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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Birma und die Birmanen.

Nebenbuhler und eine Gefahr für ihre dortigen Interessen und ihren dortigen
Einfluß ist. So war ihnen die Antwort eine unbefriedigende und unzulässige,
sie wollten hier allein das Wort, allein das Recht haben. Man beschloß daher
in Rangun, die inzwischen dort eingetroffenen Verstärkungen ohne weiteres
Zögern nach der Grenze Oberbirmas zu senden. Bald darauf traf ein zweites
Schreiben der birmanischen Majestät ein, welches eine abermalige Weigerung
enthielt und in "entschieden feindseligem Tone" gehalten war, und zu gleicher
Zeit erführe" die Engländer, daß der König seinen Generalen Befehl erteilt
habe, sich zum Widerstande gegen die britischen Streitkräfte, wenn dieselben die
Grenze überschritten, bereit zu halten.

Dieses Expeditionshcer wird unter dem General Prendergast stehen, der
mit der bengalischen Brigade, den Waliser Füsilieren, dem Regimente von
Hampshire, dem von Liverpool, dem zweiten und zehnten der bengalischen Sipoy-
Jnfanterie, den Sappeuren von Vengalen und zwei Batterien Artillerie in
Rangun eingetroffen ist und ohne Verzug den Feldzug eröffnet hat. Derselbe
bedient sich dabei zunächst der Wasserstraße nach der birmanischen Grenze, d. h.
des Jrawaddy. Die genannten Streitkräfte, denen andre folgen sollen, wurden
sofort auf Dampfboote der Jrawaddy-Flotille gebracht, die vom Clyde, wo sie
erbaut worden, stückweise nach Rangun geschafft nud dort zusammengesetzt
wurden. Diese Fahrzeuge haben einen dem vielfach seichten Strombette ange¬
paßten, sehr geringen Tiefgang und sind so eingerichtet, daß ihr Oberdeck mit
Kanonen von schwerem Kaliber armirt werden kann. Jeder von diesen Dampfern
nimmt zwei floßartige Prahme ins Schlepptau, welche mit ihrer auf eisernen
Wänden ruhenden Bedachung wie riesenhafte schwimmende Schuppen aussehen
und imstande sind, jeder sechshundert Mann und eine Quantität von Vorräten
aufzunehmen. Die Flotille, welche sie bilden, wird in dem Augenblicke, wo wir
dies schreiben, wahrscheinlich bereits die Stadt Thayetmyo erreicht haben, welche,
ungefähr 52 deutsche Meilen von Rangun und etwa ebensoweit von Mcmdalay
entfernt, nicht weit von der Grenze Oberbirmas liegt. Dem ersten erheblichen
Widerstände wird dieser Feldzug zu Wasser vermutlich bei der Stadt Meula
oder Minka begegnen, wo die Engländer wahrscheinlich drei Tage nach ihrer
Abfahrt von Thayetmyo anlangen werden. Dieser Ort, der 5000 Einwohner
zählt, liegt dicht am Strome und hat ein Fort, welches an einer Krümmung
des letztern errichtet ist und denselben vollständig beherrscht, da er hier nur
eine Breite von 6000 Fuß hat. Das Fort steht auf einem Hügel, hat mehrere
geschickt angelegte Schanzen und ist mit schweren Geschützen von moderner Kon¬
struktion ausgestattet. Diese Befestigung wird zu nehmen fein, bevor man
englischerseits weiter vorzugehen imstande sein wird; indes wird man zu jenem
Zwecke schwerlich einen Sturm zu wagen brauchen, da militärische Autoritäten der
Meinung sind, daß weder die Werke noch ihre Armirung der britischen Artillerie
lange die Spitze bieten können. Es heißt übrigens, daß König Thiban alle


Birma und die Birmanen.

Nebenbuhler und eine Gefahr für ihre dortigen Interessen und ihren dortigen
Einfluß ist. So war ihnen die Antwort eine unbefriedigende und unzulässige,
sie wollten hier allein das Wort, allein das Recht haben. Man beschloß daher
in Rangun, die inzwischen dort eingetroffenen Verstärkungen ohne weiteres
Zögern nach der Grenze Oberbirmas zu senden. Bald darauf traf ein zweites
Schreiben der birmanischen Majestät ein, welches eine abermalige Weigerung
enthielt und in „entschieden feindseligem Tone" gehalten war, und zu gleicher
Zeit erführe» die Engländer, daß der König seinen Generalen Befehl erteilt
habe, sich zum Widerstande gegen die britischen Streitkräfte, wenn dieselben die
Grenze überschritten, bereit zu halten.

