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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Lamoens.

es her, daß er auf ihnen verweilt hatte, ihm war die Jugend und der beste Teil
des Lebens darüber hingegangen, dort oben aber schien alles unverändert!
Manuel Barrctv sah kaum flüchtig nach dein Schloß und der funkelnden
Kuppel über dem Hauptportal hinauf; dafür betrachtete er sorgfältig die Ein¬
gangsthüren der Häuser längs der Straße und unterbrach nach einigen Minuten
das stumme Hinbrüten seines Begleiters, indem er an hub: Dort drüben wohnt
Arcinda, der Kaufherr, wie er sich nennt. Er muß Euch bis diesen Nachmittag
mit allem Nötigen, vor allem mit einem reichen Gürtel und Wehrgehäng für
Eure gute Klinge, auch mit einem Kragen von Brabnuter Spitzen versorgen.
Sowie wir ihn benachrichtigt haben, führe ich Euch durch das linke Seitenthor
des Palastes zu meinem alten Gönner, Portugals bestem Manne, den Portugal
leider nicht lange mehr sein nenneu wird.

Ihr meint den Marschall des Christusordens, den erlauchten Antonio
Pacheco, entgegnete Camoens ohne Zögern. Er hat noch die glorreichen Tage
Albuquerques gesehen und muß fast neunzig Jahre alt sein. Ich habe mich
längst gesehnt, seines Anblicks gewürdigt zu werden, und merke nun wohl, daß
ich immer tiefer in Eure Schuld geraten soll, Manuel!

Barreto kam zu keiner Erwiederung, denn die morgenstille Straße ward mit
einemmale in einer Weise belebt, welche die beiden Männer zwang, aufzumerken.
Sie mußten einem Reitertrupp ausweichen, der auf dem Wege von Pera Verba
daher kam und dicht vor Arandas stattlichem Hause in den Weg nach San
Pedro einlenkte. Ein lärmender, gaffeuder Haufe von Bettlern, braunen Buben
und einzelnen neugierig zuschauenden Bürgern umgab die Reiter, von denen
etwa zehn bis zwölf mit dunkeln Gesichtern, buntschimmernden Trachten und
mit krummen Schwertern sofort als Mauren zu erkennen waren. In der Mitte
der fremden Krieger ritten zwei Neger mit auffallend häßlichen, wulstigen Ge¬
sichtern in frauenhaft lange, weiße Gewänder gehüllt, an der Spitze des Trupps
aber ein portugiesischer Alguazil und zwei seiner bewaffneten Diener. Der
Staub, den die Vorläufer des Zuges und die dichtgedrängte" Rosse aufwirbelten,
verhüllte nur einen Augenblick lang die Gestalten, Dom Manuel tauschte mit
Camoens einen bedeutsamen Blick und die kurz hingeworfnen Worte: Die Leib¬
wache Emir Mulci Mohammeds, des Marokkaners! setzten ihn unliebsam ins
Klare. Der Dichter bemeisterte seine Bewegung so weit, daß nur die größere
Blässe seines Gesichts und ein unmutiges Zucken seiner Lippen dem neben¬
stehenden Freunde verrieten, was er beim Anblick der maurischen Reiter dachte.
Senhor Manuel, der sehr ernst nach dem Alguazil hingeblickt hatte, lächelte
still in sich hinein, als er den ganzen Trupp und einen guten Teil seines zer¬
lumpten Gefolges ohne Zögern die Straße nach San Pedro einschlagen sah.
Die Verfolger waren offenbar ohne alle Spur ihres flüchtigen Wildes, das
konnte wenigstens für den Augenblick zur Beruhigung dienen. Sobald sie sich
durch die lärmende Menge hindurchgedrängt und die freie Straße wieder ge-


Lamoens.

es her, daß er auf ihnen verweilt hatte, ihm war die Jugend und der beste Teil
des Lebens darüber hingegangen, dort oben aber schien alles unverändert!
Manuel Barrctv sah kaum flüchtig nach dein Schloß und der funkelnden
Kuppel über dem Hauptportal hinauf; dafür betrachtete er sorgfältig die Ein¬
gangsthüren der Häuser längs der Straße und unterbrach nach einigen Minuten
das stumme Hinbrüten seines Begleiters, indem er an hub: Dort drüben wohnt
Arcinda, der Kaufherr, wie er sich nennt. Er muß Euch bis diesen Nachmittag
mit allem Nötigen, vor allem mit einem reichen Gürtel und Wehrgehäng für
Eure gute Klinge, auch mit einem Kragen von Brabnuter Spitzen versorgen.
Sowie wir ihn benachrichtigt haben, führe ich Euch durch das linke Seitenthor
des Palastes zu meinem alten Gönner, Portugals bestem Manne, den Portugal
leider nicht lange mehr sein nenneu wird.

Ihr meint den Marschall des Christusordens, den erlauchten Antonio
Pacheco, entgegnete Camoens ohne Zögern. Er hat noch die glorreichen Tage
Albuquerques gesehen und muß fast neunzig Jahre alt sein. Ich habe mich
längst gesehnt, seines Anblicks gewürdigt zu werden, und merke nun wohl, daß
ich immer tiefer in Eure Schuld geraten soll, Manuel!

