Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Schiffsmimen. Eine ergiebige Quelle der Namengebung war überall die Mythologie, und Auch die jeweilige Zeitgeschichte hat nicht ermangelt, auf die Benennung Dasselbe Verfahren hat neuerdings auch im deutschen Reiche Anklang ge¬ Schiffsmimen. Eine ergiebige Quelle der Namengebung war überall die Mythologie, und Auch die jeweilige Zeitgeschichte hat nicht ermangelt, auf die Benennung Dasselbe Verfahren hat neuerdings auch im deutschen Reiche Anklang ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197894"/> <fw type="header" place="top"> Schiffsmimen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1358"> Eine ergiebige Quelle der Namengebung war überall die Mythologie, und<lb/> sie hat sich als solche bis auf die neuesten Zeiten erhalten. Nur das deutsche<lb/> Reich macht darin eine Ausnahme; die Namen der heidnischen Götter und<lb/> Göttinnen erscheinen bei den Schiffstaufen nicht mehr, und man hat nie etwas<lb/> davon verlauten hören, was diese doch sicher poesievollen Namen denn eigentlich<lb/> so in Mißkredit gebracht hat. „Hertha" und „Mars" sind in der Flotte, so<lb/> viel uns bekannt, ihre einzigen Vertreter, aber die Benennung dieser beiden<lb/> Schiffe stammt ans weit zurückliegender Zeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1359"> Auch die jeweilige Zeitgeschichte hat nicht ermangelt, auf die Benennung<lb/> der Schiffe einen gewisse» Einfluß zu üben. In Frankreich verschwanden mit<lb/> der Revolution alsbald die monarchischen und alle an die Monarchie erinnernden<lb/> Namen, die Republik verschmähte Personennamen überhaupt, weil sie an den<lb/> verdächtigen Servilismus des monarchischen Wesens erinnerten? an die Stelle<lb/> des DauMn RoM trat der L-rnKeulott,», I^u wurde zum Irioolor, (Zourovnv<lb/> zum irg., Lorivvram zum Konve-r-M ?suplv, ^.ug'uftg zum .liioobin. Ruch<lb/> die neue Republik jenseits des Ozeans verfolgte solche Grundsätze, und dort<lb/> war es, wo in der Benennung der Schiffe die Vorliebe für die Geographie in<lb/> ausgedehnter Weise zur Geltung kam. Auch in England hatten schon vorher<lb/> die LütAmng., Ridvrma und OMfornia eine Rolle gespielt, ganz wie in Frankreich<lb/> die vrotagno, Gironäv, ^.uvörgno und UorirmiMv. Aber in Amerika erhob man<lb/> die Benennung der Schiffe mit geographischen Namen zum System. Die Linien¬<lb/> schiffe erhielten die Namen von Staaten, wie Ollio, Va-mont,, Mrtll-Lg,ro1in!Z.<lb/> und andre, die Fregatten dagegen wurden mit Flußnamen getauft, sodaß es<lb/> sich ereignete, daß eine stolze Fregatte von sechzig Kanonen, ein Musterschiff<lb/> seiner Zeit, den — soll man sagen bescheidnen oder nnbescheidnen — Namen<lb/> „Branntwein" erhielt, denn Nnnnivn im- ist ein Fluß, der durch die ruhmreichen<lb/> Feldzüge George Washingtons eine geschichtliche Bedeutung erlangt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1360" next="#ID_1361"> Dasselbe Verfahren hat neuerdings auch im deutschen Reiche Anklang ge¬<lb/> sunden, in der Flotte wie in der Kauffcchrtei, denn in beiden finden wir den<lb/> hauptsächlichsten Schiffen geographische Namen beigelegt. Die Namen berühmter<lb/> Feldherren kommen erst in zweiter Linie zur Anwendung, denn in der Flotte<lb/> z. B. findet man „Moltke" und „Gneisenau" erst unter den Namen der Korvetten.<lb/> Wenigstens waren die betreffenden Schiffe Korvetten, als sie getauft wurden.<lb/> Wie es scheint, hat man die Bezeichnung für zu gering erachtet, und wenn wir<lb/> recht unterrichtet sind, nennt man sie jetzt Fregatten, ein Verfahren, über dessen<lb/> Zweckmäßigkeit man in Zweifel sein kann, weil es eine Aufbanschnng des Begriffes<lb/> ohne solide Grundlage ist. Für die Zukunft wird ein Schiff, welches den Namen<lb/> einer Korvette trägt und sich zu der Leistung einer Fregatte aufschwingt, bessere<lb/> Dienste thun, als ein Schiff mit größerem Namen, dem aber nur die kleinere<lb/> Leistung zuzumuten ist. Jedem Kenner der Seekriegsgeschichte ist es bekannt,<lb/> welchen Ruhm sich Iiüieck Leg-dös und «üooLtiwtiov. erworben haben, weil sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
Schiffsmimen.
