Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Skizzen ans der Levante und Griechenland. sittung und Kultur geblieben. Das sonst jeder Assimilirung mit dem Westen Mit ihrem Vaterlande stehen die Levantiner nur in lockerm Zusammen¬ Skizzen ans der Levante und Griechenland. sittung und Kultur geblieben. Das sonst jeder Assimilirung mit dem Westen Mit ihrem Vaterlande stehen die Levantiner nur in lockerm Zusammen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197559"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen ans der Levante und Griechenland.</fw><lb/> <p xml:id="ID_390" prev="#ID_389"> sittung und Kultur geblieben. Das sonst jeder Assimilirung mit dem Westen<lb/> widerstrebende Byzantinertum sympathisirte hier mit dem Handelsgeiste der<lb/> Republiken, und wie wenig sonst Griechen und Italiener frenndnachbarlich ver¬<lb/> kehrten und verkehren, so hat sich doch auf den genannten Inseln sowie in<lb/> mehreren Küstenstädten Kleinasiens eine Amalgamiruug vollzogen, woraus jene<lb/> Spezies hervorgegangen ist, die man „Levantiner" nennt. In der Mehrzahl<lb/> italienischen Ursprungs und Namens, werden jetzt alle so bezeichnet, welche von<lb/> europäischen Eltern abstammen und in der Levante (Ägypten einbegriffen) geboren<lb/> sind. Es besteht eine gewisse Analogie mit den Kreolen in Westindien, nur<lb/> daß darunter nur in den Kolonien geborne Spanier verstanden werden, wogegen<lb/> Levantiner ebenso gut französischer, englischer, selbst deutscher Nationalität sein<lb/> können als italienischer. Sie sind zumeist, fast ausnahmslos, katholisch, aber<lb/> keinenfalls „Najahs," d. h. nicht Unterthanen der Pforte, und es wird auf die<lb/> Landsmannschaft durchaus nicht immer Rücksicht genommen. So hat z. B. Oster¬<lb/> reich eine Menge Schutzbefohlener, die nicht von dort abstammen und Staaten an¬<lb/> gehören, die mit der Pforte keine Kapitulationen hatten und daher früher<lb/> diplomatisch nicht vertreten waren. Österreich erfreut sich im Orient noch eines<lb/> gewissen traditionellen Ansehens, und es wäre gegenwärtig wohl angebracht,<lb/> dasselbe zu erhöhen und zu stärken. Griechenland zahlt ethnographisch nicht zu<lb/> Europa, daher die im Königreich gebornen. dem hellenischen Konsulat in den<lb/> türkischen Provinzen zuständigen Griechen auch nicht als Levantiner gelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_391" next="#ID_392"> Mit ihrem Vaterlande stehen die Levantiner nur in lockerm Zusammen¬<lb/> hange, und es werden ihnen mehr Rechte gewährt als Pflichten auferlegt. Sie ge¬<lb/> nießen dessen Protektion in allen bürgerlichen Rechtssachen, wo der Beklagte<lb/> Europäer ist, ausgenommen, wenn es sich um Streitfragen über den Grundbesitz<lb/> handelt. Früher konnte kein Europäer Grundbesitz erwerben, derselbe mußte auf<lb/> deu Namen der Frau eingetragen werden, welche das türkische Gesetz als Rajah<lb/> ansieht. Jetzt hat mau dies zugestanden uuter der Bedingung, daß das türkische<lb/> Gericht kompetent sei. Auch Hypotheken können bestellt werden, was dnrch Über¬<lb/> gabe der Schlüssel, als symbolischen Akt eventuellen Nerkcmss, geschieht. Bei<lb/> einem Zinsfuße von 10 bis 12 Prozent wäre das ein glänzendes Geschäft, aber<lb/> die Unsicherheit des Besitztitels, insbesondre die oft ganz unerwartet eintretenden<lb/> Ansprüche des sogenannten „Vaknf" (Kirchenvermögen) erheischen die größte Vor¬<lb/> sicht. Sonst gilt das englische llonss is nry ca,Mo im Orient im vollste»<lb/> Maße. Nur mit Intervention des Konsuls darf die Wohnung eines Europäers<lb/> von der türkischen Behörde betreten werden. Sie kaun zwar in Kriminalsachen<lb/> den Verbrecher festnehmen, hat ihn aber auf Reklamation des Konsuls auszu¬<lb/> liefern, welcher bis zu kleinen Freiheitsstrafen selbst erkennt, in schweren Fällen<lb/> den Schuldigen zur Aburteilung in sein Heimatland schickt. Letzterer zieht indes<lb/> in der Regel das türkische Gericht vor nud reklmnirt dagegen nicht; hat er doch<lb/> da bessere Aussicht, mit leichter Strafe wegzukommen, vor Abbüßung losge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0135]
Skizzen ans der Levante und Griechenland.
