Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.fähigkeit und Sinnesart der Nationen, die noch eigentümlichere Einzelner, die Wenn die materialistisch-statistische Methode Buckles den höhern Zweck Gttnzl'vK'et 1. 138". 39
fähigkeit und Sinnesart der Nationen, die noch eigentümlichere Einzelner, die Wenn die materialistisch-statistische Methode Buckles den höhern Zweck Gttnzl'vK'et 1. 138«. 39
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197737"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_929" prev="#ID_928"> fähigkeit und Sinnesart der Nationen, die noch eigentümlichere Einzelner, die<lb/> Einflüsse der Kunst und Wissenschaft, die tief eingreifenden und weitverbreiteten<lb/> der bürgerlichen Einrichtungen, so bleibt ein noch mächtiger wirkendes, nicht in<lb/> unmittelbarer Sichtbarkeit auftretendes, aber jenen Kräften selbst den Anstoß<lb/> und die Richtung verleihendes Prinzip übrig, nämlich Ideen, die, ihrer Natur<lb/> nach, außer dem Kreise der Endlichkeit liegen, aber die Weltgeschichte in allen<lb/> ihren Teilen durchwalten und beherrschen. Treffend hat Drossen in seinen<lb/> „Grundzügen der Historik" die ans der Naturforschung auf die Geschicht¬<lb/> schreibung übertragne Methode Buckles widerlegt: „In der Geschichte kommt<lb/> es nicht bloß auf den Stoff an, an dem sie arbeitet. Neben dem Stoffe ist<lb/> die Form; und in diesen Formen hat die Geschichte ein rastlos sich weiter be¬<lb/> wegendes Leben. Denn diese Formen sind die sittlichen Gemeinsamkeiten, in<lb/> denen wir leiblich und geistig werden, was Nur sind, kraft deren wir uns über<lb/> die klägliche Ode und Dürftigkeit unsers atomistischen Jchseins erheben, gebend<lb/> und empfangend umso reicher werden, je mehr Nur uns binden und verpflichten.<lb/> Dies sind Bereiche, innerhalb deren Gesetze von gar andrer Art und Energie,<lb/> als die neue Wissenschaft sie sucht, ihre Stelle haben und ihre Macht üben.<lb/> Diese sittlichen Mächte, wie man sie schön genannt hat, sind in vorzüglichem<lb/> Maße zugleich Faktoren und Produkte des geschichtlichen Lebens; und rastlos<lb/> werdend bestimmen sie mit ihrem Gcwordcnsein diejenigen, die die Träger ihrer<lb/> Verwirklichungen sind, erheben sie über sich selbst. In der Gemeinschaft der<lb/> Familie, des Staates, des Volkes n. s. w. hat der Einzelne über die enge<lb/> Schranke seines ephemeren Ich hinaus sich erhoben, um, wem« ich so sagen<lb/> darf, aus dem Ich der Familie, des Volkes, des Staates zu deuten und zu<lb/> handeln. Und in dieser Erhebung und ungestörten Beteiligung an dem Wirten<lb/> der sittlichen Mächte je nach ihrer Art und Pflicht, nicht in der unbeschränkten<lb/> und ungebundnen Independenz des Individuums liegt das wahre Wesen der<lb/> Freiheit. Sie ist nichts ohne die sittlichen Mächte, sie ist ohne sie unsittlich,<lb/> eine bloße Lokomobile."</p><lb/> <p xml:id="ID_930" next="#ID_931"> Wenn die materialistisch-statistische Methode Buckles den höhern Zweck<lb/> verfolgt, aus der Masse der einzelnen Beobachtungen zu einem allgemeinen<lb/> Gesetze zu gelangen, so hat das Verfahren, das wir als das technisch-archivnlische<lb/> bezeichnet haben, nur den Zweck, die Kenntnis der geschichtlichen Vorgänge zu<lb/> bereichern und zu berichtigen, traditionelle Irrtümer zu beseitigen, die t'Mo<lb/> ovnvenus, wie man die gewöhnliche Geschichtserzählung bezeichnet hat, von ihren<lb/> Auswüchsen und Ansätzen zu reinigen — eine verdienstvolle, löbliche Arbeit, wie wir<lb/> gern zugeben. Dennoch können wir nicht umhin, auch in dieser Methode nur die<lb/> Kärrner- und Handlangerdienste beim Bauen der Könige zu erkennen. Weder die<lb/> Geschichtswissenschaft noch die Geschichtschreibung wird wesentlich gehoben und ge¬<lb/> fördert, wenn Urkunden, Briefschaften, diplomatische Aktenstücke in Masse den<lb/> Archiven entnommen und in umfangreichen Sammelwerken den Bibliotheken über-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gttnzl'vK'et 1. 138«. 39</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0313]
