Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Der Verfasser dieses Aufsatzes weiß genau, daß schon bei Erlaß des Münz- Der Wert, welchen die Ausprägung von 2 ^-Pfennigstücken für das bürger¬ Man wird wahrscheinlich sagen: wie kleinlich! Wie kann es unserm Ge¬ Grenzbvt^it IV. 1885. 79
Der Verfasser dieses Aufsatzes weiß genau, daß schon bei Erlaß des Münz- Der Wert, welchen die Ausprägung von 2 ^-Pfennigstücken für das bürger¬ Man wird wahrscheinlich sagen: wie kleinlich! Wie kann es unserm Ge¬ Grenzbvt^it IV. 1885. 79
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0633" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197367"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2177"> Der Verfasser dieses Aufsatzes weiß genau, daß schon bei Erlaß des Münz-<lb/> gesetzes diese Frage zwischen einzelnen Reichstagsmitgliedern erwogen wurde.<lb/> Da diese aber nicht zu den wirtschaftlichen Autoritäten des Reichstages gehörten,<lb/> so wagten sie sich nicht mit einem Antrage heraus. Die Erfahrung hat indessen<lb/> bestätigt, daß die schon damals von ihnen gehegten Befürchtungen nicht ohne<lb/> Grund waren. Dadurch, daß die kleinste geprägte Münze einen höhern Wert<lb/> bekommen hat, ist das Leben, zumal für den geringen Mann, durchweg teurer<lb/> geworden. Der frühere Pfennig betrug in Norddeutschland den 360sten, in<lb/> Süddeutschland sogar nur deu 420sten Teil eiues Thalers. Der jetzige Pfennig<lb/> beträgt deu 3V0sten desselben. Bei kleinen Ausgaben müssen also alle Werte,<lb/> die man früher mit i/.^ oder Thaler vollzählig machte, jetzt mit<lb/> Thaler ausgefüllt werden. Unzählige Lebensbedürfnisse des täglichen Gebrauchs<lb/> schwanken in ihren Einheitspreisen innerhalb weniger Pfennige. Der geringe<lb/> Mann ist aber häufig in der Lage, Gegenstände dieser Art in noch kleinern Beträgen<lb/> als denjenigen, für welche die Einheitspreise bestimmt sind, anzukaufen. Läßt<lb/> sich nun der Bruchteil, welchen derselbe kanst, nicht in ganzen Pfennigen be¬<lb/> rechnen, so muß er für deu überschießenden Bruchteil eines Pfennigs einen<lb/> ganzen Pfennig bezahlen. Je größer der Wert des Pfennigs ist, umso größer<lb/> stellt sich daher auch der Verlust, den er durch diesen zuzusetzenden Bruchteil<lb/> des Pfennigs leidet. Vor noch nicht langer Zeit wurde in einer süddeutschen<lb/> Korrespondenz (welche auch die norddeutsche Allgemeine Zeitung wiedergab)<lb/> eine ganze Reihe von Lebensbedürfnissen aufgeführt, welche auf diese Weise im<lb/> Kleincmknufe wesentlich verteuert werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2178"> Der Wert, welchen die Ausprägung von 2 ^-Pfennigstücken für das bürger¬<lb/> liche Leben, namentlich für die untern Schichten unsers Volkes, haben würde,<lb/> liegt also nicht bloß darin, daß wieder die — nnn einmal für das gewöhnliche<lb/> Leben viel natürlichere — Vierteilung des Zehnpfenuigstückcs gegeben wäre,<lb/> sondern zugleich darin, daß man als geringste Teilmünze den halben Pfennig<lb/> gewönne. Denn wenn neben den 2^-Pfennigstücken zugleich Einpfennigstücke<lb/> in zureichender Weise vorhanden sind, so kann man mit dem 2 ^-Pfennigstück<lb/> in Verbindung mit der Zugabe oder Herausgabe von Einpfennigstücken jede be¬<lb/> liebige Summe bis auf einen halben Pfennig berichtigen; und der kleinste reell<lb/> bezahlbare Betrag wäre nicht mehr der Pfennig, sondern der halbe Pfennig.</p><lb/> <p xml:id="ID_2179" next="#ID_2180"> Man wird wahrscheinlich sagen: wie kleinlich! Wie kann es unserm Ge¬<lb/> schäftsleben auf so geringe Beträge ankommen? Ja, dem Bankier gewiß nicht.<lb/> Nichts würde diesen auch hindern, seine Bücher, wie bisher, nur nach ganzen<lb/> Pfennigen zu führen. Unsre Wohlhabenden stellen sich aber nur allzuleicht ans<lb/> den Standpunkt jener Prinzessin, welche, als sie beim Ausbruch einer Hungersnot<lb/> hörte, daß die armen Leute kein Brot hätten, sich darüber wunderte, warum<lb/> die Leute nicht Bisknitchen äßen, da die doch so wohlfeil seien. Dem kleinen<lb/> Manne kommt es allerdings darauf an, wenn er Tag für Tag seine unentbehr-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbvt^it IV. 1885. 79</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0633]
Der Verfasser dieses Aufsatzes weiß genau, daß schon bei Erlaß des Münz-
gesetzes diese Frage zwischen einzelnen Reichstagsmitgliedern erwogen wurde.