Barreto kam zu keiner Erwiederung, denn die morgenstille Straße ward mit
einemmale in einer Weise belebt, welche die beiden Männer zwang, aufzumerken.
Sie mußten einem Reitertrupp ausweichen, der auf dem Wege von Pera Verba
daher kam und dicht vor Arandas stattlichem Hause in den Weg nach San
Pedro einlenkte. Ein lärmender, gaffeuder Haufe von Bettlern, braunen Buben
und einzelnen neugierig zuschauenden Bürgern umgab die Reiter, von denen
etwa zehn bis zwölf mit dunkeln Gesichtern, buntschimmernden Trachten und
mit krummen Schwertern sofort als Mauren zu erkennen waren. In der Mitte
der fremden Krieger ritten zwei Neger mit auffallend häßlichen, wulstigen Ge¬
sichtern in frauenhaft lange, weiße Gewänder gehüllt, an der Spitze des Trupps
aber ein portugiesischer Alguazil und zwei seiner bewaffneten Diener. Der
Staub, den die Vorläufer des Zuges und die dichtgedrängte» Rosse aufwirbelten,
verhüllte nur einen Augenblick lang die Gestalten, Dom Manuel tauschte mit
Camoens einen bedeutsamen Blick und die kurz hingeworfnen Worte: Die Leib¬
wache Emir Mulci Mohammeds, des Marokkaners! setzten ihn unliebsam ins
Klare. Der Dichter bemeisterte seine Bewegung so weit, daß nur die größere
Blässe seines Gesichts und ein unmutiges Zucken seiner Lippen dem neben¬
stehenden Freunde verrieten, was er beim Anblick der maurischen Reiter dachte.
Senhor Manuel, der sehr ernst nach dem Alguazil hingeblickt hatte, lächelte
still in sich hinein, als er den ganzen Trupp und einen guten Teil seines zer¬
lumpten Gefolges ohne Zögern die Straße nach San Pedro einschlagen sah.
Die Verfolger waren offenbar ohne alle Spur ihres flüchtigen Wildes, das
konnte wenigstens für den Augenblick zur Beruhigung dienen. Sobald sie sich
durch die lärmende Menge hindurchgedrängt und die freie Straße wieder ge-


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[0197] Lamoens. es her, daß er auf ihnen verweilt hatte, ihm war die Jugend und der beste Teil des Lebens darüber hingegangen, dort oben aber schien alles unverändert! Manuel Barrctv sah kaum flüchtig nach dein Schloß und der funkelnden Kuppel über dem Hauptportal hinauf; dafür betrachtete er sorgfältig die Ein¬ gangsthüren der Häuser längs der Straße und unterbrach nach einigen Minuten das stumme Hinbrüten seines Begleiters, indem er an hub: Dort drüben wohnt Arcinda, der Kaufherr, wie er sich nennt. Er muß Euch bis diesen Nachmittag mit allem Nötigen, vor allem mit einem reichen Gürtel und Wehrgehäng für Eure gute Klinge, auch mit einem Kragen von Brabnuter Spitzen versorgen. Sowie wir ihn benachrichtigt haben, führe ich Euch durch das linke Seitenthor des Palastes zu meinem alten Gönner, Portugals bestem Manne, den Portugal leider nicht lange mehr sein nenneu wird. Ihr meint den Marschall des Christusordens, den erlauchten Antonio Pacheco, entgegnete Camoens ohne Zögern. Er hat noch die glorreichen Tage Albuquerques gesehen und muß fast neunzig Jahre alt sein. Ich habe mich längst gesehnt, seines Anblicks gewürdigt zu werden, und merke nun wohl, daß ich immer tiefer in Eure Schuld geraten soll, Manuel! Barreto kam zu keiner Erwiederung, denn die morgenstille Straße ward mit einemmale in einer Weise belebt, welche die beiden Männer zwang, aufzumerken. Sie mußten einem Reitertrupp ausweichen, der auf dem Wege von Pera Verba daher kam und dicht vor Arandas stattlichem Hause in den Weg nach San Pedro einlenkte. Ein lärmender, gaffeuder Haufe von Bettlern, braunen Buben und einzelnen neugierig zuschauenden Bürgern umgab die Reiter, von denen etwa zehn bis zwölf mit dunkeln Gesichtern, buntschimmernden Trachten und mit krummen Schwertern sofort als Mauren zu erkennen waren. In der Mitte der fremden Krieger ritten zwei Neger mit auffallend häßlichen, wulstigen Ge¬ sichtern in frauenhaft lange, weiße Gewänder gehüllt, an der Spitze des Trupps aber ein portugiesischer Alguazil und zwei seiner bewaffneten Diener. Der Staub, den die Vorläufer des Zuges und die dichtgedrängte» Rosse aufwirbelten, verhüllte nur einen Augenblick lang die Gestalten, Dom Manuel tauschte mit Camoens einen bedeutsamen Blick und die kurz hingeworfnen Worte: Die Leib¬ wache Emir Mulci Mohammeds, des Marokkaners! setzten ihn unliebsam ins Klare. Der Dichter bemeisterte seine Bewegung so weit, daß nur die größere Blässe seines Gesichts und ein unmutiges Zucken seiner Lippen dem neben¬ stehenden Freunde verrieten, was er beim Anblick der maurischen Reiter dachte. Senhor Manuel, der sehr ernst nach dem Alguazil hingeblickt hatte, lächelte still in sich hinein, als er den ganzen Trupp und einen guten Teil seines zer¬ lumpten Gefolges ohne Zögern die Straße nach San Pedro einschlagen sah. Die Verfolger waren offenbar ohne alle Spur ihres flüchtigen Wildes, das konnte wenigstens für den Augenblick zur Beruhigung dienen. Sobald sie sich durch die lärmende Menge hindurchgedrängt und die freie Straße wieder ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/197>, abgerufen am 05.02.2025.