Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Notizen. sich das bei jeder Partikularistischen Regung wiederholt, dem Fremden mißtrauisch Das Herz möchte sich einem über solche Sachen im Leibe umdrehen; unser Diese Ablenkung seiner eignen urwüchsigen Anschauungen und diese Verdrehung Dabei gilt es aber nicht das Welfentum zu bekämpfen, sondern es dürfte die
Insbesondre der "Hannöversche Courier," ein Blatt, über das eine große Zahl Eine Bekämpfung der nationalliberalen Partei würde die Sache der Konser¬ Notizen. sich das bei jeder Partikularistischen Regung wiederholt, dem Fremden mißtrauisch Das Herz möchte sich einem über solche Sachen im Leibe umdrehen; unser Diese Ablenkung seiner eignen urwüchsigen Anschauungen und diese Verdrehung Dabei gilt es aber nicht das Welfentum zu bekämpfen, sondern es dürfte die
Insbesondre der „Hannöversche Courier," ein Blatt, über das eine große Zahl Eine Bekämpfung der nationalliberalen Partei würde die Sache der Konser¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197140"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1314" prev="#ID_1313"> sich das bei jeder Partikularistischen Regung wiederholt, dem Fremden mißtrauisch<lb/> entgegen und steht unbewußt, ihrer konservativen Grundanschauung entsprechend,<lb/> allen liberalisirenden Tendenzen, denen sie seit 1866 wenig förderliche, meistens<lb/> schädigende Gesetze verdankt, feindlich gegenüber; sie unterscheidet nicht zwischen<lb/> Preußen und uatioualliberalen Prcußenfreundeu! Nimmt man noch hinzu, daß<lb/> der hnunoversche Landmann kein Bierbankpolitiker ist, wie sie sonst so dicht in<lb/> Deutschland gesät sind, und nur dann in Politik „macht," beziehentlich ,,gemacht<lb/> wird," wenn die städtischen liberalen oder welfischen Apostel kommen, so hat man<lb/> den ruhigen, nrkonservativen Charakter des größten Teiles der Parteimitglieder<lb/> des sogenannten Welfentum? vor sich, dieser vielgehaßten und doch gediegnen<lb/> Partei, die wegen einiger Junker und Heißsporne mit besondern Zwecken als Reichs¬<lb/> feind und Vaterlandsverräter verschrieen worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1315"> Das Herz möchte sich einem über solche Sachen im Leibe umdrehen; unser<lb/> prächtiger Bauernstand, um den uns, soweit ihn die materielle Not der Zeit noch<lb/> nicht ruinirt hat, alle Welt beneiden könnte, ein Reichsfeind, ein Landesverräter?<lb/> Er, der konservativste aller Konservativen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1316"> Diese Ablenkung seiner eignen urwüchsigen Anschauungen und diese Verdrehung<lb/> des öffentlichen Urteils über ihn verdankt er lediglich der leidigen Politikmacherei,<lb/> in die er seit 1866 immer und immer wieder hincingezerrt worden ist. Man lasse<lb/> ihn nur mit Politik ungeschoren, gebe ihm Wortführer mit rein sachlichen Zielen<lb/> und Absichten, jedoch aus konservativer Gesinnung hervorgehend, und das Welfentum<lb/> und der unnatürliche Liberalismus verblassen und verschwinden in wenig Jahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1317"> Dabei gilt es aber nicht das Welfentum zu bekämpfen, sondern es dürfte die<lb/> Aufgabe einer richtigen Politik sein, der nationalliberaleu hannöverschen Partei und<lb/> ihrer Presse das Hetzhandwerk zu legen. Ein Pallirer mit ihnen, wie es im Inter¬<lb/> esse der Bildung einer Mittelpartei für andre Provinzen empfohlen wird, ist hier¬<lb/> zulande uicht möglich oder doch sehr wenig geraten, wenn man bessere Ziele<lb/> verfolgen will. Denn für Hannover könnte man mit Schiller über die National-<lb/> liberalen sagen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l> So lange der Kaiser diesen Friedeland<lb/> Läßt walten im Land,<lb/> Wird kein Fried' im Land!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1318"> Insbesondre der „Hannöversche Courier," ein Blatt, über das eine große Zahl<lb/> der eignen Parteigenossen selbst entrüstet ist, ist der Störenfried unsrer Provinz.<lb/> Aus thatsächlichen Gründen fast allein herrschend und deshalb als öffentliches Organ<lb/> unumgänglich, hat er von jeher alles gethan, um die Provinz seit 1866 nicht zur Ruhe<lb/> kommen zu lassen, und die Verhältnisse, die sich längst hätten festigen können, immer<lb/> wieder im Kampfe aufzurühren. Durch die der „deutsch-hannoverschen" Partei ange¬<lb/> dichtete Rcichsfeindschaft und die Phrase von der alleinseligmachende» liberalen Ten¬<lb/> denz ist Hannover in zwei, anscheinend sich ewig feindliche politische Lager gespalten,<lb/> ohne daß dieser Spaltung eine wirkliche politische Berechtigung zu gründe läge.<lb/> Denn konservative Männer, soweit sie sich überhaupt dem nationalliberaleu Terroris-<lb/> mus gegenüber eine eigue Meinung zu bilden wagen, finden sich in beiden Lagern,<lb/> obwohl sie weder in das eine noch in das andre gehören.</p><lb/> <p xml:id="ID_1319" next="#ID_1320"> Eine Bekämpfung der nationalliberalen Partei würde die Sache der Konser¬<lb/> vativen sein, und deren einfache Aufgabe würde darin bestehen, daß sie, mutig zu-<lb/> sammengeschaart, versuchen, nur Interessenpolitik zu treiben. Wie oft hat der Reichs¬<lb/> kanzler gemahnt, das leidige Politikmachcn aus Landtag und Reichstag zu verbannen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0406]
Notizen.