sittung und Kultur geblieben. Das sonst jeder Assimilirung mit dem Westen
widerstrebende Byzantinertum sympathisirte hier mit dem Handelsgeiste der
Republiken, und wie wenig sonst Griechen und Italiener frenndnachbarlich ver¬
kehrten und verkehren, so hat sich doch auf den genannten Inseln sowie in
mehreren Küstenstädten Kleinasiens eine Amalgamiruug vollzogen, woraus jene
Spezies hervorgegangen ist, die man „Levantiner" nennt. In der Mehrzahl
italienischen Ursprungs und Namens, werden jetzt alle so bezeichnet, welche von
europäischen Eltern abstammen und in der Levante (Ägypten einbegriffen) geboren
sind. Es besteht eine gewisse Analogie mit den Kreolen in Westindien, nur
daß darunter nur in den Kolonien geborne Spanier verstanden werden, wogegen
Levantiner ebenso gut französischer, englischer, selbst deutscher Nationalität sein
können als italienischer. Sie sind zumeist, fast ausnahmslos, katholisch, aber
keinenfalls „Najahs," d. h. nicht Unterthanen der Pforte, und es wird auf die
Landsmannschaft durchaus nicht immer Rücksicht genommen. So hat z. B. Oster¬
reich eine Menge Schutzbefohlener, die nicht von dort abstammen und Staaten an¬
gehören, die mit der Pforte keine Kapitulationen hatten und daher früher
diplomatisch nicht vertreten waren. Österreich erfreut sich im Orient noch eines
gewissen traditionellen Ansehens, und es wäre gegenwärtig wohl angebracht,
dasselbe zu erhöhen und zu stärken. Griechenland zahlt ethnographisch nicht zu
Europa, daher die im Königreich gebornen. dem hellenischen Konsulat in den
türkischen Provinzen zuständigen Griechen auch nicht als Levantiner gelten.
Mit ihrem Vaterlande stehen die Levantiner nur in lockerm Zusammen¬
hange, und es werden ihnen mehr Rechte gewährt als Pflichten auferlegt. Sie ge¬
nießen dessen Protektion in allen bürgerlichen Rechtssachen, wo der Beklagte
Europäer ist, ausgenommen, wenn es sich um Streitfragen über den Grundbesitz
handelt. Früher konnte kein Europäer Grundbesitz erwerben, derselbe mußte auf
deu Namen der Frau eingetragen werden, welche das türkische Gesetz als Rajah
ansieht. Jetzt hat mau dies zugestanden uuter der Bedingung, daß das türkische
Gericht kompetent sei. Auch Hypotheken können bestellt werden, was dnrch Über¬
gabe der Schlüssel, als symbolischen Akt eventuellen Nerkcmss, geschieht. Bei
einem Zinsfuße von 10 bis 12 Prozent wäre das ein glänzendes Geschäft, aber
die Unsicherheit des Besitztitels, insbesondre die oft ganz unerwartet eintretenden
Ansprüche des sogenannten „Vaknf" (Kirchenvermögen) erheischen die größte Vor¬
sicht. Sonst gilt das englische llonss is nry ca,Mo im Orient im vollste»
Maße. Nur mit Intervention des Konsuls darf die Wohnung eines Europäers
von der türkischen Behörde betreten werden. Sie kaun zwar in Kriminalsachen
den Verbrecher festnehmen, hat ihn aber auf Reklamation des Konsuls auszu¬
liefern, welcher bis zu kleinen Freiheitsstrafen selbst erkennt, in schweren Fällen
den Schuldigen zur Aburteilung in sein Heimatland schickt. Letzterer zieht indes
in der Regel das türkische Gericht vor nud reklmnirt dagegen nicht; hat er doch
da bessere Aussicht, mit leichter Strafe wegzukommen, vor Abbüßung losge-
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