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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoöns.

Verdachte ketzerischer Meinungen stand, so war er doch nach Dichterart lau
gegen die heilige Kirche und mehr bekümmert um sein Gedicht als um sein
Seelenheil. Ihr seht selbst, in wie bedenklichen Händen er hier ist.

Ich sehe es, aber das ist die Frage nicht! sagte der Prior von Belem in
dem leisen und doch scharf und bestimmt klingenden Tone, den er zuerst an¬
geschlagen hatte. Auch ein weltliches Gedicht kann geistliches Werkzeug werden,
wenn ihm der rechte Geist an oder auch von der rechten Stelle eingehaucht
ist! Sucht zu erkunden, ob der Dichter vielleicht unsrer bedarf, und kümmert
Euch ein wenig um sein gegenwärtiges Leben! Über das Vergangne will ich
in Erfahrung bringen, was uns nützen kann. Und seid ganz Ohr, wenn er
alsdann zu lesen anhebt, falls der König seines Vorsatzes in einer Stunde noch
eingedenk ist.

Ich habe ein Gelübde gethan, beim Lesen weltlicher Bücher und beim
Klänge weltlicher Musik meinen Rosenkranz zu beten.

Ich dispensire Euch für heute davon, Bruder Tellez, antwortete der Prior.
Ihr sollt hören, was Luis Ccimvens uns bringen wird. Ich weiß doch, daß
Ihr seinerzeit in Coimbra im Virgil und Theokrit gut Bescheid wußtet, sucht
Eure alten Künste hervor.

Trotz der kleinen Schmeichelei, die in den letzten Worten lag, sprach der
Prior von Belem kalt und kurz, mit schlecht verhohlener Geringschätzung der
Gelübde des jungen Priesters, zu Tellez Alucita. Dieser neigte nnr das Haupt,
zum Zeichen, daß er gehorchen wolle, und verstand den Wink aus den funkelnden
schwarzen Augen, daß die Unterredung zu Ende sei, recht wohl. Aber er ent¬
fernte sich nicht, sodaß der Prior endlich hinwarf: Habt Ihr mir noch etwas
zu sagen, Bruder Tellez?

Gewiß, hochwürdigster Herr! entgegnete der Kaplan, und jetzt blitzte in
seinen Augen ein Strahl auf, den der Prior mit Überraschung sah. Ich wagte
schon vor Wochen aus die Gefahr hinzudeuten, in welcher der König steht. Er
betet noch alle Morgen, daß Gott ihn keusch erhalten und ihm Siege im Kampfe
für den Glauben scheuten wolle. Aber ich fürchte, er betet nur noch mit den
Lippen, nicht mit dem Herzen. König Sebastian sieht Donna Catarina
Palmeirim jeden Tag, und in seinen Angen flammt die Sünde. Wer ein Weib
ansieht, ihrer zu begehren, hat schon die Ehe gebrochen, spricht der Herr!

Donna Catarina ist nicht vermählt! sagte der Prior von Belem trocken.
Was wollt Ihr mit Euern Worten kurz sagen?

Daß Gefahr im Verzüge ist, daß die Tochter des Grafen von Palmeirim
vom Hofe hinweg muß, da es doch noch Monate anstehen kann, bis der König
den Feldzug gegen Marokko antritt. Daß Ihr und des Königs Beichtvater
nicht länger zögern dürft, unserm jungen Herrn ins Gewissen zu reden.

Ihr seid unerfahrner, als sich in Euerm Amt geziemt. Sobald der König
Pater Rafael, seinem Beichtvater, sträfliche Gedanken vertraut, wird es dieser


Lamoöns.

Verdachte ketzerischer Meinungen stand, so war er doch nach Dichterart lau
gegen die heilige Kirche und mehr bekümmert um sein Gedicht als um sein
Seelenheil. Ihr seht selbst, in wie bedenklichen Händen er hier ist.

Ich sehe es, aber das ist die Frage nicht! sagte der Prior von Belem in
dem leisen und doch scharf und bestimmt klingenden Tone, den er zuerst an¬
geschlagen hatte. Auch ein weltliches Gedicht kann geistliches Werkzeug werden,
wenn ihm der rechte Geist an oder auch von der rechten Stelle eingehaucht
ist! Sucht zu erkunden, ob der Dichter vielleicht unsrer bedarf, und kümmert
Euch ein wenig um sein gegenwärtiges Leben! Über das Vergangne will ich
in Erfahrung bringen, was uns nützen kann. Und seid ganz Ohr, wenn er
alsdann zu lesen anhebt, falls der König seines Vorsatzes in einer Stunde noch
eingedenk ist.

Ich habe ein Gelübde gethan, beim Lesen weltlicher Bücher und beim
Klänge weltlicher Musik meinen Rosenkranz zu beten.

Ich dispensire Euch für heute davon, Bruder Tellez, antwortete der Prior.
Ihr sollt hören, was Luis Ccimvens uns bringen wird. Ich weiß doch, daß
Ihr seinerzeit in Coimbra im Virgil und Theokrit gut Bescheid wußtet, sucht
Eure alten Künste hervor.

Trotz der kleinen Schmeichelei, die in den letzten Worten lag, sprach der
Prior von Belem kalt und kurz, mit schlecht verhohlener Geringschätzung der
Gelübde des jungen Priesters, zu Tellez Alucita. Dieser neigte nnr das Haupt,
zum Zeichen, daß er gehorchen wolle, und verstand den Wink aus den funkelnden
schwarzen Augen, daß die Unterredung zu Ende sei, recht wohl. Aber er ent¬
fernte sich nicht, sodaß der Prior endlich hinwarf: Habt Ihr mir noch etwas
zu sagen, Bruder Tellez?

Gewiß, hochwürdigster Herr! entgegnete der Kaplan, und jetzt blitzte in
seinen Augen ein Strahl auf, den der Prior mit Überraschung sah. Ich wagte
schon vor Wochen aus die Gefahr hinzudeuten, in welcher der König steht. Er
betet noch alle Morgen, daß Gott ihn keusch erhalten und ihm Siege im Kampfe
für den Glauben scheuten wolle. Aber ich fürchte, er betet nur noch mit den
Lippen, nicht mit dem Herzen. König Sebastian sieht Donna Catarina
Palmeirim jeden Tag, und in seinen Angen flammt die Sünde. Wer ein Weib
ansieht, ihrer zu begehren, hat schon die Ehe gebrochen, spricht der Herr!

Donna Catarina ist nicht vermählt! sagte der Prior von Belem trocken.
Was wollt Ihr mit Euern Worten kurz sagen?

Daß Gefahr im Verzüge ist, daß die Tochter des Grafen von Palmeirim
vom Hofe hinweg muß, da es doch noch Monate anstehen kann, bis der König
den Feldzug gegen Marokko antritt. Daß Ihr und des Königs Beichtvater
nicht länger zögern dürft, unserm jungen Herrn ins Gewissen zu reden.

Ihr seid unerfahrner, als sich in Euerm Amt geziemt. Sobald der König
Pater Rafael, seinem Beichtvater, sträfliche Gedanken vertraut, wird es dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/290>, abgerufen am 05.02.2025.