Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Berlin, wie es wächst und verschlingt. kommen. Von der größten Wirksamkeit aber dafür, in den Berlinern das Man hat mit dem Ringe, den die Stadtbahn um Berlin her beschreibt, Berlin, wie es wächst und verschlingt. kommen. Von der größten Wirksamkeit aber dafür, in den Berlinern das Man hat mit dem Ringe, den die Stadtbahn um Berlin her beschreibt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197163"/> <fw type="header" place="top"> Berlin, wie es wächst und verschlingt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1395" prev="#ID_1394"> kommen. Von der größten Wirksamkeit aber dafür, in den Berlinern das<lb/> tiefgewurzelte Vorurteil gegen das „Draußenwvhnen" zu zerstören und dem ge¬<lb/> waltigen Zuge der Zeit gegen die Peripherie hiu zu Hilfe zu kommen, hat sich<lb/> schon heute die Stadtbahn erwiesen und wird in dieser Hinsicht noch von ganz<lb/> andrer Bedeutung werden. Es ist mehr als ein halbkindischer, harmloser Ein¬<lb/> fall, wenn der Kladderadatsch um die Zeit der Eröffnung das Verschen brachte:<lb/> „Stadtbahuzug, Anschlußzug, Vorortzug. Nvrdringzug, Südringzug — ist denn<lb/> das noch nicht genug?" Die kolossale Vielseitigkeit und Großartigkeit des ganzen<lb/> Betriebes wird vielmehr hierdurch glücklich genug augedeutet. Mit ihren weit<lb/> über zwanzig Stationen, ihren von zehn zu zehn Minuten auf einander folgenden<lb/> Zügen, ihrer gegen die Passagiere ausgeübten Nötigung zu eigner Obsorge und<lb/> selbständigem Studium der Zielpunkte und Verbindungen ist sie zu einer ganz<lb/> eigenartigen Erscheinung des Berliner Lebens geworden, welche heute schon den<lb/> einschneidendsten Einfluß auf eine Menge von Verhältnissen übt und einen<lb/> immermehr wachsenden gewinne» wird. Für einen wie großartigen Fortschritt<lb/> galt es nicht, als die Pferdebahn ihre Verbindungslinie um die innere Stadt<lb/> her schuf, und man „ohne umzusteigen" vom Landsberger Thore zum Branden¬<lb/> burger Thore kommen konnte! Jetzt schwingt sich, eine halbe Meile bis eine<lb/> Meile von dieser innern Linie entfernt, die Eisenbahn um Berlin, zieht<lb/> außerdem mitten hindurch und mündet obendrein noch auf fünf Berliner Peri¬<lb/> pherie-Bahnhöfen ein, so jede wünschenswerte Verbindung herstellend. Doch<lb/> nein — nicht jede. Bedürfnis reiht sich an Bedürfnis, und jede Befriedigung<lb/> des einen läßt sofort das andre umso schärfer hervortreten. Noch fehlen die<lb/> Querverbindungen, und da dies dem Publikum zunächst hinsichtlich des ver¬<lb/> kehrsbedürftigen und leistungsfähigen Südwesten zum Bewußtsein gekommen ist,<lb/> so sagt man nun: es fehlt eine Querverbindung von einer der Tiergartenstationen<lb/> direkt mit dem Potsdamer und AnHalter Bahnhof und vielleicht noch weiter in<lb/> die Stadt hinein, um für diese Fahrten den Umweg über Charlottenburg-Westend<lb/> und weiterhin über Friedenau zu ersparen. Von einem bestimmten „Projekte"<lb/> zur Ausfüllung dieser „Lücke" (die sicherlich im Bewußtsein des Publikums sehr<lb/> bald ihre Schwestern bekommen wird) ist zwar noch keine Rede, aber die Sache<lb/> wird so lebhaft besprochen, daß man wohl sagen darf, sie sei bereits aus dem<lb/> Reiche der „Ideen" heraus in das der „Vorbesprechungen" getreten. Wir geben<lb/> fünf Jahre Zeit, dann wird auch diese Linie gebaut sein; neue Stadtbahnlinien<lb/> werden vom Tiergarten her die auf den Potsdamer Platz mündenden stolzen<lb/> Straßen durchbrochen haben, und aus dem Süden und Südwesten wird man<lb/> direkt auf die Stadtbahn- und Nordringstationen im Tiergarten fahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1396" next="#ID_1397"> Man hat mit dem Ringe, den die Stadtbahn um Berlin her beschreibt,<lb/> ziemlich weit hinansgegriffen, sodaß für die allernächste Zeit ein Hinauswachsen<lb/> Berlins über denselben nicht zu besorgen ist. Zur Zeit ist „Berlin" noch<lb/> iiberall innerhalb desselben, und für das nächste Menschenalter ist auch Raum</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0429]
Berlin, wie es wächst und verschlingt.
