Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Leopold von Ranke. Über den Ursprung und Anfang der neuesten Revolution und dann über das In das Parteigetriebe und die Debatten der Parteileidenschaft hinabzu¬ Aus alleu Werken, die Leopold von Ranke verfaßt hat, leuchtet sein uni¬ Leopold von Ranke. Über den Ursprung und Anfang der neuesten Revolution und dann über das In das Parteigetriebe und die Debatten der Parteileidenschaft hinabzu¬ Aus alleu Werken, die Leopold von Ranke verfaßt hat, leuchtet sein uni¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197312"/> <fw type="header" place="top"> Leopold von Ranke.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1910" prev="#ID_1909"> Über den Ursprung und Anfang der neuesten Revolution und dann über das<lb/> letzte Jahrzehnt öffentliche Vorlesungen gehalten wurden, kündigte auch Ranke im<lb/> Sommcrscmester 1850 eine Vorlesung an, in der er die neueste Zeit behandeln<lb/> wollte. Natürlich war der Standpunkt dessen, der mit Friedrich Wilhelm in<lb/> vertrautem Verkehr stand, ein ganz andrer. Ein glänzendes Denkmal warmer<lb/> Verehrung hat Ranke selbst dem kunst- und wissenschaftliebenden Monarchen<lb/> vor nicht langen Jahren gesetzt. Der König schätzte seinen Hofhistoriographcn<lb/> hoch und sprach sich dahin aus, daß es ihm unmöglich sei, ihn in ausreichendem<lb/> Maße zu ehren. Aber nicht nur den Mann der Wissenschaft achtete Friedrich<lb/> Wilhelm in ihm, sondern er war auch der Meinung, daß der, welcher die Jahr¬<lb/> hunderte ini Geiste an seinen Augen hatte vorübergehen lassen, die Fähigkeit<lb/> besitze, sein Wissen der Gegenwart zu Nutze zu machen, indem er durch Belehrung<lb/> darauf hinwirken könne, daß die Fehler der vergangnen Zeiten nun vermieden<lb/> würden. So kam es denn, daß der Professor der Geschichte in den Stantsrat<lb/> berufen wurde. Als dann in unsrer Zeit dies Institut wieder erneuert wurde,<lb/> war Ranke eines der wenigen Mitglieder, die aus den frühern Zeiten noch vor¬<lb/> handen waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1911"> In das Parteigetriebe und die Debatten der Parteileidenschaft hinabzu¬<lb/> steigen, hat Ranke stets fern gelegen, wenn er auch sonst ein warmfühlcndes<lb/> Herz für das Vaterland hatte. Mit besondrer Frende sah er auf den Auf¬<lb/> schwung, welchen das Prcußentum in unsern Tagen genommen hat. Die<lb/> großen Ereignisse der Gegenwart sind auch nicht ohne Einwirkung auf seine<lb/> neuesten Werke geblieben. Doch hat er nie daran gedacht, eine Mission des<lb/> Hoheuzvllcruhauscs gleichsam historisch zu deduziren, indem er das Vorhanden¬<lb/> sein derselben gleich bei den ersten Anfängen konstatiren zu müssen glaubte.<lb/> Geschichte nur im Hinblick auf die Gegenwart zu schreiben, schien ihm verfehlt<lb/> und nur dazu angethan, der Wahrheit selbst, um derentwillen doch jede Forschung<lb/> arbeiten soll, zu schaden. So sehen wir denn Ranke aus der Vornehmheit des<lb/> wahren Gelehrten nie herausgehen und etwa uM c-t, loro die neue Kunde ver¬<lb/> künden. Allerdings ist hieraus oft ein Tadel über einzelne seiner Werke abge¬<lb/> leitet worden. Betreffs der „Neun Bücher preußischer Geschichte" haben viele<lb/> Kritiker finden wollen, daß Ranke das Diplvmatisircn und die Zurückhaltung<lb/> gar zu weit getrieben und das Wildwachsende und Urkräftige, das in den alten<lb/> Hohenzollern und ihrer Politik liege, gar zu sichtlich gemildert habe. Aber<lb/> hieran in der Neubearbeitung der „Zwölf Bücher preußischer Geschichte" be¬<lb/> deutendes zu ändern, haben ihn selbst die großen Ereignisse der Jahre 1870/71<lb/> nicht bewegen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1912" next="#ID_1913"> Aus alleu Werken, die Leopold von Ranke verfaßt hat, leuchtet sein uni¬<lb/> versalhistorischer Charakter hervor. Schon ehe er es unternahm, eine Welt¬<lb/> geschichte in wirklich wissenschaftlicher Weise zu schreiben, wurde er der „Meister<lb/> der Universalhistorie" genannt. Und er verdient eine derartige Bezeichnung mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0578]
Leopold von Ranke.
