Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Skizzen aus der Levante und Griechenland,

man seine Abneigung nur wenig. Trotzdem hätte mau für die militärische
Reorganisation deutsche Justruktoren gerne gewünscht, allein eine Anfrage in
Berlin wurde kühl und ausweichend beantwortet, und so warf man sich Frankreich
in die Arme. Es sind bereits seit Anfang vorigen Jahres mehrere Generale
und Stabsoffiziere zur Stelle, um die griechische Streitmacht zu gallisiren, be¬
ziehentlich zu einem Schutz- und Trutzbündnisse mit der Republik heranzubilden.
Das Land hallt von leidenschaftlichem Kriegsgeschrei wieder. Indes vom Wort
zur That ist noch ein weiter Weg. Das ernste und zumal geordnete, disziplinirtc
Waffenhandwerk liegt nicht im Blut der modernen Griechen, die andern Balkan¬
völker sind ihnen darin weit überlegen, der König ist wie gesagt nichts weniger
als von kriegerischen Feuer beseelt und durchaus nicht geneigt, sich irgendwie
zu exponiren. Zur See, wo man am meisten etwas leisten könnte, ist man
noch weit zurück. Man hat eine langgedehnte Küste zu verteidigen, und für
die Bemannung würden die Inseln das vortrefflichste Material liefern. Hydra
und Pharo sind glänzende Illustrationen, an deren Anfang und Ende die
Namen Themistokles und Miaulis stehen. Man hat in der Bucht von Salamis
für die Kriegsflotte ein Arsenal eingerichtet, und die großen Erinnerungen, welche
sich an diesen Schauplatz knüpfen, sollten geeignet sein, mächtig auf die Nach¬
kommen zu wirken. Allein mit der Opferbereitschaft, zumal der materiellen, sieht
es noch sehr windig ans, und mau dürfte sich weniger im Kampfe mit den
Waffen als im Kampfe mit den Finanzen verbluten. Ein Militärbudget von
dreißig Millionen mit einer Anleihe von sechzig Millionen im Hintergründe zur
Durchführung der sogenannten militärischen Reorganisation sind für ein Land
von kaum zwei Millionen Seelen ein Übermaß. Ein Glück für den Staat, daß er im
Auslande so viele reiche und liberale Bürger zählt, welche ihm die Last abnehmen,
für wissenschaftliche und Kunstaustalteu, für Schulen und Krankenhäuser Sorge zu
tragen. Auf dem prächtigen Platze, welchen das Meisterwerk des Herrn Hansen,
die Akademie, schmückt, soll als Pendant zur Universität eine Bibliothek gebaut
werden, wofür von einer einzigen Person eine Million zugesichert ist. Von einer
Privatzeichnung für ein Panzerschiff habe ich noch nichts gehört. Der Grieche
liebt das Geld mehr als das Leben.

Es wird in Athen dermalen viel Soldatchen gespielt, und es bläst und
trommelt von früh bis abend. Die Garnison soll sich auf 7000 Mann
belaufen, die meisten öffentlichen Bauten, die man sieht, sind für Kasernen be¬
stimmt. Jeden Vormittag um elf Uhr zieht die Wachtparcide in vollständiger
Ausrüstung mit Tornister und Kochgeschirr auf, und die einzige Musikbande,
welche die Armee hat, spielt eine halbe Stunde unter den Fenstern des könig¬
lichen Schlosses. Der Kapellmeister ist ein Böhme, und wenn man weiß, welch
harte Arbeit es ist, ein griechisches Ohr an Harmonie und Melodie zu ge¬
wöhnen, so darf man zufrieden sein mit dem, was er aus diesem unmusikalischen
Material zustande gebracht hat.


Grenze, "ten 1. iggg. 4,)
Skizzen aus der Levante und Griechenland,

man seine Abneigung nur wenig. Trotzdem hätte mau für die militärische
Reorganisation deutsche Justruktoren gerne gewünscht, allein eine Anfrage in
Berlin wurde kühl und ausweichend beantwortet, und so warf man sich Frankreich
in die Arme. Es sind bereits seit Anfang vorigen Jahres mehrere Generale
und Stabsoffiziere zur Stelle, um die griechische Streitmacht zu gallisiren, be¬
ziehentlich zu einem Schutz- und Trutzbündnisse mit der Republik heranzubilden.
Das Land hallt von leidenschaftlichem Kriegsgeschrei wieder. Indes vom Wort
zur That ist noch ein weiter Weg. Das ernste und zumal geordnete, disziplinirtc
Waffenhandwerk liegt nicht im Blut der modernen Griechen, die andern Balkan¬
völker sind ihnen darin weit überlegen, der König ist wie gesagt nichts weniger
als von kriegerischen Feuer beseelt und durchaus nicht geneigt, sich irgendwie
zu exponiren. Zur See, wo man am meisten etwas leisten könnte, ist man
noch weit zurück. Man hat eine langgedehnte Küste zu verteidigen, und für
die Bemannung würden die Inseln das vortrefflichste Material liefern. Hydra
und Pharo sind glänzende Illustrationen, an deren Anfang und Ende die
Namen Themistokles und Miaulis stehen. Man hat in der Bucht von Salamis
für die Kriegsflotte ein Arsenal eingerichtet, und die großen Erinnerungen, welche
sich an diesen Schauplatz knüpfen, sollten geeignet sein, mächtig auf die Nach¬
kommen zu wirken. Allein mit der Opferbereitschaft, zumal der materiellen, sieht
es noch sehr windig ans, und mau dürfte sich weniger im Kampfe mit den
Waffen als im Kampfe mit den Finanzen verbluten. Ein Militärbudget von
dreißig Millionen mit einer Anleihe von sechzig Millionen im Hintergründe zur
Durchführung der sogenannten militärischen Reorganisation sind für ein Land
von kaum zwei Millionen Seelen ein Übermaß. Ein Glück für den Staat, daß er im
Auslande so viele reiche und liberale Bürger zählt, welche ihm die Last abnehmen,
für wissenschaftliche und Kunstaustalteu, für Schulen und Krankenhäuser Sorge zu
tragen. Auf dem prächtigen Platze, welchen das Meisterwerk des Herrn Hansen,
die Akademie, schmückt, soll als Pendant zur Universität eine Bibliothek gebaut
werden, wofür von einer einzigen Person eine Million zugesichert ist. Von einer
Privatzeichnung für ein Panzerschiff habe ich noch nichts gehört. Der Grieche
liebt das Geld mehr als das Leben.

Es wird in Athen dermalen viel Soldatchen gespielt, und es bläst und
trommelt von früh bis abend. Die Garnison soll sich auf 7000 Mann
belaufen, die meisten öffentlichen Bauten, die man sieht, sind für Kasernen be¬
stimmt. Jeden Vormittag um elf Uhr zieht die Wachtparcide in vollständiger
Ausrüstung mit Tornister und Kochgeschirr auf, und die einzige Musikbande,
welche die Armee hat, spielt eine halbe Stunde unter den Fenstern des könig¬
lichen Schlosses. Der Kapellmeister ist ein Böhme, und wenn man weiß, welch
harte Arbeit es ist, ein griechisches Ohr an Harmonie und Melodie zu ge¬
wöhnen, so darf man zufrieden sein mit dem, was er aus diesem unmusikalischen
Material zustande gebracht hat.