sich das bei jeder Partikularistischen Regung wiederholt, dem Fremden mißtrauisch
entgegen und steht unbewußt, ihrer konservativen Grundanschauung entsprechend,
allen liberalisirenden Tendenzen, denen sie seit 1866 wenig förderliche, meistens
schädigende Gesetze verdankt, feindlich gegenüber; sie unterscheidet nicht zwischen
Preußen und uatioualliberalen Prcußenfreundeu! Nimmt man noch hinzu, daß
der hnunoversche Landmann kein Bierbankpolitiker ist, wie sie sonst so dicht in
Deutschland gesät sind, und nur dann in Politik „macht," beziehentlich ,,gemacht
wird," wenn die städtischen liberalen oder welfischen Apostel kommen, so hat man
den ruhigen, nrkonservativen Charakter des größten Teiles der Parteimitglieder
des sogenannten Welfentum? vor sich, dieser vielgehaßten und doch gediegnen
Partei, die wegen einiger Junker und Heißsporne mit besondern Zwecken als Reichs¬
feind und Vaterlandsverräter verschrieen worden ist.
Das Herz möchte sich einem über solche Sachen im Leibe umdrehen; unser
prächtiger Bauernstand, um den uns, soweit ihn die materielle Not der Zeit noch
nicht ruinirt hat, alle Welt beneiden könnte, ein Reichsfeind, ein Landesverräter?
Er, der konservativste aller Konservativen!
Diese Ablenkung seiner eignen urwüchsigen Anschauungen und diese Verdrehung
des öffentlichen Urteils über ihn verdankt er lediglich der leidigen Politikmacherei,
in die er seit 1866 immer und immer wieder hincingezerrt worden ist. Man lasse
ihn nur mit Politik ungeschoren, gebe ihm Wortführer mit rein sachlichen Zielen
und Absichten, jedoch aus konservativer Gesinnung hervorgehend, und das Welfentum
und der unnatürliche Liberalismus verblassen und verschwinden in wenig Jahren.
Dabei gilt es aber nicht das Welfentum zu bekämpfen, sondern es dürfte die
Aufgabe einer richtigen Politik sein, der nationalliberaleu hannöverschen Partei und
ihrer Presse das Hetzhandwerk zu legen. Ein Pallirer mit ihnen, wie es im Inter¬
esse der Bildung einer Mittelpartei für andre Provinzen empfohlen wird, ist hier¬
zulande uicht möglich oder doch sehr wenig geraten, wenn man bessere Ziele
verfolgen will. Denn für Hannover könnte man mit Schiller über die National-
liberalen sagen:
So lange der Kaiser diesen Friedeland
Läßt walten im Land,
Wird kein Fried' im Land!
Insbesondre der „Hannöversche Courier," ein Blatt, über das eine große Zahl
der eignen Parteigenossen selbst entrüstet ist, ist der Störenfried unsrer Provinz.
Aus thatsächlichen Gründen fast allein herrschend und deshalb als öffentliches Organ
unumgänglich, hat er von jeher alles gethan, um die Provinz seit 1866 nicht zur Ruhe
kommen zu lassen, und die Verhältnisse, die sich längst hätten festigen können, immer
wieder im Kampfe aufzurühren. Durch die der „deutsch-hannoverschen" Partei ange¬
dichtete Rcichsfeindschaft und die Phrase von der alleinseligmachende» liberalen Ten¬
denz ist Hannover in zwei, anscheinend sich ewig feindliche politische Lager gespalten,
ohne daß dieser Spaltung eine wirkliche politische Berechtigung zu gründe läge.
Denn konservative Männer, soweit sie sich überhaupt dem nationalliberaleu Terroris-
mus gegenüber eine eigue Meinung zu bilden wagen, finden sich in beiden Lagern,
obwohl sie weder in das eine noch in das andre gehören.
Eine Bekämpfung der nationalliberalen Partei würde die Sache der Konser¬
vativen sein, und deren einfache Aufgabe würde darin bestehen, daß sie, mutig zu-
sammengeschaart, versuchen, nur Interessenpolitik zu treiben. Wie oft hat der Reichs¬
kanzler gemahnt, das leidige Politikmachcn aus Landtag und Reichstag zu verbannen
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