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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Das Recht der Polen in Posen.

daß das Vergangene einer völligen Vergessenheit übergeben werde. Meine aus¬
schließliche Fürsorge gehört der Zukunft. In ihr hoffe Ich die Mittel zu finden,
das über seine Kräfte angestrengte, tief erschöpfte Land noch einmal aus den
Weg zu seinem Wohlstande zu führen. Wichtige Erfahrungen haben Euch gereift.
Ich hoffe auf Eure Anerkennung rechnen zu dürfen."

Die hier erteilten Zusagen sind mit alleiniger Ausnahme derjenigen, welche
eine Konstitution verheißt, von Friedrich Wilhelm dem Dritten gewissenhaft erfüllt
worden, und jene wurde von dessen Nachfolger eingelöst, sodnß die Bewohner
der Provinz Posen sich jetzt in keiner Weise beklagen können, das ihnen in der
Proklamation verliehene Recht sei unbeachtet geblieben. Die Annahme des Königs
dagegen, daß "wichtige Erfahrungen sie gereift" hätten, erwies sich als unrichtig,
und die von ihm gehoffte Anerkennung seiner guten Absichten blieb aus.

Kehren wir zum Jahre 1815 zurück, so wurde vom General von Thuner
und vom Oberpräsidenten von Zerboni am 8. Juni eine besondre Urkunde über
die Besitznahme des "an Preußen zurückgefallenen Teiles des Herzogtums
Warschau" aufgenommen, in der es hieß: "Wir erklären diese Landschaften und
Distrikte für einen Teil der preußischen Monarchie und ihre Bewohner sür Unter¬
thanen Sr. Majestät des Königs von Preußen."

Am 3. August fand darauf die Erbhnldiguug statt, welche der Statthalter,
Fürst Nadziwill, mit einer Ansprache einleitete, in der er seine Landsleute dazu
beglückwünschte, daß sie "nun einem Staatskörper einverleibt würden, dessen
Ruhm und Macht auf einer weise beschränkten Freiheit, auf einer unparteiischen
Gerechtigkeit und einer alles umfassenden Fürsorge der Negierung beruhe." und
die mit den Worten schloß: "Die Vorzeit endlich hat Euch ein eigentümliches
Gepräge aufgedrückt. Diese Eigentümlichkeiten bestehen in Eurer Sprache, in
Euern Gewohnheiten und Euern Sitten. Diese Euch teuern Züge sollt Ihr
behalten; denn Ihr ererbtet sie von Euern Vätern. Die neue Familie, die
Euch unter sich aufnimmt, läßt sie Euch unangetastet. Umsomehr muß die
herzliche Innigkeit, mit der Ihr zu dem neuen Beherrscher übergeht, fort¬
während wachsen, weil Ihr Glieder seines Staates werden könnt, ohne die
Merkmale Euers Stammes aufzugeben. Ihr kennt die Heiligkeit des Eides,
kennt die Unverletzlichkeit der Pflichten, die Ihr dnrch ihn übernehme. Zu
diesem Eide fordere ich Euch jetzt auf. Gelobet unverbrüchliche Treue dem
besten der Könige mit aufrichtigem Herzen, verhaltet Euch darnach und glaubt
mit Zuversicht, daß des Königs väterliche Fürsorge niemals von Euch weichen
wird."

Darauf haben sie geschworen, Beamte, Geistliche, Rittergutsbesitzer, ohne
Protest und ohne irgendwelchen Vorbehalt, irgendwelche Einschränkung, genau
nach der Formel des Huldigungseides von 1796, dem Jahre der zweiten
Teilung, und dabei versprochen, dem Könige und dessen Erben und Nachfolgern
"zu aller Zeit getreu, gehorsam, gewärtig und unterthünig zu sein, Höchstdero


Das Recht der Polen in Posen.

daß das Vergangene einer völligen Vergessenheit übergeben werde. Meine aus¬
schließliche Fürsorge gehört der Zukunft. In ihr hoffe Ich die Mittel zu finden,
das über seine Kräfte angestrengte, tief erschöpfte Land noch einmal aus den
Weg zu seinem Wohlstande zu führen. Wichtige Erfahrungen haben Euch gereift.
Ich hoffe auf Eure Anerkennung rechnen zu dürfen."

Die hier erteilten Zusagen sind mit alleiniger Ausnahme derjenigen, welche
eine Konstitution verheißt, von Friedrich Wilhelm dem Dritten gewissenhaft erfüllt
worden, und jene wurde von dessen Nachfolger eingelöst, sodnß die Bewohner
der Provinz Posen sich jetzt in keiner Weise beklagen können, das ihnen in der
Proklamation verliehene Recht sei unbeachtet geblieben. Die Annahme des Königs
dagegen, daß „wichtige Erfahrungen sie gereift" hätten, erwies sich als unrichtig,
und die von ihm gehoffte Anerkennung seiner guten Absichten blieb aus.

Kehren wir zum Jahre 1815 zurück, so wurde vom General von Thuner
und vom Oberpräsidenten von Zerboni am 8. Juni eine besondre Urkunde über
die Besitznahme des „an Preußen zurückgefallenen Teiles des Herzogtums
Warschau" aufgenommen, in der es hieß: „Wir erklären diese Landschaften und
Distrikte für einen Teil der preußischen Monarchie und ihre Bewohner sür Unter¬
thanen Sr. Majestät des Königs von Preußen."

