Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsvorfassungsgesetzes in. sondern in den entsprechenden Strafsachen mir die Amtsrichter zwar unter Zu¬ Der zweite Vcrbcsscrnngsvorschlag des Entwurfes bezweckt eine anderweite Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsvorfassungsgesetzes in. sondern in den entsprechenden Strafsachen mir die Amtsrichter zwar unter Zu¬ Der zweite Vcrbcsscrnngsvorschlag des Entwurfes bezweckt eine anderweite <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196832"/> <fw type="header" place="top"> Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsvorfassungsgesetzes in.</fw><lb/> <p xml:id="ID_250" prev="#ID_249"> sondern in den entsprechenden Strafsachen mir die Amtsrichter zwar unter Zu¬<lb/> ziehung von Schöffen, aber als Amtsgericht zu erkennen hatten, womit neben<lb/> sonstigen formellen Jnkonvenicnzen namentlich die Ungereimtheit des § 211<lb/> der Strafprozeßordnung wegfiele, nach welchem ein verhafteter und geständiger<lb/> Angeklagter vom Schöffengericht ohne Zuziehung von Schöffen abgeurteilt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_251" next="#ID_252"> Der zweite Vcrbcsscrnngsvorschlag des Entwurfes bezweckt eine anderweite<lb/> Regelung der Gcschäftsbchandlung bei den Kollegialgcrichten. Die Sicherung<lb/> der richterlichen Unabhängigkeit, allerdings eine der Hauptstützen der Rechts¬<lb/> sicherheit im Staate, ist in unsern Justizgesetzcn derart ans die Spitze getrieben,<lb/> daß die Justizverwciltnng fast ganz beiseite geschoben ist; namentlich waren zu<lb/> diesem Zwecke die sogenannten Präsidien der kollegialischer Gerichte (bestehend<lb/> aus dem Präsidenten, den Direktoren oder Senatspräsidentcn und dem ältesten<lb/> oder den beiden ältesten Gerichtsmitgliedern) geschaffen und diesen die Befugnis<lb/> gegeben worden, die Gerichtsmitglieder auf die einzelnen Kammern oder Senate zu<lb/> verteilen, eine Einrichtung, welche in keiner einzigen Gesetzgebung ein Vorbild hatte.<lb/> Die Klagen über die Rechtsprechung der Strafkammern haben nun zu der Wahr¬<lb/> nehmung geführt, daß die Zusammensetzung der Strafkammern mangelhaft ist,<lb/> und der preußische Justizminister sah sich deshalb bereits 1882 uuter allge¬<lb/> meinem Beifall veranlaßt, die Präsidenten der Oberlandesgcrichte darauf auf¬<lb/> merksam zu machen, daß man den Strafkammern vielfach die weniger brauch¬<lb/> baren Elemente zuzuweisen pflege, und daß dem berechtigten Verlangen, einzelne<lb/> Richter nicht ausschließlich in Zivil- oder Strafsachen zu beschäftigen, Rechnung<lb/> zu tragen sei. „Die Präsidien — sagt die Begründung des hier besprochenen<lb/> Entwurfs — werden regelmäßig der Gefahr ausgesetzt sein, persönliche Wünsche,<lb/> sowie Rücksichten auf ihnen nahestehende Kollegen allzusehr in Rechnung zu<lb/> ziehen; sie sind selbst auf das lebhafteste dabei interessirt, als Genossen ihrer<lb/> Arbeit möglichst ihnen sympathische Richter zu erwählen, und können dies In¬<lb/> teresse umso freier verfolgen, als alle Anordnungen unter dem Namen des<lb/> kollegialischer Präsidiums ergehen. So kann es nicht befremden, wenn die<lb/> Anordnungen der Präsidien, auch abgesehen von den auf die Bildung der<lb/> Strafkammern bezüglichen Verfügungen, in vielen Fällen Anlaß zur Beschwerde<lb/> gegeben haben." Es sollen daher die Präsidien beseitigt und die Bildung der<lb/> Senate und Kammern der Justizverwaltung übertragen werden, welche auch<lb/> den Stellvertreter des Kammerpräsidenten zu bestimmen hätten, während jetzt<lb/> das älteste Kammcrmitglied diese Stellvertretung ausübt, woher es kommt, daß<lb/> der Vorsitz häufig in die Hände von Richtern kommt, welche, weil sie sich nicht<lb/> zum Vorsitzenden eignen, nicht zu Direktoren oder Senatspräsidenten ernannt<lb/> werden konnten. Es handelt sich also hier um eine Änderung des Gesetzes,<lb/> welche nach der Begründung nur als Verbesserung anzusehen ist, der richter¬<lb/> lichen Unabhängigkeit in keiner Weise zu nahe treten, sondern sie im Gegenteil<lb/> durch Beseitigung unberechtigter Einflüsse erhöhen, gleichzeitig aber für eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsvorfassungsgesetzes in.
