Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Birma und die Birmanen.

Aufschwung gebracht, jetzt aber wird namentlich die nach Prome führende der
Expedition General Prendergafts insofern trefflich zu statten kommen, als
sie die Nachsendung von Vorräten aller Art für die Truppen wesentlich er¬
leichtern wird.

Birma oder, wie die Eingebornen es nennen, Mrammafalong umfaßte einst
beinahe den ganzen Westen Hinterindiens bis ans Meer, ist aber seit den letzten
Eroberungen Englands in diesen Gegenden um mehr als die Hälfte seiner
frühern Ausdehnung verkleinert und vollständig zum Binnenstaate geworden.
Es besteht in der Hauptsache jetzt aus dem Stromgebiete des obern und mittlern
Jrawaddy, dem des Salueu und dem des zwischen diesen fließenden Tschittang
und hat im Osten Südwestchina und Siam zu Nachbarn, während es im Westen,
durch den Gebirgszug von Arrakan von Britisch-Birma getrennt ist und im
Nordwesten und Norden durch die Gebiete unabhängiger Stämme, die wenig
bekannt sind, begrenzt wird. Im Süden bildet der 19" 27', im Nordwesten
das Patkoigebirge am Thale des Bramcipntra die Grenze. Das ganze Reich
nimmt eine Fläche von ziemlich 9000 Quadratmeilen ein, wovon der größere
Teil auf das eigentliche Birma mit der Hauptstadt Maudalay kommt, welches
zwischen dem 19. und dem 23. ° nördlicher Breite gelegen ist. Daran schließen sich
die Nordprovinzen mit der Stadt Bhamo am Hnndelswegc nach China und im
Osten die größtenteils jenseits des Salueu gelegnen Schanstaaten, welche den
Birmanen mehr zinspflichtig als unterworfen sind, und von deren Städten wir
Kiangtong und Kianhoug als besonders bedeutend nenne" müssen. Mandalah
liegt uicht unmittelbar am Jrawaddy, sonder" ist von diesem Strome dnrch
eine Ebene getrennt. Es liegt inmitten von Morästen und besteht aus zwei
mit hohen Mauern umschlossenen Vierecken, deren innerstes der König mit seinen
Weibern und Hofbeamten bewohnt, während sich im zweiten die Häuser andrer
Beamten, Kasernen und Regierungsgebäude befinden. Außerhalb des letztern
liegen die Wohnungen der bürgerlichen Bevölkerung, der Kaufleute und Hand¬
werker und eine Anzahl von Waarenspeichern. Nicht fern von hier treffen wir
auf dem andern Ufer des Jrawaddy die ehemalige Residenz der Birmanenkönige,
Awa, das einst Ratncipura, die Jnwelenstadt, hieß und noch jetzt, von weitem
gesehen, mit den weißglänzenden und vergoldeten Zinnen seiner zahlreichen Tempel
den Eindruck der Pracht macht, aber in Wirklichkeit ein ziemlich ärmlicher Ort
ist, der höchstens ein paar Dutzend Häuser von Stein, sonst aber nur Bretter-
hütten mit Strohdächern hat. Der größte von den Tempeln ist der Logarthabu,
der aus zwei Abteilungen von völlig verschiedner Bauart besteht. Eine andre
Merkwürdigkeit Awas ist der Königspalast, der durchaus von Holz erbaut ist,
und dessen Audienzsaal wegen seiner Ausdehnung und seiner reichen Schnitzereien
gerühmt wird. Er ist auf allen Seiten offen, ausgenommen da, wo der Thron
steht, und sein Dach wird von zahlreichen Säulen getragen. Ebenfalls nicht
weit von Mcmdalay und ebenfalls auf dem linken Ufer des Jrawaddy steht


Birma und die Birmanen.

Aufschwung gebracht, jetzt aber wird namentlich die nach Prome führende der
Expedition General Prendergafts insofern trefflich zu statten kommen, als
sie die Nachsendung von Vorräten aller Art für die Truppen wesentlich er¬
leichtern wird.

