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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens.

ich heute nein sage und mein Ziel im Auge behalte, so hart und mühselig der
Weg auch sein mag. Ich habe nur eins noch im Leben zu thun, mein Gedicht,
die einzige Frucht meines Daseins, ans Licht zu bringen! Ich habe Jahrzehnte
daran gesetzt, es zu vollenden -- jetzt darf ich keine Mühe scheuen, um ihm
die Gunst meines Königs und meines Volkes zu erwerben. Ich muß Dom
Sebastian sehen und sprechen.

Müßt Ihr? fragte Manuel Barreto und vermochte bei aller Höflichkeit
einen gewissen Unmut nicht zu verbergen. Ihr sagt selbst, daß Ihr zunächst
geringe Aussicht habt, vor das Antlitz unsers jungen Herrn zu gelangen --

Und wäre die Aussicht noch geringer, Senhor Manuel, ich müßte ihr nach¬
gehen, unterbrach der Dichter die Einrede des ältern Freundes. Seine Wangen
überzogen sich mit einer fieberhaften Nöte, aus seiner Stimme und seiner
Haltung verlor sich für einen Augenblick die edle Gelassenheit, die ihn sonst
auszeichnete. Er holte tief Atem und kämpfte offenbar mit sich selbst, ob er
Barreto mehr mitteilen solle, als er schon gethan. Herr Manuel kam ihm
jedoch zuvor und hub nach einigem Zögern wieder an: So erlaubt, daß ich Euch
meine geringe Hilfe anbiete, Camoens, und gewährt mir dafür die Gunst Euers
Besuchs! Wenn Ihr bei Hofe nichts wollt als eine kurze Unterredung mit dem
König und die Übergabe Euers Gedichts, so reichen die spärlichen Verbindungen,
die ich dort noch habe, wohl dazu aus, Euch morgen oder einen Tag später
den Zutritt zu verschaffen. Ich begleite Euch nach Cintra hinab, wir nehmen
gemeinsam Herberge bei Bartolomeo Okaz, der als Steuermann auf der Ormus-
flvtte gedient hat, und ich versuche, Euch morgen die Viertelstunde zu erwirken,
auf die Ihr das Heil Eurer Seele gesetzt habt. Dann begleitet Ihr mich nach
meinem Gute, auf alle Fälle aber gestattet Ihr mir, daß ich von Stund an
Euer Gastfreund bin, denn dnrch unser erwünschtes Begegnen und dnrch den
Eigenwillen, mit dem ich Euch hindre, das Kloster aufzusuchen, habe ich ein
doppeltes Anrecht darauf.

Es stünde mir schlecht an, Eurer Freundschaft zu widersprechen, entgegnete
Camoens ernst. Nur ein Wort erlaubt mir. Ihr wißt nicht, könnt nicht
wissen, was mein Werk für mich bedeutet und durch welche Fügungen und
Verhängnisse die Vollendung der "Lusiaden" für mich der Zweck des Daseins
geworden ist. Indes glaubt mir ohne Beteuerung, daß das Heil meiner Seele
an der Erreichung dieses Zieles hängt, und da Ihr ritterlich und großherzig
und mein Freund seid, so habt Nachsicht damit, daß ich in dieser Sache nicht
scherzen kann!

El Freund, das ganze Leben ist gewaltig ernst, und doch muß man es zu
guter Stunde als eine" Scherz behandeln, rief der Edelmann. Ich fürchte,
Ihr seid krank und müßt mir umsomehr und umso länger nach Almocegema!
Wir werden wohl thun, wenn wir unsern nächsten Weg bald antreten, so schattig
und labend auch dieser Fleck Erde ist! Nehmt unsre Begegnung bei diesem


Lamoens.

ich heute nein sage und mein Ziel im Auge behalte, so hart und mühselig der
Weg auch sein mag. Ich habe nur eins noch im Leben zu thun, mein Gedicht,
die einzige Frucht meines Daseins, ans Licht zu bringen! Ich habe Jahrzehnte
daran gesetzt, es zu vollenden — jetzt darf ich keine Mühe scheuen, um ihm
die Gunst meines Königs und meines Volkes zu erwerben. Ich muß Dom
Sebastian sehen und sprechen.

Müßt Ihr? fragte Manuel Barreto und vermochte bei aller Höflichkeit
einen gewissen Unmut nicht zu verbergen. Ihr sagt selbst, daß Ihr zunächst
geringe Aussicht habt, vor das Antlitz unsers jungen Herrn zu gelangen —

Und wäre die Aussicht noch geringer, Senhor Manuel, ich müßte ihr nach¬
gehen, unterbrach der Dichter die Einrede des ältern Freundes. Seine Wangen
überzogen sich mit einer fieberhaften Nöte, aus seiner Stimme und seiner
Haltung verlor sich für einen Augenblick die edle Gelassenheit, die ihn sonst
auszeichnete. Er holte tief Atem und kämpfte offenbar mit sich selbst, ob er
Barreto mehr mitteilen solle, als er schon gethan. Herr Manuel kam ihm
jedoch zuvor und hub nach einigem Zögern wieder an: So erlaubt, daß ich Euch
meine geringe Hilfe anbiete, Camoens, und gewährt mir dafür die Gunst Euers
Besuchs! Wenn Ihr bei Hofe nichts wollt als eine kurze Unterredung mit dem
König und die Übergabe Euers Gedichts, so reichen die spärlichen Verbindungen,
die ich dort noch habe, wohl dazu aus, Euch morgen oder einen Tag später
den Zutritt zu verschaffen. Ich begleite Euch nach Cintra hinab, wir nehmen
gemeinsam Herberge bei Bartolomeo Okaz, der als Steuermann auf der Ormus-
flvtte gedient hat, und ich versuche, Euch morgen die Viertelstunde zu erwirken,
auf die Ihr das Heil Eurer Seele gesetzt habt. Dann begleitet Ihr mich nach
meinem Gute, auf alle Fälle aber gestattet Ihr mir, daß ich von Stund an
Euer Gastfreund bin, denn dnrch unser erwünschtes Begegnen und dnrch den
Eigenwillen, mit dem ich Euch hindre, das Kloster aufzusuchen, habe ich ein
doppeltes Anrecht darauf.

Es stünde mir schlecht an, Eurer Freundschaft zu widersprechen, entgegnete
Camoens ernst. Nur ein Wort erlaubt mir. Ihr wißt nicht, könnt nicht
wissen, was mein Werk für mich bedeutet und durch welche Fügungen und
Verhängnisse die Vollendung der „Lusiaden" für mich der Zweck des Daseins
geworden ist. Indes glaubt mir ohne Beteuerung, daß das Heil meiner Seele
an der Erreichung dieses Zieles hängt, und da Ihr ritterlich und großherzig
und mein Freund seid, so habt Nachsicht damit, daß ich in dieser Sache nicht
scherzen kann!

El Freund, das ganze Leben ist gewaltig ernst, und doch muß man es zu
guter Stunde als eine» Scherz behandeln, rief der Edelmann. Ich fürchte,
Ihr seid krank und müßt mir umsomehr und umso länger nach Almocegema!
Wir werden wohl thun, wenn wir unsern nächsten Weg bald antreten, so schattig
und labend auch dieser Fleck Erde ist! Nehmt unsre Begegnung bei diesem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/52>, abgerufen am 05.02.2025.