Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.vor serbisch-bulgarischeMrieg. die Provinz Ostrumelien nahm, und wegen des gestörten Gleichgewichts der Balkan- vor serbisch-bulgarischeMrieg. die Provinz Ostrumelien nahm, und wegen des gestörten Gleichgewichts der Balkan- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0448" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197182"/> <fw type="header" place="top"> vor serbisch-bulgarischeMrieg.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1434" prev="#ID_1433" next="#ID_1435"> die Provinz Ostrumelien nahm, und wegen des gestörten Gleichgewichts der Balkan-<lb/> staaten führen. Sie haben dabei aber zweifellos mehr eine Grenzberichtiguug<lb/> im Auge. Was sie damit meinen, ist eine bessere Begrenzung ihres Landes<lb/> gegen Bulgarien hin, als die jetzige, welche, wie die Karte zeigt, sich im Zickzack<lb/> hinzieht und in keiner Weise den Interessen und den naturgemäßen Ansprüchen<lb/> der Serben entspricht. Was die letzteren erstreben, ist eine möglichst gerade<lb/> und bestimmte Linie, die sich an die natürlichen Verhältnisse und an den<lb/> ethnographischen Charakter der Greuzdistrikte anschließt. Die Serben behaupten,<lb/> daß die Kreise Widdin, Trn und Bresnik, welche sie 1878 schon in den Händen<lb/> hatten, aber auf Grund des Berliner Friedensvertrages räumen und an<lb/> Bulgarien überlassen mußten, von einer Bevölkerung serbischen Stammes bewohnt<lb/> seien, wie mit der Sprache und den Sitten derselben klar zu beweisen sei. Die<lb/> Willkürlichkeit der jetzigen Grenze sei unter anderm bei Zaribrvd zu ersehen, wo<lb/> sie quer durch die dortige große Ebne gehe, ohne irgendwelche natürliche<lb/> Merkmale zu haben. Rückte man sie weiter bis in das Hügelland von Trn<lb/> und Bresnik vor, so würde der Engpaß drei Stunden Weges vor Sofia eine<lb/> natürliche Grenzscheide bilden. Weiter nach Norden hin, wo Bulgarien mit<lb/> dem Bezirke von Widdin in Serbien hineinrage, bilde zwar an der Donau<lb/> der untere Lauf des Tinot und weiterhin ein Nebenfluß des letzteren eine<lb/> gewisse Abgrenzung, aber nur im Frühling, im Herbst und im Winter; denn<lb/> diese Gewässer trockneten im Sommer ein, sodaß sie leicht zu Passiren wären,<lb/> und so sei es häufig vorgekommen, daß Serbien aus dem Widdiner Winkel,<lb/> besonders von Adlije oder Kuka her, durch bulgarische Banden beunruhigt<lb/> worden sei. Das Dorf Bregowo jenseits des Tinot sei nach dem Berliner<lb/> Frieden von der gemischten Kommission zur Absteckung der Grenze den Serben<lb/> zugesprochen worden, gleichwohl hätten es im vorigen Jahre bulgarische<lb/> Truppen besetzt und die serbische Grenzwache vertrieben. Es war vergebens,<lb/> als die Regierung des Königs Milan gegen diesen Gewaltakt Verwahrung ein¬<lb/> legte und schließlich den diplomatischen Verkehr mit der Regierung abbrach und<lb/> bis jetzt nicht wieder anknüpfte. Endlich hatte Serbien noch insofern von der<lb/> Unfreundlichkeit der bulgarischen Nachbarn zu leiden, als auf deren Boden<lb/> wiederholt serbische Verschwörer Zuflucht, Schutz und Unterstützung gegen ihre<lb/> Regierung fanden. Das Haupt der serbischen Radikalen, Paschitsch, floh, nachdem<lb/> der Aufstand, den er 1883 versucht hatte, mißlungen war, nach Widdin und bildete<lb/> dort mehrmals Banden zu einem Einfalle in das Gebiet des Königreiches. Er<lb/> selbst besaß kein Vermögen, und woher nahm er da die Mittel zur Bewaffnung<lb/> und zum Unterhalt seiner Leute? Unzweifelhaft bekam er sie von der Regierung<lb/> der getreuen Nachbarn in Bulgarien. Wenigstens waren die Gewehre der<lb/> letzten Bande aus den ärarischen Depots in Sofia. Der Bandenführer Peko<lb/> Pawlowitsch ferner hatte, weil er in der Herzegowina gegen die Türken gekämpft,<lb/> von der serbischen Regierung in den neuerworbenen Landesteilen ein Stück</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0448]
vor serbisch-bulgarischeMrieg.
