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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Archäologie und Anschauung.

häufiger aufgegeben werden, als es für gewöhnlich der Fall ist. Auch der
Lehrer der Naturwissenschaften ist in der Lage, in dieser Richtung die An¬
schauung zu fördern, wenn er auf scharfe und geuau beobachtende Beschreibung
der besprochenen Pflanzen, Tiere u. s. w. hält.

Wenn schließlich Brunn auf die archäologische Vorbildung des Lehrers zu
sprechen kommt, wodurch derselbe erst in den Stand gesetzt wird, von den sichern
Resultaten archäologischer Forschung das zu verwerten, was den Unterricht durch
das Mittel der Anschauung zu unterstützen, zu erleichtern, zu beleben vermag,
so befindet er sich da in der glücklichen Lage, daß dnrch seinen Einfluß die
Archäologie in Baiern ein obligatorischer Gegenstand des Examens für das
höhere Lehrfach geworden ist. Außer in Baiern ist das aber (meines Wissens)
noch nirgends der Fall. Man hat zwar jetzt fast an jeder Universität einen
archäologischen Lehrstuhl; aber die Gleichberechtigung mit den andern philo¬
logischen Disziplinen hat sich die Archäologie dadurch uoch lange nicht errungen.
Man prüft den klassischen Philologen im Staatsexamen in Altertümern und
Literatur, in Grammatik und Metrik, in Geschichte und Geographie, kurz, auf
allen Gebieten des antiken Lebens, nur ob er von der alten Kunst etwas weiß,
darnach fragt man ihn nur, wenn er es ausdrücklich wünscht. Und dafür, daß
die meisten Examinanden diesen Wunsch nicht zu erkennen geben, dafür ist hin¬
länglich gesorgt, da die Philologie ja uoch immer eins der beliebtesten Brot-
stndien ist und es unter den Philologiestudirenden immer eine sehr große Zahl
von solchen giebt, welche vom ersten Kolleg an nur auf das den Abschluß
bildende Examen denken und lediglich nur das hören, was ihnen dabei einmal
von Nutzen sein kann. Archäologische Vorlesungen werden dabei als nicht not¬
wendig betrachtet, ja man kann es erleben, daß Studenten sich geniren, archäo¬
logische Übungen zu besuchen, weil sie sich von vornherein einbilden, sie "ver¬
stünden das nicht" -- ganz abgesehen von der Besorgnis, es könnte"? ihnen da
gar besondre Arbeitsleistungen zugemutet werdeu. Wie sollen sich nun, unter so
bewandten Umständen, die Gymnasiallehrer die notwendige archäologische Bildung
erwerben, um jenen Wünschen nach Berücksichtigung der alten Kunst im
Unterricht, nach richtiger und methodischer Anleitung zum Erkennen und Be¬
urteilen von Bildwerken, gerecht zu werden? Mögen auch viele das auf der
Universität versäumte später privatim nachholen, so meine ich doch, daß die¬
jenigen, welche für die Kunst eine Stelle in der Gymnasialbildung fordern, auch
die weitere Konsequenz daraus ziehen sollten, daß die Archäologie auch im philo¬
logischen Examen einen Platz haben muß.

Damit man nun aber nicht glaube, daß die Anregungen und Vorschläge,
welche Brunn zum Gegenstande seiner Rektoratsrede gemacht hat, bloß einer
kunsthistorischen Ausbildung der Gymnasiasten, welche gar mancher für entbehr¬
lich halten wird, zu Gute kämen, setze ich zum Schlüsse die Worte hierher, mit
welchen Brunn auf die auch auf weitere Gebiete menschlicher Thätigkeit sich


Grenzboten I. 1886. 23
Archäologie und Anschauung.

häufiger aufgegeben werden, als es für gewöhnlich der Fall ist. Auch der
Lehrer der Naturwissenschaften ist in der Lage, in dieser Richtung die An¬
schauung zu fördern, wenn er auf scharfe und geuau beobachtende Beschreibung
der besprochenen Pflanzen, Tiere u. s. w. hält.

Wenn schließlich Brunn auf die archäologische Vorbildung des Lehrers zu
sprechen kommt, wodurch derselbe erst in den Stand gesetzt wird, von den sichern
Resultaten archäologischer Forschung das zu verwerten, was den Unterricht durch
das Mittel der Anschauung zu unterstützen, zu erleichtern, zu beleben vermag,
so befindet er sich da in der glücklichen Lage, daß dnrch seinen Einfluß die
Archäologie in Baiern ein obligatorischer Gegenstand des Examens für das
höhere Lehrfach geworden ist. Außer in Baiern ist das aber (meines Wissens)
noch nirgends der Fall. Man hat zwar jetzt fast an jeder Universität einen
archäologischen Lehrstuhl; aber die Gleichberechtigung mit den andern philo¬
logischen Disziplinen hat sich die Archäologie dadurch uoch lange nicht errungen.
Man prüft den klassischen Philologen im Staatsexamen in Altertümern und
Literatur, in Grammatik und Metrik, in Geschichte und Geographie, kurz, auf
allen Gebieten des antiken Lebens, nur ob er von der alten Kunst etwas weiß,
darnach fragt man ihn nur, wenn er es ausdrücklich wünscht. Und dafür, daß
die meisten Examinanden diesen Wunsch nicht zu erkennen geben, dafür ist hin¬
länglich gesorgt, da die Philologie ja uoch immer eins der beliebtesten Brot-
stndien ist und es unter den Philologiestudirenden immer eine sehr große Zahl
von solchen giebt, welche vom ersten Kolleg an nur auf das den Abschluß
bildende Examen denken und lediglich nur das hören, was ihnen dabei einmal
von Nutzen sein kann. Archäologische Vorlesungen werden dabei als nicht not¬
wendig betrachtet, ja man kann es erleben, daß Studenten sich geniren, archäo¬
logische Übungen zu besuchen, weil sie sich von vornherein einbilden, sie „ver¬
stünden das nicht" — ganz abgesehen von der Besorgnis, es könnte»? ihnen da
gar besondre Arbeitsleistungen zugemutet werdeu. Wie sollen sich nun, unter so
bewandten Umständen, die Gymnasiallehrer die notwendige archäologische Bildung
erwerben, um jenen Wünschen nach Berücksichtigung der alten Kunst im
Unterricht, nach richtiger und methodischer Anleitung zum Erkennen und Be¬
urteilen von Bildwerken, gerecht zu werden? Mögen auch viele das auf der
Universität versäumte später privatim nachholen, so meine ich doch, daß die¬
jenigen, welche für die Kunst eine Stelle in der Gymnasialbildung fordern, auch
die weitere Konsequenz daraus ziehen sollten, daß die Archäologie auch im philo¬
logischen Examen einen Platz haben muß.

