Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Zur Verbesserung des Strafverfahrens. denken getragen, ihr die gesamten Amtsbefugnisse zuzuleiten, welche sie in den Nach dem regelmäßigen Gange des Verfahrens kommt nun die Anzeige Zur Verbesserung des Strafverfahrens. denken getragen, ihr die gesamten Amtsbefugnisse zuzuleiten, welche sie in den Nach dem regelmäßigen Gange des Verfahrens kommt nun die Anzeige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197208"/> <fw type="header" place="top"> Zur Verbesserung des Strafverfahrens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1523" prev="#ID_1522"> denken getragen, ihr die gesamten Amtsbefugnisse zuzuleiten, welche sie in den<lb/> Stand setzen könnten, das Vorverfahren vollständig in allen seinen Erfordernissen<lb/> durchzuführen. Man hat vielmehr angeordnet, daß die Staatsanwaltschaft nicht<lb/> nur in all den bedeutendern Fällen, in denen eine eigentliche Voruntersuchung<lb/> zu führen ist, das von ihr veranlaßte Verfahren einem richterlichen Beamten<lb/> überlassen muß (welchem das Gesetz folgewidrig nicht auch die Hilfsbeamten<lb/> unterstellt hat, deren Dienste dem Untersuchungsrichter ebensowenig entbehrlich<lb/> sind wie dem Staatsanwalt), sondern daß sie auch sonst in allen Fällen, in<lb/> welchen es sich um eine Sicherung des Beweises handelt, wie namentlich bei<lb/> Besichtigungen und bei allen Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten,<lb/> welche nicht bloß zu vorläufiger Auskunft dienen sollen, den Amtsrichter um<lb/> Diensthilse angehen muß. Ihre eignen Protokolle können niemals als Beweis¬<lb/> mittel in der Hauptverhandlung dienen, wie ja auch eine Pflicht, als Zeuge<lb/> Auskunft zu erteilen, in der Strafprozeßordnung nur gegenüber dem Richter<lb/> und nicht auch gegenüber dem Staatsanwalt verordnet ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1524" next="#ID_1525"> Nach dem regelmäßigen Gange des Verfahrens kommt nun die Anzeige<lb/> einer Strafthat unmittelbar oder, wie bei Verhafteten, durch Vermittelung des<lb/> Amtsrichters zuvörderst an den Staatsanwalt zur Entschließung darüber, ob<lb/> öffentliche Klage zu erheben sei. Liegt der Fall so klar, daß schon aus der<lb/> Anzeige sicher zu ersehen ist, eine bestimmte Person sei eines solchen Verbrechens<lb/> oder Vergehens verdächtig, welches die Eröffnung einer Voruntersuchung er¬<lb/> fordert, so stellt der Staatsanwalt seinen Antrag hierauf, und die Sache kommt<lb/> sofort in die einheitliche Leitung des Untersuchungsrichters. Schon hierüber<lb/> gehen gewöhnlich einige Tage verloren, besonders wenn es sich um Strafthaten<lb/> in entfernteren Bezirken handelt und die Übertragung der Untersuchung an<lb/> einen dortigen Amtsrichter zweckmüßig erscheint, was gesetzlich mir mittels Be¬<lb/> schlusses des Landgerichts geschehen kann. Was aber alles in den ersten Tagen<lb/> nach Verübung einer That vertuscht, verschwatzt und verwirrt werden kann, ist<lb/> schwer zu schätzen. Freilich gestattet nicht nur die Strafprozeßordnung in 163,<lb/> sondern sie gebietet sogar dem Amtsrichter, wenn Gefahr im Verzug obwaltet,<lb/> von Amtswegen die erforderlichen Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Dies<lb/> ist jedoch eine Ansnahmcbestimmnng, deren Anwendung voraussetzt, daß besondre<lb/> Umstände die Gefahr im Verzug wahrscheinlich machen, sowie daß nicht weiter<lb/> vorgeschritten werde, als eben diese Gefahr es verlangt. Gewöhnlich wird wohl<lb/> auch eine gewisse höhere Wichtigkeit des Falles erfordert, um wegen Gefahr im<lb/> Verzug einzuschreiten. So erklärt es sich, daß von der Ausnahmebestimmung<lb/> des Z 163 verhältnismäßig selten Gebrauch gemacht wird, und dies entspricht<lb/> zwar ohne Zweifel ganz dem Sinne des Gesetzes, umsoweniger aber genügt es<lb/> dem praktischen Bedürfnisse. Sicherlich zeigt sich z. B. die Zweckmäßigkeit unsers<lb/> Verfahrens in einem wenig günstigen Lichte, wenn bei einer Rauferei mit leichterer<lb/> Körperverletzung, wie sie tagtäglich vorkommen, ohne wichtig genug zu erscheinen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
Zur Verbesserung des Strafverfahrens.
