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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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glückes erfahren mußte, so hat doch Friedrich seinem tapfern General ans
diesem Mißgeschick nie den leisesten Vorwurf gemacht, Zietens Teilnahme an
der Schlacht bei Torgau, die Besetzung der Süptitzer Höhen ist Gegenstand der
eingehendsten Untersuchung geworden, Winters Ausführungen wenden sich nament¬
lich, allerdings nach unsrer Meinung nicht ganz überzeugend, gegen Bernhardt.
Mit dem Frieden von Hubertusburg schloß auch Zietens kriegerische Thätig¬
keit ab.

Versuchen wir es nun, auf Grund von Winters Arbeit in knappen Um¬
rissen ein Bild Zietens zu entwerfen.

Zieten war keine imponirende Erscheinung, klein von Statur, nicht kräftig,
aber gelenk gebant, noch im Alter überraschend durch die Armut und Eleganz,
mit der er zu tanzen verstand. In dem klugen, scharfgeschnittnen Gesicht blitzten
ein Paar lebhafte, große Augen. Seine Körperkonstitution war niemals von
besondrer Festigkeit gewesen, seine schwankende Gesundheit war ein Gegenstand
der steten Sorge seiner Gattin; seine schwächliche Gestalt konnte nur durch den
eisernen Willen seines starken Geistes fähig gemacht werden, die endlosen Strapazen
des Krieges zu ertragen. Der kränkelnden Natur zum Trotz widmete er sich
dem militärischen Dienste ohne jene Schonung seiner eignen Person, mit dem
gemeinen Soldaten teilte er die Anstrengungen des Lagerlebens, schlief ans dem
Fußboden seines Zeltes; nur die unablässigen Mahnungen seiner Gattin konnten
ihn bewegen, sich eines Bettes zu bedienen. Bis in das höchste Greisenalter
hinein war er ein kühner Reiter, der seine Gewandtheit und Geschicklichkeit ebenso
im wilden Rciterstnrme wie im friedlichen Kampfspiele und im Carvussel zu
Berlin genugsam erprobte. Noch als sechsnndsiebzigjähriger Greis wollte
er bei den Manövern durchaus selbst das Kommando über die gesamte Ka¬
vallerie führen. Eine Zeit lang vermochte ihn der König an seiner Seite zurück¬
zuhalten; als aber seine Husaren zur Attacke bliesen, brauste auch in ihm das
alte Neiterherz auf, im Galopp jagte er zu den Vordersten hinan und ritt die
Attacke mit, zur höchsten Befriedigung des Königs und zu allgemeiner Bewun-
derung. Winter sagt mit Recht, daß Zieten an Genialität der strategischen
.Konzeption und an Organisationstalent hinter andern Gefährten des Königs,
wie Schwerin und Winterfeldt, und namentlich hinter Friedrich selbst zurückstehe;
dafür bleibt ihm der unbestrittene Ruhm, der bravste und schneidigste Rciter-
führer des großen Königs gewesen zu sein; an schneller Erfassung des Augen¬
blickes, an Kühnheit des Entschließenö und des Handelns kann ihm wohl keiner
von allen den Helden des siebenjährigen Krieges den Rang streitig machen.
Gerade diese Eigenschaften, von denen er so viele glänzende und packende Be¬
weise gab, haben so befruchtend auf die Phantasie des Volkes eingewirkt. Hatte
der alte Reitergcneral einstmals im Felde durch seine Tüchtigkeit, im Augen¬
blicke sich in eine vollkommen veränderte und neue Situation zu finden, geglänzt,
so bewies er sie auch im Greisenalter noch auf dem Manöverfelde. Der um-


glückes erfahren mußte, so hat doch Friedrich seinem tapfern General ans
diesem Mißgeschick nie den leisesten Vorwurf gemacht, Zietens Teilnahme an
der Schlacht bei Torgau, die Besetzung der Süptitzer Höhen ist Gegenstand der
eingehendsten Untersuchung geworden, Winters Ausführungen wenden sich nament¬
lich, allerdings nach unsrer Meinung nicht ganz überzeugend, gegen Bernhardt.
Mit dem Frieden von Hubertusburg schloß auch Zietens kriegerische Thätig¬
keit ab.

Versuchen wir es nun, auf Grund von Winters Arbeit in knappen Um¬
rissen ein Bild Zietens zu entwerfen.

Zieten war keine imponirende Erscheinung, klein von Statur, nicht kräftig,
aber gelenk gebant, noch im Alter überraschend durch die Armut und Eleganz,
mit der er zu tanzen verstand. In dem klugen, scharfgeschnittnen Gesicht blitzten
ein Paar lebhafte, große Augen. Seine Körperkonstitution war niemals von
besondrer Festigkeit gewesen, seine schwankende Gesundheit war ein Gegenstand
der steten Sorge seiner Gattin; seine schwächliche Gestalt konnte nur durch den
eisernen Willen seines starken Geistes fähig gemacht werden, die endlosen Strapazen
des Krieges zu ertragen. Der kränkelnden Natur zum Trotz widmete er sich
dem militärischen Dienste ohne jene Schonung seiner eignen Person, mit dem
gemeinen Soldaten teilte er die Anstrengungen des Lagerlebens, schlief ans dem
Fußboden seines Zeltes; nur die unablässigen Mahnungen seiner Gattin konnten
ihn bewegen, sich eines Bettes zu bedienen. Bis in das höchste Greisenalter
hinein war er ein kühner Reiter, der seine Gewandtheit und Geschicklichkeit ebenso
im wilden Rciterstnrme wie im friedlichen Kampfspiele und im Carvussel zu
Berlin genugsam erprobte. Noch als sechsnndsiebzigjähriger Greis wollte
er bei den Manövern durchaus selbst das Kommando über die gesamte Ka¬
vallerie führen. Eine Zeit lang vermochte ihn der König an seiner Seite zurück¬
zuhalten; als aber seine Husaren zur Attacke bliesen, brauste auch in ihm das
alte Neiterherz auf, im Galopp jagte er zu den Vordersten hinan und ritt die
Attacke mit, zur höchsten Befriedigung des Königs und zu allgemeiner Bewun-
derung. Winter sagt mit Recht, daß Zieten an Genialität der strategischen
.Konzeption und an Organisationstalent hinter andern Gefährten des Königs,
wie Schwerin und Winterfeldt, und namentlich hinter Friedrich selbst zurückstehe;
dafür bleibt ihm der unbestrittene Ruhm, der bravste und schneidigste Rciter-
führer des großen Königs gewesen zu sein; an schneller Erfassung des Augen¬
blickes, an Kühnheit des Entschließenö und des Handelns kann ihm wohl keiner
von allen den Helden des siebenjährigen Krieges den Rang streitig machen.
Gerade diese Eigenschaften, von denen er so viele glänzende und packende Be¬
weise gab, haben so befruchtend auf die Phantasie des Volkes eingewirkt. Hatte
der alte Reitergcneral einstmals im Felde durch seine Tüchtigkeit, im Augen¬
blicke sich in eine vollkommen veränderte und neue Situation zu finden, geglänzt,
so bewies er sie auch im Greisenalter noch auf dem Manöverfelde. Der um-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/220>, abgerufen am 05.02.2025.