Dieses Expeditionshcer wird unter dem General Prendergast stehen, der
mit der bengalischen Brigade, den Waliser Füsilieren, dem Regimente von
Hampshire, dem von Liverpool, dem zweiten und zehnten der bengalischen Sipoy-
Jnfanterie, den Sappeuren von Vengalen und zwei Batterien Artillerie in
Rangun eingetroffen ist und ohne Verzug den Feldzug eröffnet hat. Derselbe
bedient sich dabei zunächst der Wasserstraße nach der birmanischen Grenze, d. h.
des Jrawaddy. Die genannten Streitkräfte, denen andre folgen sollen, wurden
sofort auf Dampfboote der Jrawaddy-Flotille gebracht, die vom Clyde, wo sie
erbaut worden, stückweise nach Rangun geschafft nud dort zusammengesetzt
wurden. Diese Fahrzeuge haben einen dem vielfach seichten Strombette ange¬
paßten, sehr geringen Tiefgang und sind so eingerichtet, daß ihr Oberdeck mit
Kanonen von schwerem Kaliber armirt werden kann. Jeder von diesen Dampfern
nimmt zwei floßartige Prahme ins Schlepptau, welche mit ihrer auf eisernen
Wänden ruhenden Bedachung wie riesenhafte schwimmende Schuppen aussehen
und imstande sind, jeder sechshundert Mann und eine Quantität von Vorräten
aufzunehmen. Die Flotille, welche sie bilden, wird in dem Augenblicke, wo wir
dies schreiben, wahrscheinlich bereits die Stadt Thayetmyo erreicht haben, welche,
ungefähr 52 deutsche Meilen von Rangun und etwa ebensoweit von Mcmdalay
entfernt, nicht weit von der Grenze Oberbirmas liegt. Dem ersten erheblichen
Widerstände wird dieser Feldzug zu Wasser vermutlich bei der Stadt Meula
oder Minka begegnen, wo die Engländer wahrscheinlich drei Tage nach ihrer
Abfahrt von Thayetmyo anlangen werden. Dieser Ort, der 5000 Einwohner
zählt, liegt dicht am Strome und hat ein Fort, welches an einer Krümmung
des letztern errichtet ist und denselben vollständig beherrscht, da er hier nur
eine Breite von 6000 Fuß hat. Das Fort steht auf einem Hügel, hat mehrere
geschickt angelegte Schanzen und ist mit schweren Geschützen von moderner Kon¬
struktion ausgestattet. Diese Befestigung wird zu nehmen fein, bevor man
englischerseits weiter vorzugehen imstande sein wird; indes wird man zu jenem
Zwecke schwerlich einen Sturm zu wagen brauchen, da militärische Autoritäten der
Meinung sind, daß weder die Werke noch ihre Armirung der britischen Artillerie
lange die Spitze bieten können. Es heißt übrigens, daß König Thiban alle


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[0394] Birma und die Birmanen. Nebenbuhler und eine Gefahr für ihre dortigen Interessen und ihren dortigen Einfluß ist. So war ihnen die Antwort eine unbefriedigende und unzulässige, sie wollten hier allein das Wort, allein das Recht haben. Man beschloß daher in Rangun, die inzwischen dort eingetroffenen Verstärkungen ohne weiteres Zögern nach der Grenze Oberbirmas zu senden. Bald darauf traf ein zweites Schreiben der birmanischen Majestät ein, welches eine abermalige Weigerung enthielt und in „entschieden feindseligem Tone" gehalten war, und zu gleicher Zeit erführe» die Engländer, daß der König seinen Generalen Befehl erteilt habe, sich zum Widerstande gegen die britischen Streitkräfte, wenn dieselben die Grenze überschritten, bereit zu halten. Dieses Expeditionshcer wird unter dem General Prendergast stehen, der mit der bengalischen Brigade, den Waliser Füsilieren, dem Regimente von Hampshire, dem von Liverpool, dem zweiten und zehnten der bengalischen Sipoy- Jnfanterie, den Sappeuren von Vengalen und zwei Batterien Artillerie in Rangun eingetroffen ist und ohne Verzug den Feldzug eröffnet hat. Derselbe bedient sich dabei zunächst der Wasserstraße nach der birmanischen Grenze, d. h. des Jrawaddy. Die genannten Streitkräfte, denen andre folgen sollen, wurden sofort auf Dampfboote der Jrawaddy-Flotille gebracht, die vom Clyde, wo sie erbaut worden, stückweise nach Rangun geschafft nud dort zusammengesetzt wurden. Diese Fahrzeuge haben einen dem vielfach seichten Strombette ange¬ paßten, sehr geringen Tiefgang und sind so eingerichtet, daß ihr Oberdeck mit Kanonen von schwerem Kaliber armirt werden kann. Jeder von diesen Dampfern nimmt zwei floßartige Prahme ins Schlepptau, welche mit ihrer auf eisernen Wänden ruhenden Bedachung wie riesenhafte schwimmende Schuppen aussehen und imstande sind, jeder sechshundert Mann und eine Quantität von Vorräten aufzunehmen. Die Flotille, welche sie bilden, wird in dem Augenblicke, wo wir dies schreiben, wahrscheinlich bereits die Stadt Thayetmyo erreicht haben, welche, ungefähr 52 deutsche Meilen von Rangun und etwa ebensoweit von Mcmdalay entfernt, nicht weit von der Grenze Oberbirmas liegt. Dem ersten erheblichen Widerstände wird dieser Feldzug zu Wasser vermutlich bei der Stadt Meula oder Minka begegnen, wo die Engländer wahrscheinlich drei Tage nach ihrer Abfahrt von Thayetmyo anlangen werden. Dieser Ort, der 5000 Einwohner zählt, liegt dicht am Strome und hat ein Fort, welches an einer Krümmung des letztern errichtet ist und denselben vollständig beherrscht, da er hier nur eine Breite von 6000 Fuß hat. Das Fort steht auf einem Hügel, hat mehrere geschickt angelegte Schanzen und ist mit schweren Geschützen von moderner Kon¬ struktion ausgestattet. Diese Befestigung wird zu nehmen fein, bevor man englischerseits weiter vorzugehen imstande sein wird; indes wird man zu jenem Zwecke schwerlich einen Sturm zu wagen brauchen, da militärische Autoritäten der Meinung sind, daß weder die Werke noch ihre Armirung der britischen Artillerie lange die Spitze bieten können. Es heißt übrigens, daß König Thiban alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/394>, abgerufen am 15.01.2025.