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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens.

zu drängen, wie Ihr wohl wißt. Eure Furcht um die Zukunft des Landes
teile ich nicht. König Sebastian ist ein treuer Sohn der Kirche. Wenn es
jedoch Gott gefiele, ihn ohne Nachkommen abzurufen, fiele sein weltliches Erbe
an Spanien, und ich hoffe, daß Ihr König Philipp für so gläubig und so
getreu haltet wie unsern jungeu Herrn! Jetzt geht in die Nähe des Königs
zurück und achtet ans Luis Ccnnoens!

Tellez Alucita gehorchte augenblicklich und ohne noch ein Wort zu ver¬
lieren, er wendete sich aus der Fensternische gegen die Mitte des Saales hin,
wo Barrcto und Cumoeus noch immer von Begrüßenden und Glückwünscheuden
umdrängt waren. Niemand in dem glänzenden Kreise hatte auf die verdüsterte
Miene des jungen Kaplans Acht, nur der Prior von Belem blickte ihm nach,
jetzt wieder mit dem ruhigen Ernst, den er im allgemeinen zur Schan trug.
Auch Bruder Tellez fand die Selbstbeherrschung des Priesters rasch wieder; er
zuckte nur unmerklich, als sich die Flügelthüren des Hauptsanles am untern
Ende öffneten und gleichzeitig am obern Ende der König aus dem Nebensaal,
in dem er verweilt hatte, rasch "nieder eintrat. Die Aufmerksamkeit der Ver¬
sammlung teilte sich augenblicklich zwischen den am untern Saalende erscheinenden
Daiueu und zwischen König Sebastian, welcher mit ungestümer Bewegung den
Eingetretenen entgegeneilen wollte, aber offenbar infolge einiger Worte, die ihm
Graf Vimivsv zuflüsterte, seineu Schritt mäßigte und zuletzt in der Mitte des
Saales stehen blieb. Da man ehrerbietig vor ihm und der kleinen Gruppe seiner
Begleiter zurückwich, so entstand auf der Stelle ein leerer Halbkreis, der sich
erweiterte, um auch den Damen, die von den Gemächern der Königin-Witwe
her kamen, Raum zu geben. Es waren zwei ältere Frauen in dunkler Kleidung
und zwei jüngere in leuchtend prächtigen Gewändern, welche zugleich in den
Halbkreis traten und den König ehrfurchtsvoll begrüßte". Aber wie Dom
Sebastians funkelndes Auge nur eine derselben wahrnahm, so richteten sich auch
die Blicke aller nur auf die schlanke Mädchengestalt i" einem Obergewand aus
Silberstoff, das über ein Unterkleid von purpurnem Sammet herabfiel. Die
dunkeln Haarwellen des schönen Mädchens waren von einem Diadem gehalten,
aus dessen goldnen Blättern große Rubinen als Blüten hemusleuchtcten. Aber
niemand in diesem Kreise, am wenigsten Dom Sebastian, sah auf Gewand und
Juwelen der schönen Catarina Palmcirim. Die edle Schönheit ihrer Züge war
von jugendlichem Liebreiz überhaucht, der einen Wiederschein in dem Gesichte des
jungen Königs zu erwecken schien. Dom Sebastians düster ernster Ausdruck
verlor sich schon, als er des Mädchens ansichtig ward, und wandelte sich jetzt
in einen Ausdruck von Heiterkeit, welcher keinem der Anwesenden entging. In
dem Zusammendrängen der glänzenden Versammlung, dem bewundernden, viel¬
bedeutsamen Stimmcngeschwirr, das sich erhob, war sogar ein halb erstickter
Aufschrei nicht gehört worden, der mitten im Gedränge erklang, und da alle
Blicke nach dem König und der ihm gegenüberstehenden Dame gekehrt waren,


Lamoens.

zu drängen, wie Ihr wohl wißt. Eure Furcht um die Zukunft des Landes
teile ich nicht. König Sebastian ist ein treuer Sohn der Kirche. Wenn es
jedoch Gott gefiele, ihn ohne Nachkommen abzurufen, fiele sein weltliches Erbe
an Spanien, und ich hoffe, daß Ihr König Philipp für so gläubig und so
getreu haltet wie unsern jungeu Herrn! Jetzt geht in die Nähe des Königs
zurück und achtet ans Luis Ccnnoens!