Eine ergiebige Quelle der Namengebung war überall die Mythologie, und
sie hat sich als solche bis auf die neuesten Zeiten erhalten. Nur das deutsche
Reich macht darin eine Ausnahme; die Namen der heidnischen Götter und
Göttinnen erscheinen bei den Schiffstaufen nicht mehr, und man hat nie etwas
davon verlauten hören, was diese doch sicher poesievollen Namen denn eigentlich
so in Mißkredit gebracht hat. „Hertha" und „Mars" sind in der Flotte, so
viel uns bekannt, ihre einzigen Vertreter, aber die Benennung dieser beiden
Schiffe stammt ans weit zurückliegender Zeit.
Auch die jeweilige Zeitgeschichte hat nicht ermangelt, auf die Benennung
der Schiffe einen gewisse» Einfluß zu üben. In Frankreich verschwanden mit
der Revolution alsbald die monarchischen und alle an die Monarchie erinnernden
Namen, die Republik verschmähte Personennamen überhaupt, weil sie an den
verdächtigen Servilismus des monarchischen Wesens erinnerten? an die Stelle
des DauMn RoM trat der L-rnKeulott,», I^u wurde zum Irioolor, (Zourovnv
zum irg., Lorivvram zum Konve-r-M ?suplv, ^.ug'uftg zum .liioobin. Ruch
die neue Republik jenseits des Ozeans verfolgte solche Grundsätze, und dort
war es, wo in der Benennung der Schiffe die Vorliebe für die Geographie in
ausgedehnter Weise zur Geltung kam. Auch in England hatten schon vorher
die LütAmng., Ridvrma und OMfornia eine Rolle gespielt, ganz wie in Frankreich
die vrotagno, Gironäv, ^.uvörgno und UorirmiMv. Aber in Amerika erhob man
die Benennung der Schiffe mit geographischen Namen zum System. Die Linien¬
schiffe erhielten die Namen von Staaten, wie Ollio, Va-mont,, Mrtll-Lg,ro1in!Z.
und andre, die Fregatten dagegen wurden mit Flußnamen getauft, sodaß es
sich ereignete, daß eine stolze Fregatte von sechzig Kanonen, ein Musterschiff
seiner Zeit, den — soll man sagen bescheidnen oder nnbescheidnen — Namen
„Branntwein" erhielt, denn Nnnnivn im- ist ein Fluß, der durch die ruhmreichen
Feldzüge George Washingtons eine geschichtliche Bedeutung erlangt hat.
Dasselbe Verfahren hat neuerdings auch im deutschen Reiche Anklang ge¬
sunden, in der Flotte wie in der Kauffcchrtei, denn in beiden finden wir den
hauptsächlichsten Schiffen geographische Namen beigelegt. Die Namen berühmter
Feldherren kommen erst in zweiter Linie zur Anwendung, denn in der Flotte
z. B. findet man „Moltke" und „Gneisenau" erst unter den Namen der Korvetten.
Wenigstens waren die betreffenden Schiffe Korvetten, als sie getauft wurden.
Wie es scheint, hat man die Bezeichnung für zu gering erachtet, und wenn wir
recht unterrichtet sind, nennt man sie jetzt Fregatten, ein Verfahren, über dessen
Zweckmäßigkeit man in Zweifel sein kann, weil es eine Aufbanschnng des Begriffes
ohne solide Grundlage ist. Für die Zukunft wird ein Schiff, welches den Namen
einer Korvette trägt und sich zu der Leistung einer Fregatte aufschwingt, bessere
Dienste thun, als ein Schiff mit größerem Namen, dem aber nur die kleinere
Leistung zuzumuten ist. Jedem Kenner der Seekriegsgeschichte ist es bekannt,
welchen Ruhm sich Iiüieck Leg-dös und «üooLtiwtiov. erworben haben, weil sie
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