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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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mit unsrer unfruchtbare" Opposition, das sind die Grundlagen, von welchen
aus man dort uusern Zuständen nähertritt. Alles andre paßt nicht in den
Kram. Man findet sich mit oder ohne Zitiruug deutscher Blätter damit ab,
und Entfremdung vom Deutschtum um jeden Preis, das ist das Ziel des ver¬
dorbenen Instinkts, welcher sich, so lange Nur in Amerika weilten, in der deutschen
Newyorker Staatszeitung äußerte, und welchen sie immerhin ihre "nationale
Gesinnung" nennen mag, wenn es ihr beliebt.

Das erwähnte Blatt bietet übrigens noch insofern eine interessante Er¬
scheinung dar, als es uns die Presse veranschaulicht, wie sie vielleicht auch in
Deutschland ohne Bismarck geworden wäre. Man kann eigentlich nicht sagen "ohne
Bismarck," denn die Persönlichkeit dieses Mannes ist so mächtig, daß sie auf
viele wirkt, welche lieber zur Lüge greifen als diese Wirkung zugestehen würden,
und der Einfluß dieses "Generals" ist in hundert Wendungen und in hundert
Anschauungen mich in der Newyorker Staatszeitung zu erkennen; vorherrschend
und maßgebend ist jedoch nach wie vor der alte 48 er Grundton, Wir
wollen die 48 er nicht unterschätzen; sie führten dem Deutsch - Amcrilanertnm
jenen so unentbehrlichen geistigen Gehalt zu, ohne den es noch widerstands-
nnfähiger geworden wäre, als es ohnehin schon ist, Sie allein haben auch die
in Betracht kommende deutsch-amerikanische Presse gegründet und emporgebracht,
und mag man über diese Presse denken, wie man will, sie könnte jedenfalls noch
mangelhafter, noch verrannter und noch nndentscher sein; dies ist immerhin ein
Lob, mit welchem wir nicht zurückhalten wollen. Der Fehler ist nur, daß die
48 er Ideen in Amerika einen Boden fanden, auf welchem sie ins Kraut schießen
und aufhören mußten, Früchte zu zeitigen. Verbissenheit und Verblendung sind
das einzige, was hier noch gedeiht, und wer hören will, was alles auch nach
1870/71. an Haß gegen das Mutterland geleistet wird, der gehe in die New-
yorker Weinstnben und höre die Alten vom Hecker und vom badischen Feldzuge
erzählen, der belausche, wie sie dasitzen mit Weißen Haaren und roten Gesichtern,
schmälert und scheltend, Essig trinkend (denn der Wein in Newyork ist nicht
vom besten), Essig sprechend und, wenn sie nur konnten, auch alles zu Essig
machend. Sie haben ihre Zeit gehabt, die gute" 48 er, aber sie sind mich
mehr als überlebt! Es giebt neuen und bessern Sauerteig im Lande genug.

(Schluß fohzl,)




7>lo Deutschen in N>nvyor?,

mit unsrer unfruchtbare» Opposition, das sind die Grundlagen, von welchen
aus man dort uusern Zuständen nähertritt. Alles andre paßt nicht in den
Kram. Man findet sich mit oder ohne Zitiruug deutscher Blätter damit ab,
und Entfremdung vom Deutschtum um jeden Preis, das ist das Ziel des ver¬
dorbenen Instinkts, welcher sich, so lange Nur in Amerika weilten, in der deutschen
Newyorker Staatszeitung äußerte, und welchen sie immerhin ihre „nationale
Gesinnung" nennen mag, wenn es ihr beliebt.

