Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Selbst gleichsam auszulöschen und nur die Dinge reden, die mächtigen Kräfte er Daß Ranke gerade dieser Periode seine Thätigkeit zuwandte, ist nicht von Aus der Gesamtheit der Schriften Rankes verdienen vor allen andern Selbst gleichsam auszulöschen und nur die Dinge reden, die mächtigen Kräfte er Daß Ranke gerade dieser Periode seine Thätigkeit zuwandte, ist nicht von Aus der Gesamtheit der Schriften Rankes verdienen vor allen andern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0582" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197316"/> <p xml:id="ID_1919" prev="#ID_1918"> Selbst gleichsam auszulöschen und nur die Dinge reden, die mächtigen Kräfte er<lb/> scheinen zu lassen." Beim ersten Bekanntwerden dieses Werkes ist allerdings nicht<lb/> von allen Seiten Beifall zu vernehmen gewesen. Die damals herrschende Hegel'sche<lb/> Richtung konnte sich mit dieser Forschung nicht befreunden. Die in Halle erschei¬<lb/> nenden „Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik" brachten eine im höchsten Maße<lb/> absprechende Rezension. Aber der Lauf der Zeit hat dieses Urteil Lügen<lb/> gestraft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1920"> Daß Ranke gerade dieser Periode seine Thätigkeit zuwandte, ist nicht von<lb/> einem Spiel des Zufalls abhängig gewesen. In Leipzig hatte er ja uicht nur<lb/> philologischen, sondern anch theologischen Studien obgelegen. Aber er hatte<lb/> sich nicht damit begnügt, ans den Vorlesungen seine Kenntnisse zu bereichern,<lb/> sondern war anch bestrebt gewesen, ans den Quellen selbst zu schöpfen. Das<lb/> Studium der Werke Luthers erweckte in dem jungen Studenten den Plan, ein<lb/> Werk unter dem Titel: „Martin Luthers Evangelium" zu schreiben. Wie er sich<lb/> in seinen Stoff vertieft hatte, zeigte er schon damals in einer Disputation mit<lb/> seinem jüngern Bruder Friedrich Heinrich über die lutherische Abendmahlslehre<lb/> bei der dieser von dem Feuer des Bruders so ergriffen wurde, daß er ausrief:<lb/> „Da wirst du ja eine Säule der Kirche werden!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1921"> Aus der Gesamtheit der Schriften Rankes verdienen vor allen andern<lb/> noch hervorgehoben zu werden die 1829 erschienene „serbische Revolution"<lb/> und die „Geschichte Wallensteins." Durch die erstere ist Nantes Ruf als<lb/> Historiker begründet worden. Nicht daß er die Aufmerksamkeit Goethes auf sich<lb/> gelenkt hätte, aber der bedeutendste damalige Historiker spendete ihm ungeteiltes<lb/> Lob. Barthold Georg Niebuhr, den Ranke selbst als seinen Lehrmeister an¬<lb/> erkannte, schrieb um den Verleger des Werkes: „Ich wünsche Ihnen großes<lb/> Glück zu Raickes Serbien, welches ich laut anpreise, wie Ihr Haus an deu<lb/> hier abgesetzten Exemplaren spüren wird. Es steht mir zu, zu sagen, daß das kleine<lb/> Buch als Historie das vortrefflichste ist, was wir in unsrer Literatur besitzen.<lb/> Ranke hat alles abgestreift, was früher in seiner Manier störte." Auch gegen¬<lb/> wärtig übt die Darstellung einen unwiderstehlichen Reiz, es milt kaum glaub¬<lb/> haft erscheinen, daß der sonst so diplomatisch znrückhnltende Ranke der Verfasser<lb/> dieser feurigen Darlegung ist, die an der Hand der unmittelbaren populären<lb/> Überlieferung ein lebendiges Bild der Erhebung der Serben gegen die türkische<lb/> Herrschaft mit unvergleichlicher Kunst einer naiven historischen Erzählung ent¬<lb/> wirft. Durch das Ganze zieht sich unverkennbar ein poetische Ader. Gerade<lb/> in jener Zeit trug Ranke sich mit der Hoffnung, auch die Palme des dra¬<lb/> matischen Dichters zu erringen. Der Kreis der Rahel, in welchem er damals<lb/> verkehrte, hatte auch ihn zu dichterischen Leistungen angeregt. Ein an Rahel ge¬<lb/> sandtes Gedicht fand deren vollen Beifall. „Welch schönes Gedicht!" schreibt<lb/> sie. „Es bewegt sich aber auch schon in einem Gedichte, und kann nur Stoff<lb/> ergreifen aus Dichtung überhaupt."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0582]
Selbst gleichsam auszulöschen und nur die Dinge reden, die mächtigen Kräfte er
scheinen zu lassen." Beim ersten Bekanntwerden dieses Werkes ist allerdings nicht
von allen Seiten Beifall zu vernehmen gewesen. Die damals herrschende Hegel'sche
Richtung konnte sich mit dieser Forschung nicht befreunden. Die in Halle erschei¬
nenden „Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik" brachten eine im höchsten Maße
absprechende Rezension. Aber der Lauf der Zeit hat dieses Urteil Lügen
gestraft.
