Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die hannoversche Gesellschaft. Stammbäume ist, waren diese Bälle ein Dorn im Auge. Er nannte sie die In allen andern hannoverschen Städten hatten sich Adel und bürgerliche War der Kandidat in Vorschlag gebracht, so ward sein Name nebst dem Die hannoversche Gesellschaft. Stammbäume ist, waren diese Bälle ein Dorn im Auge. Er nannte sie die In allen andern hannoverschen Städten hatten sich Adel und bürgerliche War der Kandidat in Vorschlag gebracht, so ward sein Name nebst dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197443"/> <fw type="header" place="top"> Die hannoversche Gesellschaft.</fw><lb/> <p xml:id="ID_29" prev="#ID_28"> Stammbäume ist, waren diese Bälle ein Dorn im Auge. Er nannte sie die<lb/> Mamsellenbälle und moquirte sich gewaltig über den König, der sie ins Leben<lb/> gerufen hatte, wie es denn überhaupt Thatsache ist, daß neun Zehntel aller<lb/> Geschichten, welche über den verstorbnen Fürsten und die verwitwete Königin<lb/> in Umlauf gesetzt und in spätern Tagen von ganz andrer Seite ausgebeutet<lb/> wurden, dem Kreise und dem Klatsch der Hofgesellschaft entsprungen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_30"> In allen andern hannoverschen Städten hatten sich Adel und bürgerliche<lb/> Beamte und Offiziere soweit genähert, daß sie gesellig miteinander verkehrten<lb/> und zusammen die erste Gesellschaft des Ortes bildeten; die männlichen Mitglieder<lb/> pflegten sich allabendlich im Klub zu treffen. Wurde ein Beamter oder Offizier<lb/> nach einer der Mittelstädte Celle, Hildesheim, Lüneburg u. s. w. oder auch einer<lb/> der kleinern Städte versetzt, so war der erste Schritt, welchen er that, nachdem<lb/> er seine dienstlichen Meldungen abgemacht hatte, der, daß er sich durch einen<lb/> Bekannten oder Vorgesetzten in den ersten Klub des Ortes einführen, dem<lb/> Präsidenten vorstellen und als Mitglied in Vorschlag bringen ließ. That er<lb/> dies nicht, so konnte er sicher sein, daß er sehr bald auf seine versäumte Pflicht<lb/> aufmerksam gemacht wurde. Aus selbst ist einst von einem hannoverschen<lb/> Offizier erzählt worden, daß eines Tages sein Regimentskommandeur ihm sein<lb/> großes Mißfallen ausgedrückt habe, weil ein junger, zu seiner Kompagnie ver¬<lb/> setzter Offizier nach vierwöchentlicher Dienstzeit noch nicht im Klub in Vorschlag<lb/> gebracht worden war. Der betreffende Herr, obgleich nicht sehr geneigt, un¬<lb/> gerechte Vorwürfe über sich ergehen zu lassen, war von der Gerechtigkeit des<lb/> ihm zuteil gewordnen Verweises so vollkommen überzeugt, daß er seinen<lb/> Kommandeur wegen des Versäumnisses um Entschuldigung bat und dann den<lb/> jungen Kameraden zu sich rief. Dieser meinte nun zwar gehört zu haben, daß<lb/> es auf dem Klub sehr langweilig sei, äußerte auch, daß er ungern dort eintreten<lb/> würde. Jede weitere Rede schnitt ihm aber sein Hauptmann mit den Worten<lb/> ab: „Klubmitglied müssen Sie sein, mag es Ihnen dort gefallen oder nicht. Ich<lb/> werde Sie noch heute in Vorschlag bringen."</p><lb/> <p xml:id="ID_31" next="#ID_32"> War der Kandidat in Vorschlag gebracht, so ward sein Name nebst dem<lb/> Namen desjenigen, der ihn vorgeschlagen hatte, an das schwarze Bret geheftet,<lb/> und nach bestimmter Frist über ihn, auch wenn er Offizier war, zur Ballotage<lb/> geschritten. Denn nie hat man in Hannover die Prätension verstanden, die in<lb/> dem Verlangen liegt, daß über einen Offizier nicht ballotirt werden dürfe. Zwar<lb/> wußte man ganz genau, daß das gesamte Offizierkorps aus dem Kind austreten<lb/> müsse, falls eins seiner Mitglieder bei der Ballotage nicht aufgenommen<lb/> würde, sagte sich aber auf der andern Seite, daß kein Grund vorhanden sei,<lb/> dort wo man über die Aufnahme der höchstgestellten Beamten, eines Präsidenten,<lb/> eines Landdrosten entschied, einem Sekondeleutnant dies zu ersparen. Die<lb/> Gleichberechtigung zwischen Militär und Zivil erforderte dies. Diese Anschauung<lb/> lag allen Klubgesetzen zu Grunde. Einzelne gingen sogar soweit, genau zu be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Die hannoversche Gesellschaft.