sondern in den entsprechenden Strafsachen mir die Amtsrichter zwar unter Zu¬
ziehung von Schöffen, aber als Amtsgericht zu erkennen hatten, womit neben
sonstigen formellen Jnkonvenicnzen namentlich die Ungereimtheit des § 211
der Strafprozeßordnung wegfiele, nach welchem ein verhafteter und geständiger
Angeklagter vom Schöffengericht ohne Zuziehung von Schöffen abgeurteilt wird.
Der zweite Vcrbcsscrnngsvorschlag des Entwurfes bezweckt eine anderweite
Regelung der Gcschäftsbchandlung bei den Kollegialgcrichten. Die Sicherung
der richterlichen Unabhängigkeit, allerdings eine der Hauptstützen der Rechts¬
sicherheit im Staate, ist in unsern Justizgesetzcn derart ans die Spitze getrieben,
daß die Justizverwciltnng fast ganz beiseite geschoben ist; namentlich waren zu
diesem Zwecke die sogenannten Präsidien der kollegialischer Gerichte (bestehend
aus dem Präsidenten, den Direktoren oder Senatspräsidentcn und dem ältesten
oder den beiden ältesten Gerichtsmitgliedern) geschaffen und diesen die Befugnis
gegeben worden, die Gerichtsmitglieder auf die einzelnen Kammern oder Senate zu
verteilen, eine Einrichtung, welche in keiner einzigen Gesetzgebung ein Vorbild hatte.
Die Klagen über die Rechtsprechung der Strafkammern haben nun zu der Wahr¬
nehmung geführt, daß die Zusammensetzung der Strafkammern mangelhaft ist,
und der preußische Justizminister sah sich deshalb bereits 1882 uuter allge¬
meinem Beifall veranlaßt, die Präsidenten der Oberlandesgcrichte darauf auf¬
merksam zu machen, daß man den Strafkammern vielfach die weniger brauch¬
baren Elemente zuzuweisen pflege, und daß dem berechtigten Verlangen, einzelne
Richter nicht ausschließlich in Zivil- oder Strafsachen zu beschäftigen, Rechnung
zu tragen sei. „Die Präsidien — sagt die Begründung des hier besprochenen
Entwurfs — werden regelmäßig der Gefahr ausgesetzt sein, persönliche Wünsche,
sowie Rücksichten auf ihnen nahestehende Kollegen allzusehr in Rechnung zu
ziehen; sie sind selbst auf das lebhafteste dabei interessirt, als Genossen ihrer
Arbeit möglichst ihnen sympathische Richter zu erwählen, und können dies In¬
teresse umso freier verfolgen, als alle Anordnungen unter dem Namen des
kollegialischer Präsidiums ergehen. So kann es nicht befremden, wenn die
Anordnungen der Präsidien, auch abgesehen von den auf die Bildung der
Strafkammern bezüglichen Verfügungen, in vielen Fällen Anlaß zur Beschwerde
gegeben haben." Es sollen daher die Präsidien beseitigt und die Bildung der
Senate und Kammern der Justizverwaltung übertragen werden, welche auch
den Stellvertreter des Kammerpräsidenten zu bestimmen hätten, während jetzt
das älteste Kammcrmitglied diese Stellvertretung ausübt, woher es kommt, daß
der Vorsitz häufig in die Hände von Richtern kommt, welche, weil sie sich nicht
zum Vorsitzenden eignen, nicht zu Direktoren oder Senatspräsidenten ernannt
werden konnten. Es handelt sich also hier um eine Änderung des Gesetzes,
welche nach der Begründung nur als Verbesserung anzusehen ist, der richter¬
lichen Unabhängigkeit in keiner Weise zu nahe treten, sondern sie im Gegenteil
durch Beseitigung unberechtigter Einflüsse erhöhen, gleichzeitig aber für eine
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