Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Die Konferenz in Ronstantinopel. Bevölkerung auf Widerstand gestoßen sein würde, so sei das jetzt nicht mehr Damit ist die Entwicklung, die gegenwärtige Lage und die von den Mächten Grenzboten IV. 188S. 44
Die Konferenz in Ronstantinopel. Bevölkerung auf Widerstand gestoßen sein würde, so sei das jetzt nicht mehr Damit ist die Entwicklung, die gegenwärtige Lage und die von den Mächten Grenzboten IV. 188S. 44
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Die Konferenz in Ronstantinopel.
Bevölkerung auf Widerstand gestoßen sein würde, so sei das jetzt nicht mehr
zu fürchten. Es sei vielmehr Grund zu der Hoffnung vorhanden, daß es den
Mächten gelingen werde, durch ihren moralischen Einfluß den frühern Stand
der Dinge wiederherzustellen. Er glaube, daß die bulgarische Union sich mit
den Interessen Österreichs vielleicht vertragen würde, wenn sie sich von den
Konsequenzen trennen ließe, die sie augenscheinlich für die andern Balkanstaaten
hätte. Aber die Furcht, daß sie bei andern Staaten Bedenken hervorrufen
könne, stehe einer Abänderung der bestehende» Verträge zu Gunsten einer ein¬
zelnen Rasse im Wege, und so werde dadurch das ganze Werk des Berliner
Friedens und der Ordnung am Balkan in Frage gestellt. So sei der Weg,
den man jetzt eingeschlagen habe, der einzig richtige. Die Befürchtungen und
Ansprüche der Nachbarn der Bulgaren erschienen in gewissem Maße gerecht¬
fertigt, da die Gründung eines so großen und unabhängige!, Staates jene nicht
nur mittelbar kleiner machen, sondern auch bedrohen und unterdrücken würde.
Nun könnten aber jene Ansprüche nur durch Übergriffe auf türkisches Gebiet
befriedigt werden, und diese würden die ganze orientalische Frage wieder auf¬
leben lassen. Also sei die Rückkehr zum gesetzlichen Stande der Dinge die
Lösung, die am besten zum Interesse Österreich-Ungarns stimme.
Damit ist die Entwicklung, die gegenwärtige Lage und die von den Mächten
gewünschte Zukunft der bulgarischen Sache, soweit es sich in diplomatischer
Sprache thun läßt, genau bezeichnet. Indes hat die Ordnung dieser Angelegen¬
heit Schwierigkeiten, die jenseits der Grenzen liegen, welche ihnen die Mächte an¬
weisen möchten, und darauf geht die Rede des ungarischen Ministers nicht ein.
Wer den Blick auf das südöstliche Europa richtet, dem kann nicht entgehen,
daß durch den Aufstand in Ostrumelien und die Mobilifirung in Serbien und
Griechenland wichtige Dämme eingerissen und gefährliche Wasser zum Auslaufen
gebracht worden sind, und niemand kann mit voller Bestimmtheit voraussagen,
ob es gelingen wird, mit den jetzt ins Auge gefaßten Mitteln die Wasser wieder
zurückzuleiten und die Dämme wiederherzustellen und so zu befestigen, daß sie
wenigstens für die nächste Zukunft halten. Es wird das schon deshalb nicht
leicht sein, weil die Interessen der Ingenieure, denen die Arbeit obliegt, in
wesentliche» Beziehungen von einander verschieden sind. Jedenfalls wird die
Arbeit der Reparatur beeilt und bald beendigt werden müsse», wenn die
Gefahr glücklich beseitigt werde» soll, welche die Lande zwischen dem Schwarzen
und dem Adriatischen Meere und von hier aus den Frieden der Welt bedroht.
Es ist zwar ganz richtig, wenn man sagt: die Großmannssucht von ein paar
tausend Rebellen in Philippopel wiegt sehr leicht, wenn die Interessen von
mindestens drei Kaiserreichen in die andre Wagschale gelegt werden, und die
Gefühle der halbwilden Staaten am Balkan wollen im Vergleiche mit dem Be¬
dürfnisse nach Fortdauer des Friedens, das im übrigen Europa alle Gemüter
erfüllt und beherrscht, äußerst wenig bedeuten. Aber die Frage ist, wie das
Grenzboten IV. 188S. 44
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