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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Rentongüter.

gegen das Verspreche" einer unkündbaren jährliche" Rente aufnehmen. Ob sich
diese Sitte von selbst in Dentschland einbürgern würde, ist fraglich. Alljährlich
jedoch geht eine große Anzahl von mittleren Grundbesitzern zu Grunde, sie
verlieren ihren Hos, ohne daß dieser annähernd seinem vollen Rentenwerte nach
mit Hypotheken belastet wäre, wenn der gewissenlose Wucherer die Schlinge
zuzieht. Dem wäre vorzubeugen, wenn man solchen Vorgängen ein wachsames
Auge zuwendete und dem Verschütteten die Möglichkeit gewährte, sei" Gut in
ein Rentengnt zu verwandeln, mit dem Kapital, das der aufzuerlegenden Rente
entspricht, seine schulde" zu bezahlen und dem Güterjobber das Spiel zu ver¬
derben. Ebenso konnte nen antretenden Besitzer", welche infolge der Erbteilung
hohe Abfindungssummen zu zahlen hätten, die gefährliche Übergangszeit erleichtert
werden. Auf diese Weise würde mau den Bestand manches Bauerngutes in
gefährlichen Krise" und vermöge der erhaltenden Eigenschaften des Rentengutes
auch für spätere Zeiten bewahren. Der Nutzen für Volkswirtschaft und Gesell¬
schaft würde unberechenbar sein.

Besonders zeitgemäß ist die Erörterung der Nentengüterfrage in Bezug auf
die politischen Zwecke, welche die Regierung in Posen und Westpreußen verfolgt,
nämlich die Germanisirung, über die schon in einem frühern Artikel der Grenz¬
boten gesprochen worden ist/') Fürst Bismarck hat im Landtage angedeutet, daß
zu diesem Zwecke Güter zerschlagen und an Deutsche verpachtet werden sollen,
um nach fünfundzwanzig oder fünfzig Jahren in das Eigentum der Pächter
überzugehen. Auf längere Zeit hinaus könne man doch nicht rechnen, die
Erbpacht, (welche der Fürst sonst stets verteidigt und rühmt), habe man zu dem
Zwecke nicht einmal nötig. Die dem Landtage soeben zugegangene Vorlage,
welche die Bewilligung eines Fonds von hundert Millionen Mark zum Ankauf
von Gütern und zur Ansiedlung deutscher Bauern und Arbeiter verlangt, sagt,
daß die Grundstücke zu Eigentum und in Zeitpacht überlassen werden sollen.
Da das Institut des Rentengutes noch nicht geschaffen ist, kaun unter Über¬
lassung zu Eigentum uur Erwerb durch Kauf verstanden sein, welcher allerdings
durch mancherlei Bedingungen erleichtert werden kann. Daß man mit der
Maßregel der Ansiedlung Deutscher in jenen polnische" Gegenden sofort beginnen
kaun, ohne auf das Zustandekommen eines Nentengütergesetzes zu warten, ist
gewiß richtig. Ebenso gewiß ist aber, daß mit Hilfe der Rentengüter besseres
zu erreichen wäre. Die Anwendung der Zeitpacht scheint am wenigsten geeignet.
Ein solider Bauernstand kann nicht aus Zcitpächtern bestehen, auch wenn er der
wohlwollendsten Negierung als Eigentümerin gegenübersteht. Besonders klar
ist das in Mecklenburg erwiesen, wo man mit ausgezeichnetem Erfolge die
Domanialzeitpachtbauern in Erbpächter verwandelt hat. Auf den Zeitpacht¬
bauern lastete das Gefühl rechtlich nicht gesicherten Besitzes und der Abhängigkeit,



*) Bergl. 188S Bd. 1, S. "07: .Mustere und innere Kolonisation."
Rentongüter.

gegen das Verspreche» einer unkündbaren jährliche» Rente aufnehmen. Ob sich
diese Sitte von selbst in Dentschland einbürgern würde, ist fraglich. Alljährlich
jedoch geht eine große Anzahl von mittleren Grundbesitzern zu Grunde, sie
verlieren ihren Hos, ohne daß dieser annähernd seinem vollen Rentenwerte nach
mit Hypotheken belastet wäre, wenn der gewissenlose Wucherer die Schlinge
zuzieht. Dem wäre vorzubeugen, wenn man solchen Vorgängen ein wachsames
Auge zuwendete und dem Verschütteten die Möglichkeit gewährte, sei» Gut in
ein Rentengnt zu verwandeln, mit dem Kapital, das der aufzuerlegenden Rente
entspricht, seine schulde» zu bezahlen und dem Güterjobber das Spiel zu ver¬
derben. Ebenso konnte nen antretenden Besitzer», welche infolge der Erbteilung
hohe Abfindungssummen zu zahlen hätten, die gefährliche Übergangszeit erleichtert
werden. Auf diese Weise würde mau den Bestand manches Bauerngutes in
gefährlichen Krise» und vermöge der erhaltenden Eigenschaften des Rentengutes
auch für spätere Zeiten bewahren. Der Nutzen für Volkswirtschaft und Gesell¬
schaft würde unberechenbar sein.

Besonders zeitgemäß ist die Erörterung der Nentengüterfrage in Bezug auf
die politischen Zwecke, welche die Regierung in Posen und Westpreußen verfolgt,
nämlich die Germanisirung, über die schon in einem frühern Artikel der Grenz¬
boten gesprochen worden ist/') Fürst Bismarck hat im Landtage angedeutet, daß
zu diesem Zwecke Güter zerschlagen und an Deutsche verpachtet werden sollen,
um nach fünfundzwanzig oder fünfzig Jahren in das Eigentum der Pächter
überzugehen. Auf längere Zeit hinaus könne man doch nicht rechnen, die
Erbpacht, (welche der Fürst sonst stets verteidigt und rühmt), habe man zu dem
Zwecke nicht einmal nötig. Die dem Landtage soeben zugegangene Vorlage,
welche die Bewilligung eines Fonds von hundert Millionen Mark zum Ankauf
von Gütern und zur Ansiedlung deutscher Bauern und Arbeiter verlangt, sagt,
daß die Grundstücke zu Eigentum und in Zeitpacht überlassen werden sollen.
Da das Institut des Rentengutes noch nicht geschaffen ist, kaun unter Über¬
lassung zu Eigentum uur Erwerb durch Kauf verstanden sein, welcher allerdings
durch mancherlei Bedingungen erleichtert werden kann. Daß man mit der
Maßregel der Ansiedlung Deutscher in jenen polnische» Gegenden sofort beginnen
kaun, ohne auf das Zustandekommen eines Nentengütergesetzes zu warten, ist
gewiß richtig. Ebenso gewiß ist aber, daß mit Hilfe der Rentengüter besseres
zu erreichen wäre. Die Anwendung der Zeitpacht scheint am wenigsten geeignet.
Ein solider Bauernstand kann nicht aus Zcitpächtern bestehen, auch wenn er der
wohlwollendsten Negierung als Eigentümerin gegenübersteht. Besonders klar
ist das in Mecklenburg erwiesen, wo man mit ausgezeichnetem Erfolge die
Domanialzeitpachtbauern in Erbpächter verwandelt hat. Auf den Zeitpacht¬
bauern lastete das Gefühl rechtlich nicht gesicherten Besitzes und der Abhängigkeit,



*) Bergl. 188S Bd. 1, S. «07: .Mustere und innere Kolonisation."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/406>, abgerufen am 05.02.2025.