Am 3. August fand darauf die Erbhnldiguug statt, welche der Statthalter,
Fürst Nadziwill, mit einer Ansprache einleitete, in der er seine Landsleute dazu
beglückwünschte, daß sie „nun einem Staatskörper einverleibt würden, dessen
Ruhm und Macht auf einer weise beschränkten Freiheit, auf einer unparteiischen
Gerechtigkeit und einer alles umfassenden Fürsorge der Negierung beruhe." und
die mit den Worten schloß: „Die Vorzeit endlich hat Euch ein eigentümliches
Gepräge aufgedrückt. Diese Eigentümlichkeiten bestehen in Eurer Sprache, in
Euern Gewohnheiten und Euern Sitten. Diese Euch teuern Züge sollt Ihr
behalten; denn Ihr ererbtet sie von Euern Vätern. Die neue Familie, die
Euch unter sich aufnimmt, läßt sie Euch unangetastet. Umsomehr muß die
herzliche Innigkeit, mit der Ihr zu dem neuen Beherrscher übergeht, fort¬
während wachsen, weil Ihr Glieder seines Staates werden könnt, ohne die
Merkmale Euers Stammes aufzugeben. Ihr kennt die Heiligkeit des Eides,
kennt die Unverletzlichkeit der Pflichten, die Ihr dnrch ihn übernehme. Zu
diesem Eide fordere ich Euch jetzt auf. Gelobet unverbrüchliche Treue dem
besten der Könige mit aufrichtigem Herzen, verhaltet Euch darnach und glaubt
mit Zuversicht, daß des Königs väterliche Fürsorge niemals von Euch weichen
wird."

Darauf haben sie geschworen, Beamte, Geistliche, Rittergutsbesitzer, ohne
Protest und ohne irgendwelchen Vorbehalt, irgendwelche Einschränkung, genau
nach der Formel des Huldigungseides von 1796, dem Jahre der zweiten
Teilung, und dabei versprochen, dem Könige und dessen Erben und Nachfolgern
„zu aller Zeit getreu, gehorsam, gewärtig und unterthünig zu sein, Höchstdero


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[0445] Das Recht der Polen in Posen. daß das Vergangene einer völligen Vergessenheit übergeben werde. Meine aus¬ schließliche Fürsorge gehört der Zukunft. In ihr hoffe Ich die Mittel zu finden, das über seine Kräfte angestrengte, tief erschöpfte Land noch einmal aus den Weg zu seinem Wohlstande zu führen. Wichtige Erfahrungen haben Euch gereift. Ich hoffe auf Eure Anerkennung rechnen zu dürfen." Die hier erteilten Zusagen sind mit alleiniger Ausnahme derjenigen, welche eine Konstitution verheißt, von Friedrich Wilhelm dem Dritten gewissenhaft erfüllt worden, und jene wurde von dessen Nachfolger eingelöst, sodnß die Bewohner der Provinz Posen sich jetzt in keiner Weise beklagen können, das ihnen in der Proklamation verliehene Recht sei unbeachtet geblieben. Die Annahme des Königs dagegen, daß „wichtige Erfahrungen sie gereift" hätten, erwies sich als unrichtig, und die von ihm gehoffte Anerkennung seiner guten Absichten blieb aus. Kehren wir zum Jahre 1815 zurück, so wurde vom General von Thuner und vom Oberpräsidenten von Zerboni am 8. Juni eine besondre Urkunde über die Besitznahme des „an Preußen zurückgefallenen Teiles des Herzogtums Warschau" aufgenommen, in der es hieß: „Wir erklären diese Landschaften und Distrikte für einen Teil der preußischen Monarchie und ihre Bewohner sür Unter¬ thanen Sr. Majestät des Königs von Preußen." Am 3. August fand darauf die Erbhnldiguug statt, welche der Statthalter, Fürst Nadziwill, mit einer Ansprache einleitete, in der er seine Landsleute dazu beglückwünschte, daß sie „nun einem Staatskörper einverleibt würden, dessen Ruhm und Macht auf einer weise beschränkten Freiheit, auf einer unparteiischen Gerechtigkeit und einer alles umfassenden Fürsorge der Negierung beruhe." und die mit den Worten schloß: „Die Vorzeit endlich hat Euch ein eigentümliches Gepräge aufgedrückt. Diese Eigentümlichkeiten bestehen in Eurer Sprache, in Euern Gewohnheiten und Euern Sitten. Diese Euch teuern Züge sollt Ihr behalten; denn Ihr ererbtet sie von Euern Vätern. Die neue Familie, die Euch unter sich aufnimmt, läßt sie Euch unangetastet. Umsomehr muß die herzliche Innigkeit, mit der Ihr zu dem neuen Beherrscher übergeht, fort¬ während wachsen, weil Ihr Glieder seines Staates werden könnt, ohne die Merkmale Euers Stammes aufzugeben. Ihr kennt die Heiligkeit des Eides, kennt die Unverletzlichkeit der Pflichten, die Ihr dnrch ihn übernehme. Zu diesem Eide fordere ich Euch jetzt auf. Gelobet unverbrüchliche Treue dem besten der Könige mit aufrichtigem Herzen, verhaltet Euch darnach und glaubt mit Zuversicht, daß des Königs väterliche Fürsorge niemals von Euch weichen wird." Darauf haben sie geschworen, Beamte, Geistliche, Rittergutsbesitzer, ohne Protest und ohne irgendwelchen Vorbehalt, irgendwelche Einschränkung, genau nach der Formel des Huldigungseides von 1796, dem Jahre der zweiten Teilung, und dabei versprochen, dem Könige und dessen Erben und Nachfolgern „zu aller Zeit getreu, gehorsam, gewärtig und unterthünig zu sein, Höchstdero

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/445>, abgerufen am 05.02.2025.