Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Verlängerung der Giltigkeitsdauer des ^ozialisten-
gesetzes.

in 30. September dieses Jahres läuft nach dem Gesetze vom
24. Mai 1884 der Termin al>, bis zu welchen, die Giltigkeit des
Gesetzes vom 21. Oktober 1878 gegen die gemeingefährlichen Be¬
strebungen der Sozialdemokratie verlängert war. Die preußische
Regierung hat abermals beim Bundesrate den Antrag eingebracht,
diese Dauer bis zum 30. September 1891 zu verlängern, und der Bundesrat
ist ihm in der letzten Zeit beigetreten. Der Antrag des Bundesrates ist
bereits dem Reichstage zugegangen, und dieser wird demnächst Stellung dazu zu
nehmen haben. In der Begründung des Gesetzentwurfes ist gesagt, daß es
Nieder den Gegnern des Gesetzes gelungen sei, in der überwiegenden Mehrheit
der Nation den Glauben an die ersprießliche Wirkung des Gesetzes zu erschüttern,
noch daß sich behaupten lasse, diese Wirkung mache sich bereits in dein Maße
fühlbar, um definitiv uns das Gesetz verzichten zu können. Die erhebliche Ver¬
mehrung der Reichstagsabgeordneten, welche der sozialdemokratischen Fraktion
angehören, sowie die Ermordung des Polizeirath Rumpfs erscheinen der Be¬
gründung als Momente, welche für den Fortbestand des Gesetzes sprechen. Man
wird -- heißt es weiter -- nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß, was
die sozialdemokratische Bewegung an Breite gewonnen, sie an Intensität und
revolutionärer Energie wenigstens zum Teil eingebüßt habe. Die sozialdemokra-
tischen Wühler verlangen von ihren Vertretern heute eine ernsthafte Beteiligung
an den Aufgaben der legislativen Gewalten, namentlich derjenigen, die zur ge¬
setzgeberischen Losung der sozialpolitischen Probleme führen. Man muß an der
Hoffnung festhalten, daß vor dem Ernste dieser Aufgaben die revolutionären


Grenzboten I. 188". 49


Die Verlängerung der Giltigkeitsdauer des ^ozialisten-
gesetzes.

in 30. September dieses Jahres läuft nach dem Gesetze vom
24. Mai 1884 der Termin al>, bis zu welchen, die Giltigkeit des
Gesetzes vom 21. Oktober 1878 gegen die gemeingefährlichen Be¬
strebungen der Sozialdemokratie verlängert war. Die preußische
Regierung hat abermals beim Bundesrate den Antrag eingebracht,
diese Dauer bis zum 30. September 1891 zu verlängern, und der Bundesrat
ist ihm in der letzten Zeit beigetreten. Der Antrag des Bundesrates ist
bereits dem Reichstage zugegangen, und dieser wird demnächst Stellung dazu zu
nehmen haben. In der Begründung des Gesetzentwurfes ist gesagt, daß es
Nieder den Gegnern des Gesetzes gelungen sei, in der überwiegenden Mehrheit
der Nation den Glauben an die ersprießliche Wirkung des Gesetzes zu erschüttern,
noch daß sich behaupten lasse, diese Wirkung mache sich bereits in dein Maße
fühlbar, um definitiv uns das Gesetz verzichten zu können. Die erhebliche Ver¬
mehrung der Reichstagsabgeordneten, welche der sozialdemokratischen Fraktion
angehören, sowie die Ermordung des Polizeirath Rumpfs erscheinen der Be¬
gründung als Momente, welche für den Fortbestand des Gesetzes sprechen. Man
wird — heißt es weiter — nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß, was
die sozialdemokratische Bewegung an Breite gewonnen, sie an Intensität und
revolutionärer Energie wenigstens zum Teil eingebüßt habe. Die sozialdemokra-
tischen Wühler verlangen von ihren Vertretern heute eine ernsthafte Beteiligung
an den Aufgaben der legislativen Gewalten, namentlich derjenigen, die zur ge¬
setzgeberischen Losung der sozialpolitischen Probleme führen. Man muß an der
Hoffnung festhalten, daß vor dem Ernste dieser Aufgaben die revolutionären