Das erwähnte Blatt bietet übrigens noch insofern eine interessante Er¬
scheinung dar, als es uns die Presse veranschaulicht, wie sie vielleicht auch in
Deutschland ohne Bismarck geworden wäre. Man kann eigentlich nicht sagen „ohne
Bismarck," denn die Persönlichkeit dieses Mannes ist so mächtig, daß sie auf
viele wirkt, welche lieber zur Lüge greifen als diese Wirkung zugestehen würden,
und der Einfluß dieses „Generals" ist in hundert Wendungen und in hundert
Anschauungen mich in der Newyorker Staatszeitung zu erkennen; vorherrschend
und maßgebend ist jedoch nach wie vor der alte 48 er Grundton, Wir
wollen die 48 er nicht unterschätzen; sie führten dem Deutsch - Amcrilanertnm
jenen so unentbehrlichen geistigen Gehalt zu, ohne den es noch widerstands-
nnfähiger geworden wäre, als es ohnehin schon ist, Sie allein haben auch die
in Betracht kommende deutsch-amerikanische Presse gegründet und emporgebracht,
und mag man über diese Presse denken, wie man will, sie könnte jedenfalls noch
mangelhafter, noch verrannter und noch nndentscher sein; dies ist immerhin ein
Lob, mit welchem wir nicht zurückhalten wollen. Der Fehler ist nur, daß die
48 er Ideen in Amerika einen Boden fanden, auf welchem sie ins Kraut schießen
und aufhören mußten, Früchte zu zeitigen. Verbissenheit und Verblendung sind
das einzige, was hier noch gedeiht, und wer hören will, was alles auch nach
1870/71. an Haß gegen das Mutterland geleistet wird, der gehe in die New-
yorker Weinstnben und höre die Alten vom Hecker und vom badischen Feldzuge
erzählen, der belausche, wie sie dasitzen mit Weißen Haaren und roten Gesichtern,
schmälert und scheltend, Essig trinkend (denn der Wein in Newyork ist nicht
vom besten), Essig sprechend und, wenn sie nur konnten, auch alles zu Essig
machend. Sie haben ihre Zeit gehabt, die gute» 48 er, aber sie sind mich
mehr als überlebt! Es giebt neuen und bessern Sauerteig im Lande genug.

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[0467] 7>lo Deutschen in N>nvyor?, mit unsrer unfruchtbare» Opposition, das sind die Grundlagen, von welchen aus man dort uusern Zuständen nähertritt. Alles andre paßt nicht in den Kram. Man findet sich mit oder ohne Zitiruug deutscher Blätter damit ab, und Entfremdung vom Deutschtum um jeden Preis, das ist das Ziel des ver¬ dorbenen Instinkts, welcher sich, so lange Nur in Amerika weilten, in der deutschen Newyorker Staatszeitung äußerte, und welchen sie immerhin ihre „nationale Gesinnung" nennen mag, wenn es ihr beliebt. Das erwähnte Blatt bietet übrigens noch insofern eine interessante Er¬ scheinung dar, als es uns die Presse veranschaulicht, wie sie vielleicht auch in Deutschland ohne Bismarck geworden wäre. Man kann eigentlich nicht sagen „ohne Bismarck," denn die Persönlichkeit dieses Mannes ist so mächtig, daß sie auf viele wirkt, welche lieber zur Lüge greifen als diese Wirkung zugestehen würden, und der Einfluß dieses „Generals" ist in hundert Wendungen und in hundert Anschauungen mich in der Newyorker Staatszeitung zu erkennen; vorherrschend und maßgebend ist jedoch nach wie vor der alte 48 er Grundton, Wir wollen die 48 er nicht unterschätzen; sie führten dem Deutsch - Amcrilanertnm jenen so unentbehrlichen geistigen Gehalt zu, ohne den es noch widerstands- nnfähiger geworden wäre, als es ohnehin schon ist, Sie allein haben auch die in Betracht kommende deutsch-amerikanische Presse gegründet und emporgebracht, und mag man über diese Presse denken, wie man will, sie könnte jedenfalls noch mangelhafter, noch verrannter und noch nndentscher sein; dies ist immerhin ein Lob, mit welchem wir nicht zurückhalten wollen. Der Fehler ist nur, daß die 48 er Ideen in Amerika einen Boden fanden, auf welchem sie ins Kraut schießen und aufhören mußten, Früchte zu zeitigen. Verbissenheit und Verblendung sind das einzige, was hier noch gedeiht, und wer hören will, was alles auch nach 1870/71. an Haß gegen das Mutterland geleistet wird, der gehe in die New- yorker Weinstnben und höre die Alten vom Hecker und vom badischen Feldzuge erzählen, der belausche, wie sie dasitzen mit Weißen Haaren und roten Gesichtern, schmälert und scheltend, Essig trinkend (denn der Wein in Newyork ist nicht vom besten), Essig sprechend und, wenn sie nur konnten, auch alles zu Essig machend. Sie haben ihre Zeit gehabt, die gute» 48 er, aber sie sind mich mehr als überlebt! Es giebt neuen und bessern Sauerteig im Lande genug. (Schluß fohzl,)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/467>, abgerufen am 05.02.2025.