die Provinz Ostrumelien nahm, und wegen des gestörten Gleichgewichts der Balkan-
staaten führen. Sie haben dabei aber zweifellos mehr eine Grenzberichtiguug
im Auge. Was sie damit meinen, ist eine bessere Begrenzung ihres Landes
gegen Bulgarien hin, als die jetzige, welche, wie die Karte zeigt, sich im Zickzack
hinzieht und in keiner Weise den Interessen und den naturgemäßen Ansprüchen
der Serben entspricht. Was die letzteren erstreben, ist eine möglichst gerade
und bestimmte Linie, die sich an die natürlichen Verhältnisse und an den
ethnographischen Charakter der Greuzdistrikte anschließt. Die Serben behaupten,
daß die Kreise Widdin, Trn und Bresnik, welche sie 1878 schon in den Händen
hatten, aber auf Grund des Berliner Friedensvertrages räumen und an
Bulgarien überlassen mußten, von einer Bevölkerung serbischen Stammes bewohnt
seien, wie mit der Sprache und den Sitten derselben klar zu beweisen sei. Die
Willkürlichkeit der jetzigen Grenze sei unter anderm bei Zaribrvd zu ersehen, wo
sie quer durch die dortige große Ebne gehe, ohne irgendwelche natürliche
Merkmale zu haben. Rückte man sie weiter bis in das Hügelland von Trn
und Bresnik vor, so würde der Engpaß drei Stunden Weges vor Sofia eine
natürliche Grenzscheide bilden. Weiter nach Norden hin, wo Bulgarien mit
dem Bezirke von Widdin in Serbien hineinrage, bilde zwar an der Donau
der untere Lauf des Tinot und weiterhin ein Nebenfluß des letzteren eine
gewisse Abgrenzung, aber nur im Frühling, im Herbst und im Winter; denn
diese Gewässer trockneten im Sommer ein, sodaß sie leicht zu Passiren wären,
und so sei es häufig vorgekommen, daß Serbien aus dem Widdiner Winkel,
besonders von Adlije oder Kuka her, durch bulgarische Banden beunruhigt
worden sei. Das Dorf Bregowo jenseits des Tinot sei nach dem Berliner
Frieden von der gemischten Kommission zur Absteckung der Grenze den Serben
zugesprochen worden, gleichwohl hätten es im vorigen Jahre bulgarische
Truppen besetzt und die serbische Grenzwache vertrieben. Es war vergebens,
als die Regierung des Königs Milan gegen diesen Gewaltakt Verwahrung ein¬
legte und schließlich den diplomatischen Verkehr mit der Regierung abbrach und
bis jetzt nicht wieder anknüpfte. Endlich hatte Serbien noch insofern von der
Unfreundlichkeit der bulgarischen Nachbarn zu leiden, als auf deren Boden
wiederholt serbische Verschwörer Zuflucht, Schutz und Unterstützung gegen ihre
Regierung fanden. Das Haupt der serbischen Radikalen, Paschitsch, floh, nachdem
der Aufstand, den er 1883 versucht hatte, mißlungen war, nach Widdin und bildete
dort mehrmals Banden zu einem Einfalle in das Gebiet des Königreiches. Er
selbst besaß kein Vermögen, und woher nahm er da die Mittel zur Bewaffnung
und zum Unterhalt seiner Leute? Unzweifelhaft bekam er sie von der Regierung
der getreuen Nachbarn in Bulgarien. Wenigstens waren die Gewehre der
letzten Bande aus den ärarischen Depots in Sofia. Der Bandenführer Peko
Pawlowitsch ferner hatte, weil er in der Herzegowina gegen die Türken gekämpft,
von der serbischen Regierung in den neuerworbenen Landesteilen ein Stück
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