Über den Ursprung und Anfang der neuesten Revolution und dann über das
letzte Jahrzehnt öffentliche Vorlesungen gehalten wurden, kündigte auch Ranke im
Sommcrscmester 1850 eine Vorlesung an, in der er die neueste Zeit behandeln
wollte. Natürlich war der Standpunkt dessen, der mit Friedrich Wilhelm in
vertrautem Verkehr stand, ein ganz andrer. Ein glänzendes Denkmal warmer
Verehrung hat Ranke selbst dem kunst- und wissenschaftliebenden Monarchen
vor nicht langen Jahren gesetzt. Der König schätzte seinen Hofhistoriographcn
hoch und sprach sich dahin aus, daß es ihm unmöglich sei, ihn in ausreichendem
Maße zu ehren. Aber nicht nur den Mann der Wissenschaft achtete Friedrich
Wilhelm in ihm, sondern er war auch der Meinung, daß der, welcher die Jahr¬
hunderte ini Geiste an seinen Augen hatte vorübergehen lassen, die Fähigkeit
besitze, sein Wissen der Gegenwart zu Nutze zu machen, indem er durch Belehrung
darauf hinwirken könne, daß die Fehler der vergangnen Zeiten nun vermieden
würden. So kam es denn, daß der Professor der Geschichte in den Stantsrat
berufen wurde. Als dann in unsrer Zeit dies Institut wieder erneuert wurde,
war Ranke eines der wenigen Mitglieder, die aus den frühern Zeiten noch vor¬
handen waren.
In das Parteigetriebe und die Debatten der Parteileidenschaft hinabzu¬
steigen, hat Ranke stets fern gelegen, wenn er auch sonst ein warmfühlcndes
Herz für das Vaterland hatte. Mit besondrer Frende sah er auf den Auf¬
schwung, welchen das Prcußentum in unsern Tagen genommen hat. Die
großen Ereignisse der Gegenwart sind auch nicht ohne Einwirkung auf seine
neuesten Werke geblieben. Doch hat er nie daran gedacht, eine Mission des
Hoheuzvllcruhauscs gleichsam historisch zu deduziren, indem er das Vorhanden¬
sein derselben gleich bei den ersten Anfängen konstatiren zu müssen glaubte.
Geschichte nur im Hinblick auf die Gegenwart zu schreiben, schien ihm verfehlt
und nur dazu angethan, der Wahrheit selbst, um derentwillen doch jede Forschung
arbeiten soll, zu schaden. So sehen wir denn Ranke aus der Vornehmheit des
wahren Gelehrten nie herausgehen und etwa uM c-t, loro die neue Kunde ver¬
künden. Allerdings ist hieraus oft ein Tadel über einzelne seiner Werke abge¬
leitet worden. Betreffs der „Neun Bücher preußischer Geschichte" haben viele
Kritiker finden wollen, daß Ranke das Diplvmatisircn und die Zurückhaltung
gar zu weit getrieben und das Wildwachsende und Urkräftige, das in den alten
Hohenzollern und ihrer Politik liege, gar zu sichtlich gemildert habe. Aber
hieran in der Neubearbeitung der „Zwölf Bücher preußischer Geschichte" be¬
deutendes zu ändern, haben ihn selbst die großen Ereignisse der Jahre 1870/71
nicht bewegen können.
Aus alleu Werken, die Leopold von Ranke verfaßt hat, leuchtet sein uni¬
versalhistorischer Charakter hervor. Schon ehe er es unternahm, eine Welt¬
geschichte in wirklich wissenschaftlicher Weise zu schreiben, wurde er der „Meister
der Universalhistorie" genannt. Und er verdient eine derartige Bezeichnung mit
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