denken getragen, ihr die gesamten Amtsbefugnisse zuzuleiten, welche sie in den
Stand setzen könnten, das Vorverfahren vollständig in allen seinen Erfordernissen
durchzuführen. Man hat vielmehr angeordnet, daß die Staatsanwaltschaft nicht
nur in all den bedeutendern Fällen, in denen eine eigentliche Voruntersuchung
zu führen ist, das von ihr veranlaßte Verfahren einem richterlichen Beamten
überlassen muß (welchem das Gesetz folgewidrig nicht auch die Hilfsbeamten
unterstellt hat, deren Dienste dem Untersuchungsrichter ebensowenig entbehrlich
sind wie dem Staatsanwalt), sondern daß sie auch sonst in allen Fällen, in
welchen es sich um eine Sicherung des Beweises handelt, wie namentlich bei
Besichtigungen und bei allen Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten,
welche nicht bloß zu vorläufiger Auskunft dienen sollen, den Amtsrichter um
Diensthilse angehen muß. Ihre eignen Protokolle können niemals als Beweis¬
mittel in der Hauptverhandlung dienen, wie ja auch eine Pflicht, als Zeuge
Auskunft zu erteilen, in der Strafprozeßordnung nur gegenüber dem Richter
und nicht auch gegenüber dem Staatsanwalt verordnet ist.
Nach dem regelmäßigen Gange des Verfahrens kommt nun die Anzeige
einer Strafthat unmittelbar oder, wie bei Verhafteten, durch Vermittelung des
Amtsrichters zuvörderst an den Staatsanwalt zur Entschließung darüber, ob
öffentliche Klage zu erheben sei. Liegt der Fall so klar, daß schon aus der
Anzeige sicher zu ersehen ist, eine bestimmte Person sei eines solchen Verbrechens
oder Vergehens verdächtig, welches die Eröffnung einer Voruntersuchung er¬
fordert, so stellt der Staatsanwalt seinen Antrag hierauf, und die Sache kommt
sofort in die einheitliche Leitung des Untersuchungsrichters. Schon hierüber
gehen gewöhnlich einige Tage verloren, besonders wenn es sich um Strafthaten
in entfernteren Bezirken handelt und die Übertragung der Untersuchung an
einen dortigen Amtsrichter zweckmüßig erscheint, was gesetzlich mir mittels Be¬
schlusses des Landgerichts geschehen kann. Was aber alles in den ersten Tagen
nach Verübung einer That vertuscht, verschwatzt und verwirrt werden kann, ist
schwer zu schätzen. Freilich gestattet nicht nur die Strafprozeßordnung in 163,
sondern sie gebietet sogar dem Amtsrichter, wenn Gefahr im Verzug obwaltet,
von Amtswegen die erforderlichen Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Dies
ist jedoch eine Ansnahmcbestimmnng, deren Anwendung voraussetzt, daß besondre
Umstände die Gefahr im Verzug wahrscheinlich machen, sowie daß nicht weiter
vorgeschritten werde, als eben diese Gefahr es verlangt. Gewöhnlich wird wohl
auch eine gewisse höhere Wichtigkeit des Falles erfordert, um wegen Gefahr im
Verzug einzuschreiten. So erklärt es sich, daß von der Ausnahmebestimmung
des Z 163 verhältnismäßig selten Gebrauch gemacht wird, und dies entspricht
zwar ohne Zweifel ganz dem Sinne des Gesetzes, umsoweniger aber genügt es
dem praktischen Bedürfnisse. Sicherlich zeigt sich z. B. die Zweckmäßigkeit unsers
Verfahrens in einem wenig günstigen Lichte, wenn bei einer Rauferei mit leichterer
Körperverletzung, wie sie tagtäglich vorkommen, ohne wichtig genug zu erscheinen,
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