fähigkeit und Sinnesart der Nationen, die noch eigentümlichere Einzelner, die
Einflüsse der Kunst und Wissenschaft, die tief eingreifenden und weitverbreiteten
der bürgerlichen Einrichtungen, so bleibt ein noch mächtiger wirkendes, nicht in
unmittelbarer Sichtbarkeit auftretendes, aber jenen Kräften selbst den Anstoß
und die Richtung verleihendes Prinzip übrig, nämlich Ideen, die, ihrer Natur
nach, außer dem Kreise der Endlichkeit liegen, aber die Weltgeschichte in allen
ihren Teilen durchwalten und beherrschen. Treffend hat Drossen in seinen
„Grundzügen der Historik" die ans der Naturforschung auf die Geschicht¬
schreibung übertragne Methode Buckles widerlegt: „In der Geschichte kommt
es nicht bloß auf den Stoff an, an dem sie arbeitet. Neben dem Stoffe ist
die Form; und in diesen Formen hat die Geschichte ein rastlos sich weiter be¬
wegendes Leben. Denn diese Formen sind die sittlichen Gemeinsamkeiten, in
denen wir leiblich und geistig werden, was Nur sind, kraft deren wir uns über
die klägliche Ode und Dürftigkeit unsers atomistischen Jchseins erheben, gebend
und empfangend umso reicher werden, je mehr Nur uns binden und verpflichten.
Dies sind Bereiche, innerhalb deren Gesetze von gar andrer Art und Energie,
als die neue Wissenschaft sie sucht, ihre Stelle haben und ihre Macht üben.
Diese sittlichen Mächte, wie man sie schön genannt hat, sind in vorzüglichem
Maße zugleich Faktoren und Produkte des geschichtlichen Lebens; und rastlos
werdend bestimmen sie mit ihrem Gcwordcnsein diejenigen, die die Träger ihrer
Verwirklichungen sind, erheben sie über sich selbst. In der Gemeinschaft der
Familie, des Staates, des Volkes n. s. w. hat der Einzelne über die enge
Schranke seines ephemeren Ich hinaus sich erhoben, um, wem« ich so sagen
darf, aus dem Ich der Familie, des Volkes, des Staates zu deuten und zu
handeln. Und in dieser Erhebung und ungestörten Beteiligung an dem Wirten
der sittlichen Mächte je nach ihrer Art und Pflicht, nicht in der unbeschränkten
und ungebundnen Independenz des Individuums liegt das wahre Wesen der
Freiheit. Sie ist nichts ohne die sittlichen Mächte, sie ist ohne sie unsittlich,
eine bloße Lokomobile."
Wenn die materialistisch-statistische Methode Buckles den höhern Zweck
verfolgt, aus der Masse der einzelnen Beobachtungen zu einem allgemeinen
Gesetze zu gelangen, so hat das Verfahren, das wir als das technisch-archivnlische
bezeichnet haben, nur den Zweck, die Kenntnis der geschichtlichen Vorgänge zu
bereichern und zu berichtigen, traditionelle Irrtümer zu beseitigen, die t'Mo
ovnvenus, wie man die gewöhnliche Geschichtserzählung bezeichnet hat, von ihren
Auswüchsen und Ansätzen zu reinigen — eine verdienstvolle, löbliche Arbeit, wie wir
gern zugeben. Dennoch können wir nicht umhin, auch in dieser Methode nur die
Kärrner- und Handlangerdienste beim Bauen der Könige zu erkennen. Weder die
Geschichtswissenschaft noch die Geschichtschreibung wird wesentlich gehoben und ge¬
fördert, wenn Urkunden, Briefschaften, diplomatische Aktenstücke in Masse den
Archiven entnommen und in umfangreichen Sammelwerken den Bibliotheken über-
Gttnzl'vK'et 1. 138«. 39
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