Grenzboten I. 188«. 49
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197817"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341843_197423/figures/grenzboten_341843_197423_197817_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Verlängerung der Giltigkeitsdauer des ^ozialisten-<lb/>
gesetzes.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1164" next="#ID_1165"> in 30. September dieses Jahres läuft nach dem Gesetze vom<lb/>
24. Mai 1884 der Termin al&gt;, bis zu welchen, die Giltigkeit des<lb/>
Gesetzes vom 21. Oktober 1878 gegen die gemeingefährlichen Be¬<lb/>
strebungen der Sozialdemokratie verlängert war. Die preußische<lb/>
Regierung hat abermals beim Bundesrate den Antrag eingebracht,<lb/>
diese Dauer bis zum 30. September 1891 zu verlängern, und der Bundesrat<lb/>
ist ihm in der letzten Zeit beigetreten. Der Antrag des Bundesrates ist<lb/>
bereits dem Reichstage zugegangen, und dieser wird demnächst Stellung dazu zu<lb/>
nehmen haben. In der Begründung des Gesetzentwurfes ist gesagt, daß es<lb/>
Nieder den Gegnern des Gesetzes gelungen sei, in der überwiegenden Mehrheit<lb/>
der Nation den Glauben an die ersprießliche Wirkung des Gesetzes zu erschüttern,<lb/>
noch daß sich behaupten lasse, diese Wirkung mache sich bereits in dein Maße<lb/>
fühlbar, um definitiv uns das Gesetz verzichten zu können. Die erhebliche Ver¬<lb/>
mehrung der Reichstagsabgeordneten, welche der sozialdemokratischen Fraktion<lb/>
angehören, sowie die Ermordung des Polizeirath Rumpfs erscheinen der Be¬<lb/>
gründung als Momente, welche für den Fortbestand des Gesetzes sprechen. Man<lb/>
wird &#x2014; heißt es weiter &#x2014; nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß, was<lb/>
die sozialdemokratische Bewegung an Breite gewonnen, sie an Intensität und<lb/>
revolutionärer Energie wenigstens zum Teil eingebüßt habe. Die sozialdemokra-<lb/>
tischen Wühler verlangen von ihren Vertretern heute eine ernsthafte Beteiligung<lb/>
an den Aufgaben der legislativen Gewalten, namentlich derjenigen, die zur ge¬<lb/>
setzgeberischen Losung der sozialpolitischen Probleme führen. Man muß an der<lb/>
Hoffnung festhalten, daß vor dem Ernste dieser Aufgaben die revolutionären</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 188«. 49</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0393] [Abbildung] Die Verlängerung der Giltigkeitsdauer des ^ozialisten- gesetzes. in 30. September dieses Jahres läuft nach dem Gesetze vom 24. Mai 1884 der Termin al>, bis zu welchen, die Giltigkeit des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 gegen die gemeingefährlichen Be¬ strebungen der Sozialdemokratie verlängert war. Die preußische Regierung hat abermals beim Bundesrate den Antrag eingebracht, diese Dauer bis zum 30. September 1891 zu verlängern, und der Bundesrat ist ihm in der letzten Zeit beigetreten. Der Antrag des Bundesrates ist bereits dem Reichstage zugegangen, und dieser wird demnächst Stellung dazu zu nehmen haben. In der Begründung des Gesetzentwurfes ist gesagt, daß es Nieder den Gegnern des Gesetzes gelungen sei, in der überwiegenden Mehrheit der Nation den Glauben an die ersprießliche Wirkung des Gesetzes zu erschüttern, noch daß sich behaupten lasse, diese Wirkung mache sich bereits in dein Maße fühlbar, um definitiv uns das Gesetz verzichten zu können. Die erhebliche Ver¬ mehrung der Reichstagsabgeordneten, welche der sozialdemokratischen Fraktion angehören, sowie die Ermordung des Polizeirath Rumpfs erscheinen der Be¬ gründung als Momente, welche für den Fortbestand des Gesetzes sprechen. Man wird — heißt es weiter — nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß, was die sozialdemokratische Bewegung an Breite gewonnen, sie an Intensität und revolutionärer Energie wenigstens zum Teil eingebüßt habe. Die sozialdemokra- tischen Wühler verlangen von ihren Vertretern heute eine ernsthafte Beteiligung an den Aufgaben der legislativen Gewalten, namentlich derjenigen, die zur ge¬ setzgeberischen Losung der sozialpolitischen Probleme führen. Man muß an der Hoffnung festhalten, daß vor dem Ernste dieser Aufgaben die revolutionären Grenzboten I. 188«. 49

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/393
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/393>, abgerufen am 05.02.2025.