Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Notizen. sichten des Tertullian, des Origenes. der "Antidikomarianiteu" it. s, w. (S. 92 ff.). Aber sie scheinen, wie gesagt, nichts lernen zu wollen, da sie auch die Aus¬ Eine originelle Gesellschaft. Von achtundvierzig Staatsmännern, Ge¬ Notizen. sichten des Tertullian, des Origenes. der „Antidikomarianiteu" it. s, w. (S. 92 ff.). Aber sie scheinen, wie gesagt, nichts lernen zu wollen, da sie auch die Aus¬ Eine originelle Gesellschaft. Von achtundvierzig Staatsmännern, Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0100" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197524"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_300" prev="#ID_299"> sichten des Tertullian, des Origenes. der „Antidikomarianiteu" it. s, w. (S. 92 ff.).<lb/> Hätten die Frommen dort nachgelesen, so würden sie sich und uns „viel Lärm um<lb/> nichts" erspart haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_301"> Aber sie scheinen, wie gesagt, nichts lernen zu wollen, da sie auch die Aus¬<lb/> stellung der Gräfschen Bilder zu einem Ereignis aufbauschen. Der Berliner Unter¬<lb/> nehmer, dem wir diesen Genuß verdanken, soll die Absicht gehabt haben, das Modell<lb/> des Malers in Person an die Kasse zu setzen, soll aber daran durch die Polizei<lb/> verhindert worden sein. Es war mich nicht nötig, diesem Unternehmen dadurch<lb/> noch den letzten Stempel aufzudrücken. Die Bilder sind so mittelmäßiger Art, die<lb/> Einreihung des Porträts des Verfertigers „im Kostüm Tizians" und einer „im<lb/> Gefängnis gemalten" Skizze — ein Jüngling, der von einem „märchenhaften" Irrlicht<lb/> in den Sumpf gelockt wird — macht das Ganze zu eiuer so abgeschmackte» Posse, daß<lb/> man den vulgären Liberalismus diese Beschämung ungestört hätte auskosten lassen<lb/> sollen. Denn auch hier war natürlich lebhaft Partei ergriffen worden für die „Freiheit"<lb/> der Kunst und der Künstler, war der Kernpunkt des berüchtigten Prozesses gänzlich<lb/> ignorirt worden, und man hatte über das einzige Tröstliche in dem untröstlicher<lb/> Handel, die Erklärung der Berliner Künstlerschaft, spöttisch die Achseln gezuckt.<lb/> War man sich doch bewußt, wenigstens auf derselben Hohe sittlicher Weltanschauung<lb/> zu stehen wie Paul Lindau. Wenn an der Akademie eine Professur frei wäre,<lb/> hätte uns der Vorschlag, Herrn Graf zu berufen, nicht in Erstaunen versetzt. Und<lb/> nnn der kalte Guß dieser Ausstellung! Doch die Frommen verlassen die Frei¬<lb/> sinnigen nicht, sie zetern dermaßen über die Gott- und Schamlosigkeit der Gräfschen<lb/> Bilder, schreien so laut uach der Polizei, daß uicht uur Gevatter Schneider und Hand¬<lb/> schuhmacher sich tummeln, das sündhafte Schauspiel zu genießen, bevor es etwa ver¬<lb/> boten würde. Wenn noch Dankbarkeit unter den Menschen wäre, müßte dem<lb/> „Vaterland" eine, Tantieme von dem Ertrage der Ausstellung bewilligt werdeu.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_302" next="#ID_303"> Eine originelle Gesellschaft. Von achtundvierzig Staatsmännern, Ge¬<lb/> lehrten und Schriftstellern, namhaften, nnmeulosen und — „mittleren," einem Kreise,<lb/> so bunt, wie ihn nur jemals die Mitarbeitcrliste eiuer neuen Zeitschrift ausgewiesen<lb/> hat, ergeht die Einladung zum Eintritt in eine Gesellschaft, welche sich „Deutsche<lb/> Revue-Gesellschaft" nennt. Unterzeichnet sind vier gewesene und zwei aktive Minister,<lb/> ferner neben Gneist — Mnx Norden, neben Moleschott — Ossip Schubin, neben<lb/> Döllinger ein Redakteur der „Neuen freien Presse" u. s. f. Und diese Herren haben<lb/> eine „Revue-Gesellschaft" gegründet? Wollen sie, da auch zwei Generale z. D. mit<lb/> ihnen halten, das Interesse des deutscheu Volkes an militärischen Schauspielen be¬<lb/> leben oder etwa die deutscheu Zustände Revue pnssiren lassen? Keins von beiden;<lb/> derartige Mißverständnisse sind lediglich dnrch das Wegbleiben eines Bindczeichens<lb/> ermöglicht. Es sollte nämlich heißen .„Deutsche-Revue-Gesellschaft," da deren Zweck<lb/> die Erhöhung der Abonnentenzahl der Monatsschrift „Deutsche Revue" ist. Die<lb/> Pflichten der Mitglieder dieser originellen Gesellschaft bestehen im Abonnentensammeln,<lb/> die Rechte in dem Empfang eines Freiexemplars auf fünf bezahlte. So schön diese<lb/> Aufgabe aber ist. so soll sich die Gesellschaft mit derselben noch nicht begnügen.<lb/> Ein Fünftel des Reingewinnes der Zeitschrift soll von 188K der Gesellschaft zu¬<lb/> fließen, welche dadurch die Mittel zu gewinnen hofft, um „ l. hilfsbedürftigen und<lb/> verdienten Vertretern der Wissenschaft, Literatur und Kunst Unterstützungen in mög¬<lb/> lichst reichem Maße zu gewähre«; 2. wertvolle wissenschaftliche, liternrische und künst¬<lb/> lerische Arbeiten und Leistungen materiell zu unterstützen oder zu belohnen; 3. Bei¬<lb/> trüge zur Förderung neuer wichtiger Erfindungen und Forschungsreisen zu ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0100]
Notizen.
sichten des Tertullian, des Origenes. der „Antidikomarianiteu" it. s, w. (S. 92 ff.).
