Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Skizzen ans der Levante und Griechenland. gehabt, so wäre es wohl anders gekommen. Man brauchte nur den paar Söld¬ Skizzen ans der Levante und Griechenland. gehabt, so wäre es wohl anders gekommen. Man brauchte nur den paar Söld¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197743"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen ans der Levante und Griechenland.</fw><lb/> <p xml:id="ID_941" prev="#ID_940"> gehabt, so wäre es wohl anders gekommen. Man brauchte nur den paar Söld¬<lb/> lingen englischen Goldes die Köpfe vor die Füße zu legen, und die ungeheure<lb/> Mehrheit des Volkes würde Beifall gerufen haben. Die Königin Amalie war<lb/> eine ebenso geistvolle als energische Dame. Sie liebte es, Fremde zu sehen,<lb/> fragte dabei wenig nach Rang und Stand und hörte gern, was man über ihre<lb/> Schöpfungen dachte. Noch heute genießt man dieselben mit Dank und Freude,<lb/> die schönste ist wohl der Schloßgarten, dessen wunderbare Frische bei reicher<lb/> Vegetation inmitten der sterilen, wasserarmen Ebene Attilas doppelt wohl¬<lb/> thut. Er ist zwar nicht groß, aber von einem Deutschen, Herrn Schmidt — der<lb/> brave Maun lebt noch heute und wandert täglich im Schatten der Bäume, die<lb/> er gepflanzt hat —, mit seinem Geschmack angelegt und einzig in seiner Art<lb/> durch die Aussichten, welche er auf die Mropolis. den Jupitertempel lind die<lb/> User des Ilissos gewährt. Freilich strömt auch die halbe Wasserleitung in sein<lb/> Revier und macht es möglich, selbst der Jnlisonue einen grünen Nasen ab¬<lb/> zutrotzen und mit feuchter Wärme exotische Produkte im Freien z» erhalten<lb/> und zu üppigem Wachstum zu bringe». Besonders gediehen sind die Anpflan-<lb/> zungen der Palmen, welche zu Hunderten von Tunis gebracht wurden. Ein<lb/> glücklicher Zufall ließ bei der Anlage einen antiken Mosaikboden von großem<lb/> Umfang und herrlicher Arbeit entdecken. Man baute darüber eine Galerie mit<lb/> Bädern und Bassins und bekleidete sie mit einem Wald von Kamelien und<lb/> Passiousblumen. Der Ort atmet eine schwelgerische Stille wie ein orientalisches<lb/> Märchen. Die Königin war eine große Freundin der Landwirtschaft und hatte in<lb/> der Umgegend mehrere Musteranstalten begründet, wo Bier gebraut, Brauntwein<lb/> gebrannt, Öl gepreßt, Butter und Käse bereitet und eine Milch gemolken wurde,<lb/> die beneidenswert war für alle, welche die Wasserbrühe, die man unter diesem<lb/> Namen verkauft, genießen müssen. Der Verwalter und seine Familie waren<lb/> Deutsche, und die Griechen unter ihrer Leitung zeigten sich ganz anstellig. Mit<lb/> ihnen ist überhaupt in jedem Geschäftszweig etwas anzufangen, sie sind<lb/> ebenso wiß- und lernbegierig als rasch von Begriffen und scharfsinnig. Wäre<lb/> ihre Moral wie ihre Intelligenz, sie stünden unübertroffen da. Ich halte es<lb/> für durchaus ungerechtfertigt, den Griechen den Sinn für Industrie und Ackerbau<lb/> abzusprechen, sie haben sich nur deshalb vorzugsweise dem Handel und der<lb/> Schifffahrt zugewendet, weil ihnen für jene Beschäftigungsweifen die speziellen<lb/> Kenntnisse und die nötigen Kapitalien fehlten. Jetzt, wo sich Hunderte von<lb/> strebsamen jungeu Leuten in den polytechnischen und wirtschaftlichen Anstalten<lb/> des In- und Auslandes bilden und wo die Bodenbestellung rationeller, mit bessern<lb/> Gerätschaften — man begegnet im Innern noch dem antiken Pflug aus Hesiods<lb/> Zeiten — und mit Aufgebot zureichender Mittel vorgenommen wird, werden<lb/> die Fortschritte bald sichtbar sein, zumal da Griechenland nicht wie Italien große<lb/> Latifundien kennt, solider» einen in kleine Parzellen verteilten Grundbesitz hat,<lb/> mit dessen Anbau eine Familie leicht sertig wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
Skizzen ans der Levante und Griechenland.
