Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Historische Romane. auf die Szene und vergißt nicht, das theatralische Pathos in ihr ironisch zu betonen. Mit der Kunst Jenscns, klar und schön die Handlung zu komponiren und Es handelt sich um den Kampf, den der brandenburgische Kurfürst um Historische Romane. auf die Szene und vergißt nicht, das theatralische Pathos in ihr ironisch zu betonen. Mit der Kunst Jenscns, klar und schön die Handlung zu komponiren und Es handelt sich um den Kampf, den der brandenburgische Kurfürst um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197659"/> <fw type="header" place="top"> Historische Romane.</fw><lb/> <p xml:id="ID_691" prev="#ID_690"> auf die Szene und vergißt nicht, das theatralische Pathos in ihr ironisch zu betonen.<lb/> So schwebt er mit merkwürdiger künstlerischer Objektivität über den Dingen.<lb/> Und doch scheint uns ein wichtiges Moment in seinein historischen Gemälde zu<lb/> fehlen. Zeusen schildert Wohl die alte Zeit in ihren Unterdrückern und in den<lb/> Unterdrückten, aber jenen Teil des deutschen Volkes, der den Geist der Freiheits¬<lb/> kriege und mit ihnen die ganze Zukunft, auch die Gegenwart vorbereitete, der<lb/> in der Epoche unsrer Erzählung in Kunst und Wissenschaft eine Revolution<lb/> durchführte, die nicht minder welthistorisch bedeutsam wurde, hat der Dichter<lb/> kaum mit einem Zuge gestreift. Gewiß nicht absichtslos; aber wir halten diese<lb/> Absicht für einen poetischen Mangel in dem sonst so erfreulichen Werke.</p><lb/> <p xml:id="ID_692"> Mit der Kunst Jenscns, klar und schön die Handlung zu komponiren und<lb/> zu leiten, die Charaktere mit sparsamen Mitteln plastisch zu gestalten, das histo¬<lb/> rische Wissen in dichterische Anschauung umzuwandeln — mit dieser Kunst kann<lb/> sich der Romvn Arthur Hobrechts nicht vergleichen. Wir sind keineswegs blind<lb/> für die vielen höchst achtbaren und schätzenswerten Eigenschaften dieses Autors.<lb/> Die Epoche des letzten Drittels des siebzehnten Jahrhunderts und ganz be¬<lb/> sonders die Kulturgeschichte der Ostseeprovinzen und noch spezieller die Stadt><lb/> geschichte Königsbergs beherrscht Hobrecht mit dem profundester Wissen. Von<lb/> Haus aus, wie es scheint, Jurist, giebt er mit besondern, Behagen seine genaue<lb/> Einsicht in die verwickelten Rechtsverhältnisse jener Zeit zum Besten. Ein po¬<lb/> litischer Rechtsstreit der tiefgreifendsten Art bildet auch deu Inhalt des Romans,<lb/> und man kann sagen, er wäre der Kunst des bedeutendsten Dichters würdig.</p><lb/> <p xml:id="ID_693" next="#ID_694"> Es handelt sich um den Kampf, den der brandenburgische Kurfürst um<lb/> die Anerkennung seiner Souveränität in Ostpreußen zu führen hatte. Denn<lb/> der Besitz der früheren Ordenslande war ihm zwar uicht bestritten, aber zugleich<lb/> hatte auch der König von Polen das Recht der obersten Gerichtsbarkeit, und<lb/> die Autorität des Kurfürsten war dadurch aufs empfindlichste beschränkt. Der<lb/> Wunsch des Brandenburgers, sich derselben völlig zu entledigen, kann uns<lb/> von dein Standpunkte der politischen Geschichte aus nur als von den edelsten<lb/> staatsmännischen Motiven eingegeben erscheinen, und wir stehen jedenfalls auf<lb/> seiner Seite. Die preußischen Adlichen aber sahen sich durch dieses Streben<lb/> des Brandenburgers in ihrer unumschränkten Freiheit und in ihren ererbten<lb/> Rechten bedroht. Ihnen war es gerade willkommen, im Polenkönig, der eifer¬<lb/> süchtig die wachsende Macht seines Nachbars beobachtete, eine letzte und legale<lb/> Instanz gegen die vielen und strengen Anforderungen Friedrich Wilhelms zu<lb/> haben. Der dreißigjährige Krieg hatte alles deutsche Land ausgesogen, das Volk<lb/> verwildert, alle staatliche Ordnung zerstört, und das Schicksal wollte es, daß<lb/> gerade in einer so bösen Zeit ein politisches Genie den notwendigen Gedanken<lb/> faßte, in dem zerstückelten Deutschland eine kompakte Macht aus den eignen zer¬<lb/> stückelten Landen zu schaffen. In einer Zeit, wo sich das Soldatenhandwerk<lb/> am verhaßtesten gemacht hatte, schuf der Brandenburger des erste stehende Heer,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0235]
Historische Romane.