kommen. Von der größten Wirksamkeit aber dafür, in den Berlinern das
tiefgewurzelte Vorurteil gegen das „Draußenwvhnen" zu zerstören und dem ge¬
waltigen Zuge der Zeit gegen die Peripherie hiu zu Hilfe zu kommen, hat sich
schon heute die Stadtbahn erwiesen und wird in dieser Hinsicht noch von ganz
andrer Bedeutung werden. Es ist mehr als ein halbkindischer, harmloser Ein¬
fall, wenn der Kladderadatsch um die Zeit der Eröffnung das Verschen brachte:
„Stadtbahuzug, Anschlußzug, Vorortzug. Nvrdringzug, Südringzug — ist denn
das noch nicht genug?" Die kolossale Vielseitigkeit und Großartigkeit des ganzen
Betriebes wird vielmehr hierdurch glücklich genug augedeutet. Mit ihren weit
über zwanzig Stationen, ihren von zehn zu zehn Minuten auf einander folgenden
Zügen, ihrer gegen die Passagiere ausgeübten Nötigung zu eigner Obsorge und
selbständigem Studium der Zielpunkte und Verbindungen ist sie zu einer ganz
eigenartigen Erscheinung des Berliner Lebens geworden, welche heute schon den
einschneidendsten Einfluß auf eine Menge von Verhältnissen übt und einen
immermehr wachsenden gewinne» wird. Für einen wie großartigen Fortschritt
galt es nicht, als die Pferdebahn ihre Verbindungslinie um die innere Stadt
her schuf, und man „ohne umzusteigen" vom Landsberger Thore zum Branden¬
burger Thore kommen konnte! Jetzt schwingt sich, eine halbe Meile bis eine
Meile von dieser innern Linie entfernt, die Eisenbahn um Berlin, zieht
außerdem mitten hindurch und mündet obendrein noch auf fünf Berliner Peri¬
pherie-Bahnhöfen ein, so jede wünschenswerte Verbindung herstellend. Doch
nein — nicht jede. Bedürfnis reiht sich an Bedürfnis, und jede Befriedigung
des einen läßt sofort das andre umso schärfer hervortreten. Noch fehlen die
Querverbindungen, und da dies dem Publikum zunächst hinsichtlich des ver¬
kehrsbedürftigen und leistungsfähigen Südwesten zum Bewußtsein gekommen ist,
so sagt man nun: es fehlt eine Querverbindung von einer der Tiergartenstationen
direkt mit dem Potsdamer und AnHalter Bahnhof und vielleicht noch weiter in
die Stadt hinein, um für diese Fahrten den Umweg über Charlottenburg-Westend
und weiterhin über Friedenau zu ersparen. Von einem bestimmten „Projekte"
zur Ausfüllung dieser „Lücke" (die sicherlich im Bewußtsein des Publikums sehr
bald ihre Schwestern bekommen wird) ist zwar noch keine Rede, aber die Sache
wird so lebhaft besprochen, daß man wohl sagen darf, sie sei bereits aus dem
Reiche der „Ideen" heraus in das der „Vorbesprechungen" getreten. Wir geben
fünf Jahre Zeit, dann wird auch diese Linie gebaut sein; neue Stadtbahnlinien
werden vom Tiergarten her die auf den Potsdamer Platz mündenden stolzen
Straßen durchbrochen haben, und aus dem Süden und Südwesten wird man
direkt auf die Stadtbahn- und Nordringstationen im Tiergarten fahren.
Man hat mit dem Ringe, den die Stadtbahn um Berlin her beschreibt,
ziemlich weit hinansgegriffen, sodaß für die allernächste Zeit ein Hinauswachsen
Berlins über denselben nicht zu besorgen ist. Zur Zeit ist „Berlin" noch
iiberall innerhalb desselben, und für das nächste Menschenalter ist auch Raum
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