an die Schlacht bei Jena;<lb/> aber wie viel ist damals an Pensionen erspart worden! Der Fehler war nur,<lb/> daß nicht am 9. Oktober 1806 alle zu alten Offiziere durch junge ersetzt wurden.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten t. 1880. 71</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0569]
Ungehaltene Reden eines Nichtgewcihlten.
Wissenschaft habe. Aber darin liegt ja eben die ungeheure Dreistigkeit. Wenn
ich hier sage, der Reichskanzler denkt nur darauf, die großen Grundbesitzer auf
Kosten des armen Manuel, namentlich desjenigen armen Mannes, welcher sein
trocknes Brot im Schweiße seines Angesichts aus der Börse verdient, zu be¬
reichern, und ein Untersuchungsrichter wollte sich unterfangen, mich zu fragen,
woher ich das wisse, so würde ich entschiede» jede Auskunft verweigern, Oder
sollte ich etwa meinen höchst glanbcnswerten Gewährsmann, den bekannten
Korrespondenten Wippchen, der Rache des Fürsten Bismarck preisgeben? Nun
wird weiter räsounirt: Wenn Herr von Schalscha nicht zur Verfolgung der
Verbrecher, zur Unterdrückung des Verbrechens die Hand bieten wollte, wozu
hatte er es denn zur Sprache gebracht? El, meine Herren, das geht niemand
etwas an. Und die Frage könnte garnicht aufgeworfen werden, wenn man sich
die Stellung eines Volksvertreters gegenwärtig hielte. Der Volksvertreter ist
ein Beichtvater. Dieser verrät das auch nicht, was ihm anvertraut worden
ist, er hält aber den Verbrecher an, den angerichteten Schaden wieder gut zu
machen, und das wird Herr von Schalscha ohne Zweifel ebenfalls gethan
haben — vorher giebt es keine Absolution. Die Mitteilung erfolgte auch nur
hier im vertrautesten Kreise, zur Warnung der Regierung; daß sie dann weiter¬
verbreitet, daß die Angelegenheit an die große Glocke gehängt wurde, ist das
seine Schuld? Und wenn es seine Schuld wäre, so werden wir doch niemals
zugeben, daß jemand angehalten werden könne, das zu vertreten, was er hier
gesagt hat.
Darüber habe ich mich schon neulich ausgesprochen, ebenso habe ich wiederholt
unsre Bereitwilligkeit erklärt, das Vaterland zu verteidigen, falls es wirklich
bedroht werden sollte, wozu bekanntlich gar keine Aussicht ist; und endlich nehme
ich nicht zum erstenmale Anlaß darauf hinzuweisen, wie schädlich es ist, wenn
eine Materie von sogenannten Fachmännern behandelt wird. Sprechen Kollege
Hänel oder Richter oder Banmbach oder ich z. B. über die Frage der Militär-
pensivnirung, so ist die Sache völlig klar. Beamter ist Beamter, ob im Zivil¬
oder im Kriegsdienst. Wenn ein Nechnungsrat bis ins sechzigste oder siebzigste
Jahr lange Kolonnen addiren kann, kann auch ein alter Hauptmann Kolonnen
führen bis an sein Lebensende. Jetzt tritt der Abgeordnete Graf Moltke auf,
ein Fachmann von einigem Ruf, wie ich uicht bestreiten will; aber eben deswegen
ist er befangen, besitzt nicht die frisch-fröhlich-freie Objektivität, welche uns ge¬
stattet, alles über einen Kamm zu scheren, und sofort wird die Angelegenheit
verwickelt. Wir sollen das Offizierkorps nicht alt werden lassen, weil sonst das
Heer selbst veralte — aber ist er nicht selbst alt? Aha, da haben wir ihn
gefangen! Er hat vielleicht an Friedrich Wilhelm III. gedacht, der die Offiziere
aus Friedrichs des Großen Zeit zu sehr respektirte, an die Schlacht bei Jena;
aber wie viel ist damals an Pensionen erspart worden! Der Fehler war nur,
daß nicht am 9. Oktober 1806 alle zu alten Offiziere durch junge ersetzt wurden.
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