auf die Szene und vergißt nicht, das theatralische Pathos in ihr ironisch zu betonen.
So schwebt er mit merkwürdiger künstlerischer Objektivität über den Dingen.
Und doch scheint uns ein wichtiges Moment in seinein historischen Gemälde zu
fehlen. Zeusen schildert Wohl die alte Zeit in ihren Unterdrückern und in den
Unterdrückten, aber jenen Teil des deutschen Volkes, der den Geist der Freiheits¬
kriege und mit ihnen die ganze Zukunft, auch die Gegenwart vorbereitete, der
in der Epoche unsrer Erzählung in Kunst und Wissenschaft eine Revolution
durchführte, die nicht minder welthistorisch bedeutsam wurde, hat der Dichter
kaum mit einem Zuge gestreift. Gewiß nicht absichtslos; aber wir halten diese
Absicht für einen poetischen Mangel in dem sonst so erfreulichen Werke.
Mit der Kunst Jenscns, klar und schön die Handlung zu komponiren und
zu leiten, die Charaktere mit sparsamen Mitteln plastisch zu gestalten, das histo¬
rische Wissen in dichterische Anschauung umzuwandeln — mit dieser Kunst kann
sich der Romvn Arthur Hobrechts nicht vergleichen. Wir sind keineswegs blind
für die vielen höchst achtbaren und schätzenswerten Eigenschaften dieses Autors.
Die Epoche des letzten Drittels des siebzehnten Jahrhunderts und ganz be¬
sonders die Kulturgeschichte der Ostseeprovinzen und noch spezieller die Stadt>
geschichte Königsbergs beherrscht Hobrecht mit dem profundester Wissen. Von
Haus aus, wie es scheint, Jurist, giebt er mit besondern, Behagen seine genaue
Einsicht in die verwickelten Rechtsverhältnisse jener Zeit zum Besten. Ein po¬
litischer Rechtsstreit der tiefgreifendsten Art bildet auch deu Inhalt des Romans,
und man kann sagen, er wäre der Kunst des bedeutendsten Dichters würdig.
Es handelt sich um den Kampf, den der brandenburgische Kurfürst um
die Anerkennung seiner Souveränität in Ostpreußen zu führen hatte. Denn
der Besitz der früheren Ordenslande war ihm zwar uicht bestritten, aber zugleich
hatte auch der König von Polen das Recht der obersten Gerichtsbarkeit, und
die Autorität des Kurfürsten war dadurch aufs empfindlichste beschränkt. Der
Wunsch des Brandenburgers, sich derselben völlig zu entledigen, kann uns
von dein Standpunkte der politischen Geschichte aus nur als von den edelsten
staatsmännischen Motiven eingegeben erscheinen, und wir stehen jedenfalls auf
seiner Seite. Die preußischen Adlichen aber sahen sich durch dieses Streben
des Brandenburgers in ihrer unumschränkten Freiheit und in ihren ererbten
Rechten bedroht. Ihnen war es gerade willkommen, im Polenkönig, der eifer¬
süchtig die wachsende Macht seines Nachbars beobachtete, eine letzte und legale
Instanz gegen die vielen und strengen Anforderungen Friedrich Wilhelms zu
haben. Der dreißigjährige Krieg hatte alles deutsche Land ausgesogen, das Volk
verwildert, alle staatliche Ordnung zerstört, und das Schicksal wollte es, daß
gerade in einer so bösen Zeit ein politisches Genie den notwendigen Gedanken
faßte, in dem zerstückelten Deutschland eine kompakte Macht aus den eignen zer¬
stückelten Landen zu schaffen. In einer Zeit, wo sich das Soldatenhandwerk
am verhaßtesten gemacht hatte, schuf der Brandenburger des erste stehende Heer,
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