Daß Ranke gerade dieser Periode seine Thätigkeit zuwandte, ist nicht von
einem Spiel des Zufalls abhängig gewesen. In Leipzig hatte er ja uicht nur
philologischen, sondern anch theologischen Studien obgelegen. Aber er hatte
sich nicht damit begnügt, ans den Vorlesungen seine Kenntnisse zu bereichern,
sondern war anch bestrebt gewesen, ans den Quellen selbst zu schöpfen. Das
Studium der Werke Luthers erweckte in dem jungen Studenten den Plan, ein
Werk unter dem Titel: „Martin Luthers Evangelium" zu schreiben. Wie er sich
in seinen Stoff vertieft hatte, zeigte er schon damals in einer Disputation mit
seinem jüngern Bruder Friedrich Heinrich über die lutherische Abendmahlslehre
bei der dieser von dem Feuer des Bruders so ergriffen wurde, daß er ausrief:
„Da wirst du ja eine Säule der Kirche werden!"
Aus der Gesamtheit der Schriften Rankes verdienen vor allen andern
noch hervorgehoben zu werden die 1829 erschienene „serbische Revolution"
und die „Geschichte Wallensteins." Durch die erstere ist Nantes Ruf als
Historiker begründet worden. Nicht daß er die Aufmerksamkeit Goethes auf sich
gelenkt hätte, aber der bedeutendste damalige Historiker spendete ihm ungeteiltes
Lob. Barthold Georg Niebuhr, den Ranke selbst als seinen Lehrmeister an¬
erkannte, schrieb um den Verleger des Werkes: „Ich wünsche Ihnen großes
Glück zu Raickes Serbien, welches ich laut anpreise, wie Ihr Haus an deu
hier abgesetzten Exemplaren spüren wird. Es steht mir zu, zu sagen, daß das kleine
Buch als Historie das vortrefflichste ist, was wir in unsrer Literatur besitzen.
Ranke hat alles abgestreift, was früher in seiner Manier störte." Auch gegen¬
wärtig übt die Darstellung einen unwiderstehlichen Reiz, es milt kaum glaub¬
haft erscheinen, daß der sonst so diplomatisch znrückhnltende Ranke der Verfasser
dieser feurigen Darlegung ist, die an der Hand der unmittelbaren populären
Überlieferung ein lebendiges Bild der Erhebung der Serben gegen die türkische
Herrschaft mit unvergleichlicher Kunst einer naiven historischen Erzählung ent¬
wirft. Durch das Ganze zieht sich unverkennbar ein poetische Ader. Gerade
in jener Zeit trug Ranke sich mit der Hoffnung, auch die Palme des dra¬
matischen Dichters zu erringen. Der Kreis der Rahel, in welchem er damals
verkehrte, hatte auch ihn zu dichterischen Leistungen angeregt. Ein an Rahel ge¬
sandtes Gedicht fand deren vollen Beifall. „Welch schönes Gedicht!" schreibt
sie. „Es bewegt sich aber auch schon in einem Gedichte, und kann nur Stoff
ergreifen aus Dichtung überhaupt."
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