Tellez Alucita gehorchte augenblicklich und ohne noch ein Wort zu ver¬
lieren, er wendete sich aus der Fensternische gegen die Mitte des Saales hin,
wo Barrcto und Cumoeus noch immer von Begrüßenden und Glückwünscheuden
umdrängt waren. Niemand in dem glänzenden Kreise hatte auf die verdüsterte
Miene des jungen Kaplans Acht, nur der Prior von Belem blickte ihm nach,
jetzt wieder mit dem ruhigen Ernst, den er im allgemeinen zur Schan trug.
Auch Bruder Tellez fand die Selbstbeherrschung des Priesters rasch wieder; er
zuckte nur unmerklich, als sich die Flügelthüren des Hauptsanles am untern
Ende öffneten und gleichzeitig am obern Ende der König aus dem Nebensaal,
in dem er verweilt hatte, rasch »nieder eintrat. Die Aufmerksamkeit der Ver¬
sammlung teilte sich augenblicklich zwischen den am untern Saalende erscheinenden
Daiueu und zwischen König Sebastian, welcher mit ungestümer Bewegung den
Eingetretenen entgegeneilen wollte, aber offenbar infolge einiger Worte, die ihm
Graf Vimivsv zuflüsterte, seineu Schritt mäßigte und zuletzt in der Mitte des
Saales stehen blieb. Da man ehrerbietig vor ihm und der kleinen Gruppe seiner
Begleiter zurückwich, so entstand auf der Stelle ein leerer Halbkreis, der sich
erweiterte, um auch den Damen, die von den Gemächern der Königin-Witwe
her kamen, Raum zu geben. Es waren zwei ältere Frauen in dunkler Kleidung
und zwei jüngere in leuchtend prächtigen Gewändern, welche zugleich in den
Halbkreis traten und den König ehrfurchtsvoll begrüßte». Aber wie Dom
Sebastians funkelndes Auge nur eine derselben wahrnahm, so richteten sich auch
die Blicke aller nur auf die schlanke Mädchengestalt i» einem Obergewand aus
Silberstoff, das über ein Unterkleid von purpurnem Sammet herabfiel. Die
dunkeln Haarwellen des schönen Mädchens waren von einem Diadem gehalten,
aus dessen goldnen Blättern große Rubinen als Blüten hemusleuchtcten. Aber
niemand in diesem Kreise, am wenigsten Dom Sebastian, sah auf Gewand und
Juwelen der schönen Catarina Palmcirim. Die edle Schönheit ihrer Züge war
von jugendlichem Liebreiz überhaucht, der einen Wiederschein in dem Gesichte des
jungen Königs zu erwecken schien. Dom Sebastians düster ernster Ausdruck
verlor sich schon, als er des Mädchens ansichtig ward, und wandelte sich jetzt
in einen Ausdruck von Heiterkeit, welcher keinem der Anwesenden entging. In
dem Zusammendrängen der glänzenden Versammlung, dem bewundernden, viel¬
bedeutsamen Stimmcngeschwirr, das sich erhob, war sogar ein halb erstickter
Aufschrei nicht gehört worden, der mitten im Gedränge erklang, und da alle
Blicke nach dem König und der ihm gegenüberstehenden Dame gekehrt waren,


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[0292] Lamoens. zu drängen, wie Ihr wohl wißt. Eure Furcht um die Zukunft des Landes teile ich nicht. König Sebastian ist ein treuer Sohn der Kirche. Wenn es jedoch Gott gefiele, ihn ohne Nachkommen abzurufen, fiele sein weltliches Erbe an Spanien, und ich hoffe, daß Ihr König Philipp für so gläubig und so getreu haltet wie unsern jungeu Herrn! Jetzt geht in die Nähe des Königs zurück und achtet ans Luis Ccnnoens! Tellez Alucita gehorchte augenblicklich und ohne noch ein Wort zu ver¬ lieren, er wendete sich aus der Fensternische gegen die Mitte des Saales hin, wo Barrcto und Cumoeus noch immer von Begrüßenden und Glückwünscheuden umdrängt waren. Niemand in dem glänzenden Kreise hatte auf die verdüsterte Miene des jungen Kaplans Acht, nur der Prior von Belem blickte ihm nach, jetzt wieder mit dem ruhigen Ernst, den er im allgemeinen zur Schan trug. Auch Bruder Tellez fand die Selbstbeherrschung des Priesters rasch wieder; er zuckte nur unmerklich, als sich die Flügelthüren des Hauptsanles am untern Ende öffneten und gleichzeitig am obern Ende der König aus dem Nebensaal, in dem er verweilt hatte, rasch »nieder eintrat. Die Aufmerksamkeit der Ver¬ sammlung teilte sich augenblicklich zwischen den am untern Saalende erscheinenden Daiueu und zwischen König Sebastian, welcher mit ungestümer Bewegung den Eingetretenen entgegeneilen wollte, aber offenbar infolge einiger Worte, die ihm Graf Vimivsv zuflüsterte, seineu Schritt mäßigte und zuletzt in der Mitte des Saales stehen blieb. Da man ehrerbietig vor ihm und der kleinen Gruppe seiner Begleiter zurückwich, so entstand auf der Stelle ein leerer Halbkreis, der sich erweiterte, um auch den Damen, die von den Gemächern der Königin-Witwe her kamen, Raum zu geben. Es waren zwei ältere Frauen in dunkler Kleidung und zwei jüngere in leuchtend prächtigen Gewändern, welche zugleich in den Halbkreis traten und den König ehrfurchtsvoll begrüßte». Aber wie Dom Sebastians funkelndes Auge nur eine derselben wahrnahm, so richteten sich auch die Blicke aller nur auf die schlanke Mädchengestalt i» einem Obergewand aus Silberstoff, das über ein Unterkleid von purpurnem Sammet herabfiel. Die dunkeln Haarwellen des schönen Mädchens waren von einem Diadem gehalten, aus dessen goldnen Blättern große Rubinen als Blüten hemusleuchtcten. Aber niemand in diesem Kreise, am wenigsten Dom Sebastian, sah auf Gewand und Juwelen der schönen Catarina Palmcirim. Die edle Schönheit ihrer Züge war von jugendlichem Liebreiz überhaucht, der einen Wiederschein in dem Gesichte des jungen Königs zu erwecken schien. Dom Sebastians düster ernster Ausdruck verlor sich schon, als er des Mädchens ansichtig ward, und wandelte sich jetzt in einen Ausdruck von Heiterkeit, welcher keinem der Anwesenden entging. In dem Zusammendrängen der glänzenden Versammlung, dem bewundernden, viel¬ bedeutsamen Stimmcngeschwirr, das sich erhob, war sogar ein halb erstickter Aufschrei nicht gehört worden, der mitten im Gedränge erklang, und da alle Blicke nach dem König und der ihm gegenüberstehenden Dame gekehrt waren,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/292>, abgerufen am 05.02.2025.