Da diese aber nicht zu den wirtschaftlichen Autoritäten des Reichstages gehörten,
so wagten sie sich nicht mit einem Antrage heraus. Die Erfahrung hat indessen
bestätigt, daß die schon damals von ihnen gehegten Befürchtungen nicht ohne
Grund waren. Dadurch, daß die kleinste geprägte Münze einen höhern Wert
bekommen hat, ist das Leben, zumal für den geringen Mann, durchweg teurer
geworden. Der frühere Pfennig betrug in Norddeutschland den 360sten, in
Süddeutschland sogar nur deu 420sten Teil eiues Thalers. Der jetzige Pfennig
beträgt deu 3V0sten desselben. Bei kleinen Ausgaben müssen also alle Werte,
die man früher mit i/.^ oder Thaler vollzählig machte, jetzt mit
Thaler ausgefüllt werden. Unzählige Lebensbedürfnisse des täglichen Gebrauchs
schwanken in ihren Einheitspreisen innerhalb weniger Pfennige. Der geringe
Mann ist aber häufig in der Lage, Gegenstände dieser Art in noch kleinern Beträgen
als denjenigen, für welche die Einheitspreise bestimmt sind, anzukaufen. Läßt
sich nun der Bruchteil, welchen derselbe kanst, nicht in ganzen Pfennigen be¬
rechnen, so muß er für deu überschießenden Bruchteil eines Pfennigs einen
ganzen Pfennig bezahlen. Je größer der Wert des Pfennigs ist, umso größer
stellt sich daher auch der Verlust, den er durch diesen zuzusetzenden Bruchteil
des Pfennigs leidet. Vor noch nicht langer Zeit wurde in einer süddeutschen
Korrespondenz (welche auch die norddeutsche Allgemeine Zeitung wiedergab)
eine ganze Reihe von Lebensbedürfnissen aufgeführt, welche auf diese Weise im
Kleincmknufe wesentlich verteuert werden.
Der Wert, welchen die Ausprägung von 2 ^-Pfennigstücken für das bürger¬
liche Leben, namentlich für die untern Schichten unsers Volkes, haben würde,
liegt also nicht bloß darin, daß wieder die — nnn einmal für das gewöhnliche
Leben viel natürlichere — Vierteilung des Zehnpfenuigstückcs gegeben wäre,
sondern zugleich darin, daß man als geringste Teilmünze den halben Pfennig
gewönne. Denn wenn neben den 2^-Pfennigstücken zugleich Einpfennigstücke
in zureichender Weise vorhanden sind, so kann man mit dem 2 ^-Pfennigstück
in Verbindung mit der Zugabe oder Herausgabe von Einpfennigstücken jede be¬
liebige Summe bis auf einen halben Pfennig berichtigen; und der kleinste reell
bezahlbare Betrag wäre nicht mehr der Pfennig, sondern der halbe Pfennig.
Man wird wahrscheinlich sagen: wie kleinlich! Wie kann es unserm Ge¬
schäftsleben auf so geringe Beträge ankommen? Ja, dem Bankier gewiß nicht.
Nichts würde diesen auch hindern, seine Bücher, wie bisher, nur nach ganzen
Pfennigen zu führen. Unsre Wohlhabenden stellen sich aber nur allzuleicht ans
den Standpunkt jener Prinzessin, welche, als sie beim Ausbruch einer Hungersnot
hörte, daß die armen Leute kein Brot hätten, sich darüber wunderte, warum
die Leute nicht Bisknitchen äßen, da die doch so wohlfeil seien. Dem kleinen
Manne kommt es allerdings darauf an, wenn er Tag für Tag seine unentbehr-
Grenzbvt^it IV. 1885. 79
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