Birma oder, wie die Eingebornen es nennen, Mrammafalong umfaßte einst
beinahe den ganzen Westen Hinterindiens bis ans Meer, ist aber seit den letzten
Eroberungen Englands in diesen Gegenden um mehr als die Hälfte seiner
frühern Ausdehnung verkleinert und vollständig zum Binnenstaate geworden.
Es besteht in der Hauptsache jetzt aus dem Stromgebiete des obern und mittlern
Jrawaddy, dem des Salueu und dem des zwischen diesen fließenden Tschittang
und hat im Osten Südwestchina und Siam zu Nachbarn, während es im Westen,
durch den Gebirgszug von Arrakan von Britisch-Birma getrennt ist und im
Nordwesten und Norden durch die Gebiete unabhängiger Stämme, die wenig
bekannt sind, begrenzt wird. Im Süden bildet der 19" 27', im Nordwesten
das Patkoigebirge am Thale des Bramcipntra die Grenze. Das ganze Reich
nimmt eine Fläche von ziemlich 9000 Quadratmeilen ein, wovon der größere
Teil auf das eigentliche Birma mit der Hauptstadt Maudalay kommt, welches
zwischen dem 19. und dem 23. ° nördlicher Breite gelegen ist. Daran schließen sich
die Nordprovinzen mit der Stadt Bhamo am Hnndelswegc nach China und im
Osten die größtenteils jenseits des Salueu gelegnen Schanstaaten, welche den
Birmanen mehr zinspflichtig als unterworfen sind, und von deren Städten wir
Kiangtong und Kianhoug als besonders bedeutend nenne» müssen. Mandalah
liegt uicht unmittelbar am Jrawaddy, sonder» ist von diesem Strome dnrch
eine Ebene getrennt. Es liegt inmitten von Morästen und besteht aus zwei
mit hohen Mauern umschlossenen Vierecken, deren innerstes der König mit seinen
Weibern und Hofbeamten bewohnt, während sich im zweiten die Häuser andrer
Beamten, Kasernen und Regierungsgebäude befinden. Außerhalb des letztern
liegen die Wohnungen der bürgerlichen Bevölkerung, der Kaufleute und Hand¬
werker und eine Anzahl von Waarenspeichern. Nicht fern von hier treffen wir
auf dem andern Ufer des Jrawaddy die ehemalige Residenz der Birmanenkönige,
Awa, das einst Ratncipura, die Jnwelenstadt, hieß und noch jetzt, von weitem
gesehen, mit den weißglänzenden und vergoldeten Zinnen seiner zahlreichen Tempel
den Eindruck der Pracht macht, aber in Wirklichkeit ein ziemlich ärmlicher Ort
ist, der höchstens ein paar Dutzend Häuser von Stein, sonst aber nur Bretter-
hütten mit Strohdächern hat. Der größte von den Tempeln ist der Logarthabu,
der aus zwei Abteilungen von völlig verschiedner Bauart besteht. Eine andre
Merkwürdigkeit Awas ist der Königspalast, der durchaus von Holz erbaut ist,
und dessen Audienzsaal wegen seiner Ausdehnung und seiner reichen Schnitzereien
gerühmt wird. Er ist auf allen Seiten offen, ausgenommen da, wo der Thron
steht, und sein Dach wird von zahlreichen Säulen getragen. Ebenfalls nicht
weit von Mcmdalay und ebenfalls auf dem linken Ufer des Jrawaddy steht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197130"/>
          <fw type="header" place="top"> Birma und die Birmanen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1270" prev="#ID_1269"> Aufschwung gebracht, jetzt aber wird namentlich die nach Prome führende der<lb/>
Expedition General Prendergafts insofern trefflich zu statten kommen, als<lb/>
sie die Nachsendung von Vorräten aller Art für die Truppen wesentlich er¬<lb/>
leichtern wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1271" next="#ID_1272"> Birma oder, wie die Eingebornen es nennen, Mrammafalong umfaßte einst<lb/>
beinahe den ganzen Westen Hinterindiens bis ans Meer, ist aber seit den letzten<lb/>
Eroberungen Englands in diesen Gegenden um mehr als die Hälfte seiner<lb/>
frühern Ausdehnung verkleinert und vollständig zum Binnenstaate geworden.<lb/>
Es besteht in der Hauptsache jetzt aus dem Stromgebiete des obern und mittlern<lb/>
Jrawaddy, dem des Salueu und dem des zwischen diesen fließenden Tschittang<lb/>
und hat im Osten Südwestchina und Siam zu Nachbarn, während es im Westen,<lb/>
durch den Gebirgszug von Arrakan von Britisch-Birma getrennt ist und im<lb/>
Nordwesten und Norden durch die Gebiete unabhängiger Stämme, die wenig<lb/>
bekannt sind, begrenzt wird. Im Süden bildet der 19" 27', im Nordwesten<lb/>
das Patkoigebirge am Thale des Bramcipntra die Grenze. Das ganze Reich<lb/>
nimmt eine Fläche von ziemlich 9000 Quadratmeilen ein, wovon der größere<lb/>
Teil auf das eigentliche Birma mit der Hauptstadt Maudalay kommt, welches<lb/>
zwischen dem 19. und dem 23. ° nördlicher Breite gelegen ist. Daran schließen sich<lb/>
die Nordprovinzen mit der Stadt Bhamo am Hnndelswegc nach China und im<lb/>
Osten die größtenteils jenseits des Salueu gelegnen Schanstaaten, welche den<lb/>
Birmanen mehr zinspflichtig als unterworfen sind, und von deren Städten wir<lb/>
Kiangtong und Kianhoug als besonders bedeutend nenne» müssen. Mandalah<lb/>
