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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Basta am Balkan.

dagegen der schwächereist, so muß er verzichten und sich zufriedengeben können;
sonst giebts Schaden, und wer den hat, der hat für den Spott nicht zu sorgen.
Das sollten die Griechen sich selbst gesagt haben, aber wer hoch hinaus will,
sieht oft nicht, was unten, auf realem Boden, unmittelbar vor seinen Fußspitzen
steht und liegt. Es ist noch nicht lange her, daß Enropa den Griechen eine
stattliche Provinz aus dem Verbände des türkischen Reiches schnitt, und man
darf es nicht wohl anders als dreiste Habgier nennen, wenn sie jetzt schon, nach
Verlauf weniger Jahre, in die Höhe fahren und mehr fordern. Wir können
zugeben, daß die Versuchung, die in der bulgarischen Revolution lag, ziemlich
groß war, wir können auch die Beängstigung begreifen, welche infolge davon in
die Kreise fuhr, in denen die "Megalomanie" der Nachkommen des Themistokles
grassirt. Aber bis jetzt hat die bulgarische Union den Griechen noch keinerlei
Nachteil als den gebracht, den sie durch ihre Rüstungen ihrer Kasse selbst zu¬
gefügt haben. Ein Staat muß natürlich bereit sein, sein Gebiet zu verteidigen, aber
er sollte auch zu einer Entschädigung berechtigt sein, wenn ein Nachbar ihn stört
und zu Ausgaben nötigt. Das gilt aber hier nur von der Pforte, der be¬
drohten Macht. Die Griechen haben bisher ihre schönen Anlagen nicht dazu
benutzt, das Land, welches sie sich durch Tapferkeit, Beharrlichkeit, aber auch
und ganz vorzüglich durch unablässiges Betteln, wenn sich Gelegenheit fand,
erworben haben, vorteilhaft zu besäen. Wäre es nicht klüger von ihnen, ihr
kleines Land wirtschaftlich stark zu machen, Eisenbahnen zu bauen, Wälder zu
pflanzen und Sümpfe in fruchtbare Ländereien zu verwandeln, als der gro߬
griechischen Phantasie nachzulaufen, Geld für sie wegzuwerfen. Kanonen und
Hinterlader zu kaufen und darüber nicht aus dem halben Bankerotte heraus¬
zukommen und dem vollständigen entgegenzueilen? Die Mächte thun ihnen in
der That einen Gefallen, wenn sie ihnen Abrüstung gebieten und sie so auf den
Weg zu wirklichen Gedeihen hinschieben. Es geht das gegen ihren Willen, aber
dieser Wille ist Kinderwille, sie wissen nicht, was sie verspielen mit ihrer Gro߬
mannssucht. Dieselbe wird sie nicht bloß zuletzt zahlungsunfähig, sondern als
ewige Friedensstörer verhaßt und als ewige Bettler verächtlich machen. Ähnlich
verhält es sich mit den andern kleinen Balkanstaaten. Einst war Belgien ein
Land, wo die Großmächte ihre Streitigkeiten ausfochten. Wenn die Balkan¬
staaten so fortfahren wie bisher, so werden sie mit ihrer Habgier und ihrem
Ehrgeiz sich ein ähnliches Schicksal bereiten, mir mit dem Unterschiede, daß es
sich zuletzt sicher uicht so glücklich gestalten wird wie das Schicksal jenes Staates,
der einst dirs voolcxit- ot' Vuroxo genannt wurde. Die Großmächte, im Interesse
ihrer eignen Völker Vormünder dieser jungen Staaten, haben ein Recht darauf,
sie von Thorheiten abzuhalten, und so werden diese das Basta, das ihnen jetzt
zugerufen wird, beachten müssen.




Basta am Balkan.

dagegen der schwächereist, so muß er verzichten und sich zufriedengeben können;
sonst giebts Schaden, und wer den hat, der hat für den Spott nicht zu sorgen.
Das sollten die Griechen sich selbst gesagt haben, aber wer hoch hinaus will,
sieht oft nicht, was unten, auf realem Boden, unmittelbar vor seinen Fußspitzen
steht und liegt. Es ist noch nicht lange her, daß Enropa den Griechen eine
stattliche Provinz aus dem Verbände des türkischen Reiches schnitt, und man
darf es nicht wohl anders als dreiste Habgier nennen, wenn sie jetzt schon, nach
Verlauf weniger Jahre, in die Höhe fahren und mehr fordern. Wir können
zugeben, daß die Versuchung, die in der bulgarischen Revolution lag, ziemlich
groß war, wir können auch die Beängstigung begreifen, welche infolge davon in
die Kreise fuhr, in denen die „Megalomanie" der Nachkommen des Themistokles
grassirt. Aber bis jetzt hat die bulgarische Union den Griechen noch keinerlei
Nachteil als den gebracht, den sie durch ihre Rüstungen ihrer Kasse selbst zu¬
gefügt haben. Ein Staat muß natürlich bereit sein, sein Gebiet zu verteidigen, aber
er sollte auch zu einer Entschädigung berechtigt sein, wenn ein Nachbar ihn stört
und zu Ausgaben nötigt. Das gilt aber hier nur von der Pforte, der be¬
drohten Macht. Die Griechen haben bisher ihre schönen Anlagen nicht dazu
benutzt, das Land, welches sie sich durch Tapferkeit, Beharrlichkeit, aber auch
und ganz vorzüglich durch unablässiges Betteln, wenn sich Gelegenheit fand,
erworben haben, vorteilhaft zu besäen. Wäre es nicht klüger von ihnen, ihr
kleines Land wirtschaftlich stark zu machen, Eisenbahnen zu bauen, Wälder zu
pflanzen und Sümpfe in fruchtbare Ländereien zu verwandeln, als der gro߬
griechischen Phantasie nachzulaufen, Geld für sie wegzuwerfen. Kanonen und
Hinterlader zu kaufen und darüber nicht aus dem halben Bankerotte heraus¬
zukommen und dem vollständigen entgegenzueilen? Die Mächte thun ihnen in
der That einen Gefallen, wenn sie ihnen Abrüstung gebieten und sie so auf den
Weg zu wirklichen Gedeihen hinschieben. Es geht das gegen ihren Willen, aber
dieser Wille ist Kinderwille, sie wissen nicht, was sie verspielen mit ihrer Gro߬
mannssucht. Dieselbe wird sie nicht bloß zuletzt zahlungsunfähig, sondern als
ewige Friedensstörer verhaßt und als ewige Bettler verächtlich machen. Ähnlich
verhält es sich mit den andern kleinen Balkanstaaten. Einst war Belgien ein
Land, wo die Großmächte ihre Streitigkeiten ausfochten. Wenn die Balkan¬
staaten so fortfahren wie bisher, so werden sie mit ihrer Habgier und ihrem
Ehrgeiz sich ein ähnliches Schicksal bereiten, mir mit dem Unterschiede, daß es
sich zuletzt sicher uicht so glücklich gestalten wird wie das Schicksal jenes Staates,
der einst dirs voolcxit- ot' Vuroxo genannt wurde. Die Großmächte, im Interesse
ihrer eignen Völker Vormünder dieser jungen Staaten, haben ein Recht darauf,
sie von Thorheiten abzuhalten, und so werden diese das Basta, das ihnen jetzt
zugerufen wird, beachten müssen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/159>, abgerufen am 05.02.2025.