Damit man nun aber nicht glaube, daß die Anregungen und Vorschläge,
welche Brunn zum Gegenstande seiner Rektoratsrede gemacht hat, bloß einer
kunsthistorischen Ausbildung der Gymnasiasten, welche gar mancher für entbehr¬
lich halten wird, zu Gute kämen, setze ich zum Schlüsse die Worte hierher, mit
welchen Brunn auf die auch auf weitere Gebiete menschlicher Thätigkeit sich


Grenzboten I. 1886. 23
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[0185] Archäologie und Anschauung. häufiger aufgegeben werden, als es für gewöhnlich der Fall ist. Auch der Lehrer der Naturwissenschaften ist in der Lage, in dieser Richtung die An¬ schauung zu fördern, wenn er auf scharfe und geuau beobachtende Beschreibung der besprochenen Pflanzen, Tiere u. s. w. hält. Wenn schließlich Brunn auf die archäologische Vorbildung des Lehrers zu sprechen kommt, wodurch derselbe erst in den Stand gesetzt wird, von den sichern Resultaten archäologischer Forschung das zu verwerten, was den Unterricht durch das Mittel der Anschauung zu unterstützen, zu erleichtern, zu beleben vermag, so befindet er sich da in der glücklichen Lage, daß dnrch seinen Einfluß die Archäologie in Baiern ein obligatorischer Gegenstand des Examens für das höhere Lehrfach geworden ist. Außer in Baiern ist das aber (meines Wissens) noch nirgends der Fall. Man hat zwar jetzt fast an jeder Universität einen archäologischen Lehrstuhl; aber die Gleichberechtigung mit den andern philo¬ logischen Disziplinen hat sich die Archäologie dadurch uoch lange nicht errungen. Man prüft den klassischen Philologen im Staatsexamen in Altertümern und Literatur, in Grammatik und Metrik, in Geschichte und Geographie, kurz, auf allen Gebieten des antiken Lebens, nur ob er von der alten Kunst etwas weiß, darnach fragt man ihn nur, wenn er es ausdrücklich wünscht. Und dafür, daß die meisten Examinanden diesen Wunsch nicht zu erkennen geben, dafür ist hin¬ länglich gesorgt, da die Philologie ja uoch immer eins der beliebtesten Brot- stndien ist und es unter den Philologiestudirenden immer eine sehr große Zahl von solchen giebt, welche vom ersten Kolleg an nur auf das den Abschluß bildende Examen denken und lediglich nur das hören, was ihnen dabei einmal von Nutzen sein kann. Archäologische Vorlesungen werden dabei als nicht not¬ wendig betrachtet, ja man kann es erleben, daß Studenten sich geniren, archäo¬ logische Übungen zu besuchen, weil sie sich von vornherein einbilden, sie „ver¬ stünden das nicht" — ganz abgesehen von der Besorgnis, es könnte»? ihnen da gar besondre Arbeitsleistungen zugemutet werdeu. Wie sollen sich nun, unter so bewandten Umständen, die Gymnasiallehrer die notwendige archäologische Bildung erwerben, um jenen Wünschen nach Berücksichtigung der alten Kunst im Unterricht, nach richtiger und methodischer Anleitung zum Erkennen und Be¬ urteilen von Bildwerken, gerecht zu werden? Mögen auch viele das auf der Universität versäumte später privatim nachholen, so meine ich doch, daß die¬ jenigen, welche für die Kunst eine Stelle in der Gymnasialbildung fordern, auch die weitere Konsequenz daraus ziehen sollten, daß die Archäologie auch im philo¬ logischen Examen einen Platz haben muß. Damit man nun aber nicht glaube, daß die Anregungen und Vorschläge, welche Brunn zum Gegenstande seiner Rektoratsrede gemacht hat, bloß einer kunsthistorischen Ausbildung der Gymnasiasten, welche gar mancher für entbehr¬ lich halten wird, zu Gute kämen, setze ich zum Schlüsse die Worte hierher, mit welchen Brunn auf die auch auf weitere Gebiete menschlicher Thätigkeit sich Grenzboten I. 1886. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/185>, abgerufen am 05.02.2025.