liegt uicht unmittelbar am Jrawaddy, sonder» ist von diesem Strome dnrch<lb/>
eine Ebene getrennt. Es liegt inmitten von Morästen und besteht aus zwei<lb/>
mit hohen Mauern umschlossenen Vierecken, deren innerstes der König mit seinen<lb/>
Weibern und Hofbeamten bewohnt, während sich im zweiten die Häuser andrer<lb/>
Beamten, Kasernen und Regierungsgebäude befinden. Außerhalb des letztern<lb/>
liegen die Wohnungen der bürgerlichen Bevölkerung, der Kaufleute und Hand¬<lb/>
werker und eine Anzahl von Waarenspeichern. Nicht fern von hier treffen wir<lb/>
auf dem andern Ufer des Jrawaddy die ehemalige Residenz der Birmanenkönige,<lb/>
Awa, das einst Ratncipura, die Jnwelenstadt, hieß und noch jetzt, von weitem<lb/>
gesehen, mit den weißglänzenden und vergoldeten Zinnen seiner zahlreichen Tempel<lb/>
den Eindruck der Pracht macht, aber in Wirklichkeit ein ziemlich ärmlicher Ort<lb/>
ist, der höchstens ein paar Dutzend Häuser von Stein, sonst aber nur Bretter-<lb/>
hütten mit Strohdächern hat. Der größte von den Tempeln ist der Logarthabu,<lb/>
der aus zwei Abteilungen von völlig verschiedner Bauart besteht. Eine andre<lb/>
Merkwürdigkeit Awas ist der Königspalast, der durchaus von Holz erbaut ist,<lb/>
und dessen Audienzsaal wegen seiner Ausdehnung und seiner reichen Schnitzereien<lb/>
gerühmt wird. Er ist auf allen Seiten offen, ausgenommen da, wo der Thron<lb/>
steht, und sein Dach wird von zahlreichen Säulen getragen. Ebenfalls nicht<lb/>
weit von Mcmdalay und ebenfalls auf dem linken Ufer des Jrawaddy steht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0396] Birma und die Birmanen. Aufschwung gebracht, jetzt aber wird namentlich die nach Prome führende der Expedition General Prendergafts insofern trefflich zu statten kommen, als sie die Nachsendung von Vorräten aller Art für die Truppen wesentlich er¬ leichtern wird. Birma oder, wie die Eingebornen es nennen, Mrammafalong umfaßte einst beinahe den ganzen Westen Hinterindiens bis ans Meer, ist aber seit den letzten Eroberungen Englands in diesen Gegenden um mehr als die Hälfte seiner frühern Ausdehnung verkleinert und vollständig zum Binnenstaate geworden. Es besteht in der Hauptsache jetzt aus dem Stromgebiete des obern und mittlern Jrawaddy, dem des Salueu und dem des zwischen diesen fließenden Tschittang und hat im Osten Südwestchina und Siam zu Nachbarn, während es im Westen, durch den Gebirgszug von Arrakan von Britisch-Birma getrennt ist und im Nordwesten und Norden durch die Gebiete unabhängiger Stämme, die wenig bekannt sind, begrenzt wird. Im Süden bildet der 19" 27', im Nordwesten das Patkoigebirge am Thale des Bramcipntra die Grenze. Das ganze Reich nimmt eine Fläche von ziemlich 9000 Quadratmeilen ein, wovon der größere Teil auf das eigentliche Birma mit der Hauptstadt Maudalay kommt, welches zwischen dem 19. und dem 23. ° nördlicher Breite gelegen ist. Daran schließen sich die Nordprovinzen mit der Stadt Bhamo am Hnndelswegc nach China und im Osten die größtenteils jenseits des Salueu gelegnen Schanstaaten, welche den Birmanen mehr zinspflichtig als unterworfen sind, und von deren Städten wir Kiangtong und Kianhoug als besonders bedeutend nenne» müssen. Mandalah liegt uicht unmittelbar am Jrawaddy, sonder» ist von diesem Strome dnrch eine Ebene getrennt. Es liegt inmitten von Morästen und besteht aus zwei mit hohen Mauern umschlossenen Vierecken, deren innerstes der König mit seinen Weibern und Hofbeamten bewohnt, während sich im zweiten die Häuser andrer Beamten, Kasernen und Regierungsgebäude befinden. Außerhalb des letztern liegen die Wohnungen der bürgerlichen Bevölkerung, der Kaufleute und Hand¬ werker und eine Anzahl von Waarenspeichern. Nicht fern von hier treffen wir auf dem andern Ufer des Jrawaddy die ehemalige Residenz der Birmanenkönige, Awa, das einst Ratncipura, die Jnwelenstadt, hieß und noch jetzt, von weitem gesehen, mit den weißglänzenden und vergoldeten Zinnen seiner zahlreichen Tempel den Eindruck der Pracht macht, aber in Wirklichkeit ein ziemlich ärmlicher Ort ist, der höchstens ein paar Dutzend Häuser von Stein, sonst aber nur Bretter- hütten mit Strohdächern hat. Der größte von den Tempeln ist der Logarthabu, der aus zwei Abteilungen von völlig verschiedner Bauart besteht. Eine andre Merkwürdigkeit Awas ist der Königspalast, der durchaus von Holz erbaut ist, und dessen Audienzsaal wegen seiner Ausdehnung und seiner reichen Schnitzereien gerühmt wird. Er ist auf allen Seiten offen, ausgenommen da, wo der Thron steht, und sein Dach wird von zahlreichen Säulen getragen. Ebenfalls nicht weit von Mcmdalay und ebenfalls auf dem linken Ufer des Jrawaddy steht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/396
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/396>, abgerufen am 15.01.2025.