gehabt, so wäre es wohl anders gekommen. Man brauchte nur den paar Söld¬
lingen englischen Goldes die Köpfe vor die Füße zu legen, und die ungeheure
Mehrheit des Volkes würde Beifall gerufen haben. Die Königin Amalie war
eine ebenso geistvolle als energische Dame. Sie liebte es, Fremde zu sehen,
fragte dabei wenig nach Rang und Stand und hörte gern, was man über ihre
Schöpfungen dachte. Noch heute genießt man dieselben mit Dank und Freude,
die schönste ist wohl der Schloßgarten, dessen wunderbare Frische bei reicher
Vegetation inmitten der sterilen, wasserarmen Ebene Attilas doppelt wohl¬
thut. Er ist zwar nicht groß, aber von einem Deutschen, Herrn Schmidt — der
brave Maun lebt noch heute und wandert täglich im Schatten der Bäume, die
er gepflanzt hat —, mit seinem Geschmack angelegt und einzig in seiner Art
durch die Aussichten, welche er auf die Mropolis. den Jupitertempel lind die
User des Ilissos gewährt. Freilich strömt auch die halbe Wasserleitung in sein
Revier und macht es möglich, selbst der Jnlisonue einen grünen Nasen ab¬
zutrotzen und mit feuchter Wärme exotische Produkte im Freien z» erhalten
und zu üppigem Wachstum zu bringe». Besonders gediehen sind die Anpflan-
zungen der Palmen, welche zu Hunderten von Tunis gebracht wurden. Ein
glücklicher Zufall ließ bei der Anlage einen antiken Mosaikboden von großem
Umfang und herrlicher Arbeit entdecken. Man baute darüber eine Galerie mit
Bädern und Bassins und bekleidete sie mit einem Wald von Kamelien und
Passiousblumen. Der Ort atmet eine schwelgerische Stille wie ein orientalisches
Märchen. Die Königin war eine große Freundin der Landwirtschaft und hatte in
der Umgegend mehrere Musteranstalten begründet, wo Bier gebraut, Brauntwein
gebrannt, Öl gepreßt, Butter und Käse bereitet und eine Milch gemolken wurde,
die beneidenswert war für alle, welche die Wasserbrühe, die man unter diesem
Namen verkauft, genießen müssen. Der Verwalter und seine Familie waren
Deutsche, und die Griechen unter ihrer Leitung zeigten sich ganz anstellig. Mit
ihnen ist überhaupt in jedem Geschäftszweig etwas anzufangen, sie sind
ebenso wiß- und lernbegierig als rasch von Begriffen und scharfsinnig. Wäre
ihre Moral wie ihre Intelligenz, sie stünden unübertroffen da. Ich halte es
für durchaus ungerechtfertigt, den Griechen den Sinn für Industrie und Ackerbau
abzusprechen, sie haben sich nur deshalb vorzugsweise dem Handel und der
Schifffahrt zugewendet, weil ihnen für jene Beschäftigungsweifen die speziellen
Kenntnisse und die nötigen Kapitalien fehlten. Jetzt, wo sich Hunderte von
strebsamen jungeu Leuten in den polytechnischen und wirtschaftlichen Anstalten
des In- und Auslandes bilden und wo die Bodenbestellung rationeller, mit bessern
Gerätschaften — man begegnet im Innern noch dem antiken Pflug aus Hesiods
Zeiten — und mit Aufgebot zureichender Mittel vorgenommen wird, werden
die Fortschritte bald sichtbar sein, zumal da Griechenland nicht wie Italien große
Latifundien kennt, solider» einen in kleine Parzellen verteilten Grundbesitz hat,
mit dessen Anbau eine Familie leicht sertig wird.
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