Grenze, »ten 1. iggg. 4,)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197745"/>
          <fw type="header" place="top"> Skizzen aus der Levante und Griechenland,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_944" prev="#ID_943"> man seine Abneigung nur wenig. Trotzdem hätte mau für die militärische<lb/>
Reorganisation deutsche Justruktoren gerne gewünscht, allein eine Anfrage in<lb/>
Berlin wurde kühl und ausweichend beantwortet, und so warf man sich Frankreich<lb/>
in die Arme. Es sind bereits seit Anfang vorigen Jahres mehrere Generale<lb/>
und Stabsoffiziere zur Stelle, um die griechische Streitmacht zu gallisiren, be¬<lb/>
ziehentlich zu einem Schutz- und Trutzbündnisse mit der Republik heranzubilden.<lb/>
Das Land hallt von leidenschaftlichem Kriegsgeschrei wieder. Indes vom Wort<lb/>
zur That ist noch ein weiter Weg. Das ernste und zumal geordnete, disziplinirtc<lb/>
Waffenhandwerk liegt nicht im Blut der modernen Griechen, die andern Balkan¬<lb/>
völker sind ihnen darin weit überlegen, der König ist wie gesagt nichts weniger<lb/>
als von kriegerischen Feuer beseelt und durchaus nicht geneigt, sich irgendwie<lb/>
zu exponiren. Zur See, wo man am meisten etwas leisten könnte, ist man<lb/>
noch weit zurück. Man hat eine langgedehnte Küste zu verteidigen, und für<lb/>
die Bemannung würden die Inseln das vortrefflichste Material liefern. Hydra<lb/>
und Pharo sind glänzende Illustrationen, an deren Anfang und Ende die<lb/>
Namen Themistokles und Miaulis stehen. Man hat in der Bucht von Salamis<lb/>
für die Kriegsflotte ein Arsenal eingerichtet, und die großen Erinnerungen, welche<lb/>
sich an diesen Schauplatz knüpfen, sollten geeignet sein, mächtig auf die Nach¬<lb/>
kommen zu wirken. Allein mit der Opferbereitschaft, zumal der materiellen, sieht<lb/>
es noch sehr windig ans, und mau dürfte sich weniger im Kampfe mit den<lb/>
Waffen als im Kampfe mit den Finanzen verbluten. Ein Militärbudget von<lb/>
dreißig Millionen mit einer Anleihe von sechzig Millionen im Hintergründe zur<lb/>
Durchführung der sogenannten militärischen Reorganisation sind für ein Land<lb/>
von kaum zwei Millionen Seelen ein Übermaß. Ein Glück für den Staat, daß er im<lb/>
Auslande so viele reiche und liberale Bürger zählt, welche ihm die Last abnehmen,<lb/>
für wissenschaftliche und Kunstaustalteu, für Schulen und Krankenhäuser Sorge zu<lb/>
tragen. Auf dem prächtigen Platze, welchen das Meisterwerk des Herrn Hansen,<lb/>
die Akademie, schmückt, soll als Pendant zur Universität eine Bibliothek gebaut<lb/>
werden, wofür von einer einzigen Person eine Million zugesichert ist. Von einer<lb/>
Privatzeichnung für ein Panzerschiff habe ich noch nichts gehört. Der Grieche<lb/>
liebt das Geld mehr als das Leben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_945"> Es wird in Athen dermalen viel Soldatchen gespielt, und es bläst und<lb/>
trommelt von früh bis abend. Die Garnison soll sich auf 7000 Mann<lb/>
belaufen, die meisten öffentlichen Bauten, die man sieht, sind für Kasernen be¬<lb/>
stimmt. Jeden Vormittag um elf Uhr zieht die Wachtparcide in vollständiger<lb/>
Ausrüstung mit Tornister und Kochgeschirr auf, und die einzige Musikbande,<lb/>
welche die Armee hat, spielt eine halbe Stunde unter den Fenstern des könig¬<lb/>
lichen Schlosses. Der Kapellmeister ist ein Böhme, und wenn man weiß, welch<lb/>
harte Arbeit es ist, ein griechisches Ohr an Harmonie und Melodie zu ge¬<lb/>
wöhnen, so darf man zufrieden sein mit dem, was er aus diesem unmusikalischen<lb/>
Material zustande gebracht hat.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenze, »ten 1. iggg. 4,)</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0321] Skizzen aus der Levante und Griechenland, man seine Abneigung nur wenig. Trotzdem hätte mau für die militärische Reorganisation deutsche Justruktoren gerne gewünscht, allein eine Anfrage in Berlin wurde kühl und ausweichend beantwortet, und so warf man sich Frankreich in die Arme. Es sind bereits seit Anfang vorigen Jahres mehrere Generale und Stabsoffiziere zur Stelle, um die griechische Streitmacht zu gallisiren, be¬ ziehentlich zu einem Schutz- und Trutzbündnisse mit der Republik heranzubilden. Das Land hallt von leidenschaftlichem Kriegsgeschrei wieder. Indes vom Wort zur That ist noch ein weiter Weg. Das ernste und zumal geordnete, disziplinirtc Waffenhandwerk liegt nicht im Blut der modernen Griechen, die andern Balkan¬ völker sind ihnen darin weit überlegen, der König ist wie gesagt nichts weniger als von kriegerischen Feuer beseelt und durchaus nicht geneigt, sich irgendwie zu exponiren. Zur See, wo man am meisten etwas leisten könnte, ist man noch weit zurück. Man hat eine langgedehnte Küste zu verteidigen, und für die Bemannung würden die Inseln das vortrefflichste Material liefern. Hydra und Pharo sind glänzende Illustrationen, an deren Anfang und Ende die Namen Themistokles und Miaulis stehen. Man hat in der Bucht von Salamis für die Kriegsflotte ein Arsenal eingerichtet, und die großen Erinnerungen, welche sich an diesen Schauplatz knüpfen, sollten geeignet sein, mächtig auf die Nach¬ kommen zu wirken. Allein mit der Opferbereitschaft, zumal der materiellen, sieht es noch sehr windig ans, und mau dürfte sich weniger im Kampfe mit den Waffen als im Kampfe mit den Finanzen verbluten. Ein Militärbudget von dreißig Millionen mit einer Anleihe von sechzig Millionen im Hintergründe zur Durchführung der sogenannten militärischen Reorganisation sind für ein Land von kaum zwei Millionen Seelen ein Übermaß. Ein Glück für den Staat, daß er im Auslande so viele reiche und liberale Bürger zählt, welche ihm die Last abnehmen, für wissenschaftliche und Kunstaustalteu, für Schulen und Krankenhäuser Sorge zu tragen. Auf dem prächtigen Platze, welchen das Meisterwerk des Herrn Hansen, die Akademie, schmückt, soll als Pendant zur Universität eine Bibliothek gebaut werden, wofür von einer einzigen Person eine Million zugesichert ist. Von einer Privatzeichnung für ein Panzerschiff habe ich noch nichts gehört. Der Grieche liebt das Geld mehr als das Leben. Es wird in Athen dermalen viel Soldatchen gespielt, und es bläst und trommelt von früh bis abend. Die Garnison soll sich auf 7000 Mann belaufen, die meisten öffentlichen Bauten, die man sieht, sind für Kasernen be¬ stimmt. Jeden Vormittag um elf Uhr zieht die Wachtparcide in vollständiger Ausrüstung mit Tornister und Kochgeschirr auf, und die einzige Musikbande, welche die Armee hat, spielt eine halbe Stunde unter den Fenstern des könig¬ lichen Schlosses. Der Kapellmeister ist ein Böhme, und wenn man weiß, welch harte Arbeit es ist, ein griechisches Ohr an Harmonie und Melodie zu ge¬ wöhnen, so darf man zufrieden sein mit dem, was er aus diesem unmusikalischen Material zustande gebracht hat. Grenze, »ten 1. iggg. 4,)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/321
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/321>, abgerufen am 05.02.2025.