Hätten die Frommen dort nachgelesen, so würden sie sich und uns „viel Lärm um
nichts" erspart haben.
Aber sie scheinen, wie gesagt, nichts lernen zu wollen, da sie auch die Aus¬
stellung der Gräfschen Bilder zu einem Ereignis aufbauschen. Der Berliner Unter¬
nehmer, dem wir diesen Genuß verdanken, soll die Absicht gehabt haben, das Modell
des Malers in Person an die Kasse zu setzen, soll aber daran durch die Polizei
verhindert worden sein. Es war mich nicht nötig, diesem Unternehmen dadurch
noch den letzten Stempel aufzudrücken. Die Bilder sind so mittelmäßiger Art, die
Einreihung des Porträts des Verfertigers „im Kostüm Tizians" und einer „im
Gefängnis gemalten" Skizze — ein Jüngling, der von einem „märchenhaften" Irrlicht
in den Sumpf gelockt wird — macht das Ganze zu eiuer so abgeschmackte» Posse, daß
man den vulgären Liberalismus diese Beschämung ungestört hätte auskosten lassen
sollen. Denn auch hier war natürlich lebhaft Partei ergriffen worden für die „Freiheit"
der Kunst und der Künstler, war der Kernpunkt des berüchtigten Prozesses gänzlich
ignorirt worden, und man hatte über das einzige Tröstliche in dem untröstlicher
Handel, die Erklärung der Berliner Künstlerschaft, spöttisch die Achseln gezuckt.
War man sich doch bewußt, wenigstens auf derselben Hohe sittlicher Weltanschauung
zu stehen wie Paul Lindau. Wenn an der Akademie eine Professur frei wäre,
hätte uns der Vorschlag, Herrn Graf zu berufen, nicht in Erstaunen versetzt. Und
nnn der kalte Guß dieser Ausstellung! Doch die Frommen verlassen die Frei¬
sinnigen nicht, sie zetern dermaßen über die Gott- und Schamlosigkeit der Gräfschen
Bilder, schreien so laut uach der Polizei, daß uicht uur Gevatter Schneider und Hand¬
schuhmacher sich tummeln, das sündhafte Schauspiel zu genießen, bevor es etwa ver¬
boten würde. Wenn noch Dankbarkeit unter den Menschen wäre, müßte dem
„Vaterland" eine, Tantieme von dem Ertrage der Ausstellung bewilligt werdeu.
Eine originelle Gesellschaft. Von achtundvierzig Staatsmännern, Ge¬
lehrten und Schriftstellern, namhaften, nnmeulosen und — „mittleren," einem Kreise,
so bunt, wie ihn nur jemals die Mitarbeitcrliste eiuer neuen Zeitschrift ausgewiesen
hat, ergeht die Einladung zum Eintritt in eine Gesellschaft, welche sich „Deutsche
Revue-Gesellschaft" nennt. Unterzeichnet sind vier gewesene und zwei aktive Minister,
ferner neben Gneist — Mnx Norden, neben Moleschott — Ossip Schubin, neben
Döllinger ein Redakteur der „Neuen freien Presse" u. s. f. Und diese Herren haben
eine „Revue-Gesellschaft" gegründet? Wollen sie, da auch zwei Generale z. D. mit
ihnen halten, das Interesse des deutscheu Volkes an militärischen Schauspielen be¬
leben oder etwa die deutscheu Zustände Revue pnssiren lassen? Keins von beiden;
derartige Mißverständnisse sind lediglich dnrch das Wegbleiben eines Bindczeichens
ermöglicht. Es sollte nämlich heißen .„Deutsche-Revue-Gesellschaft," da deren Zweck
die Erhöhung der Abonnentenzahl der Monatsschrift „Deutsche Revue" ist. Die
Pflichten der Mitglieder dieser originellen Gesellschaft bestehen im Abonnentensammeln,
die Rechte in dem Empfang eines Freiexemplars auf fünf bezahlte. So schön diese
Aufgabe aber ist. so soll sich die Gesellschaft mit derselben noch nicht begnügen.
Ein Fünftel des Reingewinnes der Zeitschrift soll von 188K der Gesellschaft zu¬
fließen, welche dadurch die Mittel zu gewinnen hofft, um „ l. hilfsbedürftigen und
verdienten Vertretern der Wissenschaft, Literatur und Kunst Unterstützungen in mög¬
lichst reichem Maße zu gewähre«; 2. wertvolle wissenschaftliche, liternrische und künst¬
lerische Arbeiten und Leistungen materiell zu unterstützen oder zu belohnen; 3. Bei¬
trüge zur Förderung neuer wichtiger Erfindungen und Forschungsreisen zu ge-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |