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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Zum Sozialistongesetz,

sich die Butike schließen, wie or. Windthorst sagt, der oontrs-et sooig.1 auflösen
und die alte Wirtschaft, zu deren Vertilgung soviel Blut hatte fließen müssen,
wieder aufnehmen? Schwerlich ohne einen gleich blutigen Kampf. Denn die
Führer der Kollektivwirtschaft haben von Anfang an nur eine negative Tendenz
gehabt, sie wissen: "Was besteht, ist wert, daß es zu gründe geht." Sie haben
Wohl die freiheitlichen Phrasen benutzt, um niemand unnütz abzuschrecken, aber
nunmehr, da sie den alten Staat ruinirt und einen neuen gegründet haben,
kommt es mehr darauf an, ihn mit Jakobinerlist und Gewalt zu stützen und
die Unzufriednen abzuthun. Das hält dann noch eine gute Weile vor, bis ein
Lump vom andern abgethan wird. Es ist ähnlich wie der ultramontane
Journalist Veuillot seiner Zeit sagte, wenn ihm vorgehalten wurde, daß die
Freiheit, von der er spreche, von seinem Papst als Wahnsinn bezeichnet worden
sei. Er sagte: "Zuerst, wenn wir in der Minorität sind, beanspruchen wir die
Freiheit nach euern modernen Grundsätzen; wo wir die Mehrheit haben, versagen
wir sie nach unsern religiösen Grundsätzen." So ist ja das Prinzip der Selbst¬
erhaltung gewahrt.

Und das führt unsre formellen Bedenken auf den Anfang zurück. Wer
die Presse der roten Partei frei machen will, muß zuvor die Straf- und Pre߬
gesetzgebung mit den nötigen Kautelen versehen, mit solchen, die sich nicht gegen
gute Bestrebungen mißbrauchen lassen. Ebenso ist es mit den übrigen Teilen
des Sozialistengesetzes. Will er es in hoffnungsvoller Stimmung erreichen,
daß durch sozialpolitische Reform im Sinne unsers Kaisers der roten Partei
in den nächsten Jahren ihre schlimmsten Vorwände aus der Hand geschlagen
werden, so tritt er schon deshalb von jeder Aufhebung des Sozialistengesetzes
zurück, um die Kraft der Gesetzgebung nicht zu zersplittern. Aber alles ist doch
umsonst, wenn nicht durch Sammlung aller staatsfreundlichen Elemente in Volk
und Parlament, gegenüber dem manchesterlichen und jüdisch-kapitalistischen Wesen
ein sichtbarer Fortschritt in wirtschaftlicher Sicherstellung der arbeitenden Klassen
und der landbauenden Bevölkerung erreicht wird. Es ist gut, dies so oft als
möglich zu wiederholen.




Zum Sozialistongesetz,

sich die Butike schließen, wie or. Windthorst sagt, der oontrs-et sooig.1 auflösen
und die alte Wirtschaft, zu deren Vertilgung soviel Blut hatte fließen müssen,
wieder aufnehmen? Schwerlich ohne einen gleich blutigen Kampf. Denn die
Führer der Kollektivwirtschaft haben von Anfang an nur eine negative Tendenz
gehabt, sie wissen: „Was besteht, ist wert, daß es zu gründe geht." Sie haben
Wohl die freiheitlichen Phrasen benutzt, um niemand unnütz abzuschrecken, aber
nunmehr, da sie den alten Staat ruinirt und einen neuen gegründet haben,
kommt es mehr darauf an, ihn mit Jakobinerlist und Gewalt zu stützen und
die Unzufriednen abzuthun. Das hält dann noch eine gute Weile vor, bis ein
Lump vom andern abgethan wird. Es ist ähnlich wie der ultramontane
Journalist Veuillot seiner Zeit sagte, wenn ihm vorgehalten wurde, daß die
Freiheit, von der er spreche, von seinem Papst als Wahnsinn bezeichnet worden
sei. Er sagte: „Zuerst, wenn wir in der Minorität sind, beanspruchen wir die
Freiheit nach euern modernen Grundsätzen; wo wir die Mehrheit haben, versagen
wir sie nach unsern religiösen Grundsätzen." So ist ja das Prinzip der Selbst¬
erhaltung gewahrt.

Und das führt unsre formellen Bedenken auf den Anfang zurück. Wer
die Presse der roten Partei frei machen will, muß zuvor die Straf- und Pre߬
gesetzgebung mit den nötigen Kautelen versehen, mit solchen, die sich nicht gegen
gute Bestrebungen mißbrauchen lassen. Ebenso ist es mit den übrigen Teilen
des Sozialistengesetzes. Will er es in hoffnungsvoller Stimmung erreichen,
daß durch sozialpolitische Reform im Sinne unsers Kaisers der roten Partei
in den nächsten Jahren ihre schlimmsten Vorwände aus der Hand geschlagen
werden, so tritt er schon deshalb von jeder Aufhebung des Sozialistengesetzes
zurück, um die Kraft der Gesetzgebung nicht zu zersplittern. Aber alles ist doch
umsonst, wenn nicht durch Sammlung aller staatsfreundlichen Elemente in Volk
und Parlament, gegenüber dem manchesterlichen und jüdisch-kapitalistischen Wesen
ein sichtbarer Fortschritt in wirtschaftlicher Sicherstellung der arbeitenden Klassen
und der landbauenden Bevölkerung erreicht wird. Es ist gut, dies so oft als
möglich zu wiederholen.




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[0326] Zum Sozialistongesetz, sich die Butike schließen, wie or. Windthorst sagt, der oontrs-et sooig.1 auflösen und die alte Wirtschaft, zu deren Vertilgung soviel Blut hatte fließen müssen, wieder aufnehmen? Schwerlich ohne einen gleich blutigen Kampf. Denn die Führer der Kollektivwirtschaft haben von Anfang an nur eine negative Tendenz gehabt, sie wissen: „Was besteht, ist wert, daß es zu gründe geht." Sie haben Wohl die freiheitlichen Phrasen benutzt, um niemand unnütz abzuschrecken, aber nunmehr, da sie den alten Staat ruinirt und einen neuen gegründet haben, kommt es mehr darauf an, ihn mit Jakobinerlist und Gewalt zu stützen und die Unzufriednen abzuthun. Das hält dann noch eine gute Weile vor, bis ein Lump vom andern abgethan wird. Es ist ähnlich wie der ultramontane Journalist Veuillot seiner Zeit sagte, wenn ihm vorgehalten wurde, daß die Freiheit, von der er spreche, von seinem Papst als Wahnsinn bezeichnet worden sei. Er sagte: „Zuerst, wenn wir in der Minorität sind, beanspruchen wir die Freiheit nach euern modernen Grundsätzen; wo wir die Mehrheit haben, versagen wir sie nach unsern religiösen Grundsätzen." So ist ja das Prinzip der Selbst¬ erhaltung gewahrt. Und das führt unsre formellen Bedenken auf den Anfang zurück. Wer die Presse der roten Partei frei machen will, muß zuvor die Straf- und Pre߬ gesetzgebung mit den nötigen Kautelen versehen, mit solchen, die sich nicht gegen gute Bestrebungen mißbrauchen lassen. Ebenso ist es mit den übrigen Teilen des Sozialistengesetzes. Will er es in hoffnungsvoller Stimmung erreichen, daß durch sozialpolitische Reform im Sinne unsers Kaisers der roten Partei in den nächsten Jahren ihre schlimmsten Vorwände aus der Hand geschlagen werden, so tritt er schon deshalb von jeder Aufhebung des Sozialistengesetzes zurück, um die Kraft der Gesetzgebung nicht zu zersplittern. Aber alles ist doch umsonst, wenn nicht durch Sammlung aller staatsfreundlichen Elemente in Volk und Parlament, gegenüber dem manchesterlichen und jüdisch-kapitalistischen Wesen ein sichtbarer Fortschritt in wirtschaftlicher Sicherstellung der arbeitenden Klassen und der landbauenden Bevölkerung erreicht wird. Es ist gut, dies so oft als möglich zu wiederholen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/326>, abgerufen am 15.01.2025.