Stammbäume ist, waren diese Bälle ein Dorn im Auge. Er nannte sie die
Mamsellenbälle und moquirte sich gewaltig über den König, der sie ins Leben
gerufen hatte, wie es denn überhaupt Thatsache ist, daß neun Zehntel aller
Geschichten, welche über den verstorbnen Fürsten und die verwitwete Königin
in Umlauf gesetzt und in spätern Tagen von ganz andrer Seite ausgebeutet
wurden, dem Kreise und dem Klatsch der Hofgesellschaft entsprungen sind.
In allen andern hannoverschen Städten hatten sich Adel und bürgerliche
Beamte und Offiziere soweit genähert, daß sie gesellig miteinander verkehrten
und zusammen die erste Gesellschaft des Ortes bildeten; die männlichen Mitglieder
pflegten sich allabendlich im Klub zu treffen. Wurde ein Beamter oder Offizier
nach einer der Mittelstädte Celle, Hildesheim, Lüneburg u. s. w. oder auch einer
der kleinern Städte versetzt, so war der erste Schritt, welchen er that, nachdem
er seine dienstlichen Meldungen abgemacht hatte, der, daß er sich durch einen
Bekannten oder Vorgesetzten in den ersten Klub des Ortes einführen, dem
Präsidenten vorstellen und als Mitglied in Vorschlag bringen ließ. That er
dies nicht, so konnte er sicher sein, daß er sehr bald auf seine versäumte Pflicht
aufmerksam gemacht wurde. Aus selbst ist einst von einem hannoverschen
Offizier erzählt worden, daß eines Tages sein Regimentskommandeur ihm sein
großes Mißfallen ausgedrückt habe, weil ein junger, zu seiner Kompagnie ver¬
setzter Offizier nach vierwöchentlicher Dienstzeit noch nicht im Klub in Vorschlag
gebracht worden war. Der betreffende Herr, obgleich nicht sehr geneigt, un¬
gerechte Vorwürfe über sich ergehen zu lassen, war von der Gerechtigkeit des
ihm zuteil gewordnen Verweises so vollkommen überzeugt, daß er seinen
Kommandeur wegen des Versäumnisses um Entschuldigung bat und dann den
jungen Kameraden zu sich rief. Dieser meinte nun zwar gehört zu haben, daß
es auf dem Klub sehr langweilig sei, äußerte auch, daß er ungern dort eintreten
würde. Jede weitere Rede schnitt ihm aber sein Hauptmann mit den Worten
ab: „Klubmitglied müssen Sie sein, mag es Ihnen dort gefallen oder nicht. Ich
werde Sie noch heute in Vorschlag bringen."
War der Kandidat in Vorschlag gebracht, so ward sein Name nebst dem
Namen desjenigen, der ihn vorgeschlagen hatte, an das schwarze Bret geheftet,
und nach bestimmter Frist über ihn, auch wenn er Offizier war, zur Ballotage
geschritten. Denn nie hat man in Hannover die Prätension verstanden, die in
dem Verlangen liegt, daß über einen Offizier nicht ballotirt werden dürfe. Zwar
wußte man ganz genau, daß das gesamte Offizierkorps aus dem Kind austreten
müsse, falls eins seiner Mitglieder bei der Ballotage nicht aufgenommen
würde, sagte sich aber auf der andern Seite, daß kein Grund vorhanden sei,
dort wo man über die Aufnahme der höchstgestellten Beamten, eines Präsidenten,
eines Landdrosten entschied, einem Sekondeleutnant dies zu ersparen. Die
Gleichberechtigung zwischen Militär und Zivil erforderte dies. Diese Anschauung
lag allen Klubgesetzen zu Grunde. Einzelne gingen sogar soweit, genau zu be-
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