Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Das Feuilleton auf dem Theater. Robe"! Bei uns handelt es sich um weit solidere Gegenstände, um Nundrcise- Die russische Revue. Da wären wir ja angelangt beim neuesten Bühncn- Und dann die russische Revue mit ihrem Artikel über die Berliner Gesell¬ Das Feuilleton auf dem Theater. Robe»! Bei uns handelt es sich um weit solidere Gegenstände, um Nundrcise- Die russische Revue. Da wären wir ja angelangt beim neuesten Bühncn- Und dann die russische Revue mit ihrem Artikel über die Berliner Gesell¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197032"/> <fw type="header" place="top"> Das Feuilleton auf dem Theater.</fw><lb/> <p xml:id="ID_936" prev="#ID_935"> Robe»! Bei uns handelt es sich um weit solidere Gegenstände, um Nundrcise-<lb/> geschenl'e, Medaillons und NippeSfigürchen, um Schlafziminereinrichtnngcn,<lb/> Bntzenscheibenerker, Caeaotrinken, lithvgraphirte Berlvbungsanzeigen, ja um die<lb/> russische Revue.</p><lb/> <p xml:id="ID_937"> Die russische Revue. Da wären wir ja angelangt beim neuesten Bühncn-<lb/> creignis der deutschen Reichshauptstadt. Und wenn es das nicht wäre, ohne<lb/> Frage wäre, würden wir uns hüten, die Leser dieser Blätter damit zu behelligen.<lb/> Was liegt ihnen daran, daß, wie schon immer im Frühjahr die Zeitungen trium-<lb/> phirend verkünden, der „espritvolle" X-Korrespondent-Feuilletonist-Kritiker des<lb/> I-Vlattes beim Z-Theater ein Stück eingereicht, dasselbe im Anfange des<lb/> Winters zur Aufführung gebracht und damit den „Erfolg der Saison" erzielt<lb/> hat. Aber diesmal scheint es ernsthaft. Der große Mann hat ein Schauspiel<lb/> geschrieben, ein wirkliches Schauspiel, er hat es gewagt, die „Voreingenommen'<lb/> heit des Publikums gegen ernste Stücke" zu durchbrechen, sich damit den Weg<lb/> zu „den Höhen des Dramas" zu bahnen, und das mit solchem Glück, daß be¬<lb/> reits von „klassischen Prätentionen" die Rede sein kann. El, el! Ein ernstes<lb/> Stück, welches von Cacaotrinkern und Schlafziminereinrichtnngen handelt, ein<lb/> Schauspiel auf den Höhen des Dramas, das den sonnigen Titel „Ein Tropfen<lb/> Gift" führt und durch das zugleich „die in der deutschen Literatur so lang un¬<lb/> besetzt gebliebene Stellung (so!) eines Lieblings der Grazien" wieder ausgefüllt<lb/> worden ist, ein klassisches Werk vou Oskar Blumenthal. Das also bearbeitete<lb/> Publikum denkt: so etwas muß man sich so schnell als möglich ansehen. Und<lb/> es strömt hin und sieht lind wundert sich im Stillen für sein teures Billet<lb/> nichts andres zu finden, als das Feuilleton seines X-Blattes, welches man ihm<lb/> unter den vielbewunderten Titeln „Probepfeil" und „Große Glocke" schon einmal<lb/> vorgesetzt hat. Aber da wird es ja gespielt, das Feuilleton, da ist die schmucke<lb/> Bühne mit der prächtigen Einrichtung, in der man sich im Geiste wie zu Hause<lb/> bewegt, da ist der famose Engels, die liebenswürdige Sorna, der feinsinnige<lb/> Friedmann und vor allem die unvergleichliche Niemnnn-Nacibe, und man<lb/> applaudirt der unvergleichlichen Niemann^Raabe, bis „nach den Hansgesetzen<lb/> des Theaters" — der bei keiner Aufführung fehlende „Dichter" erscheint und<lb/> Nachpremieren feiert.</p><lb/> <p xml:id="ID_938" next="#ID_939"> Und dann die russische Revue mit ihrem Artikel über die Berliner Gesell¬<lb/> schaft, die russische Revue des Grafen Dcischka, die, obgleich sie russisch ist, alle<lb/> Damen des Stückes lesen können, die einer der schon aus den vorhergehenden<lb/> Stücken bekannten Blumenthalscheu „Aristokraten" der Baronin, die sie ihm ge¬<lb/> liehen, auf dem Rout zurückbringt, und deren Verleumdung die Existenz einer<lb/> hochgestellten Familie nicht bloß in der Gesellschaft, nein auch bei der Negierung<lb/> vernichtet, trotzdem daß ihr der nähre Sachverhalt von Anfang an bekannt ist!<lb/> Ist das nicht'„aktuell"? Wie gesagt, so aktuell wie frische Semmeln, es fehlt<lb/> nnr noch die genaue Adresse des Palais der verleumdete» „stillen Exzellenz"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0298]
Das Feuilleton auf dem Theater.
Robe»! Bei uns handelt es sich um weit solidere Gegenstände, um Nundrcise-
geschenl'e, Medaillons und NippeSfigürchen, um Schlafziminereinrichtnngcn,
Bntzenscheibenerker, Caeaotrinken, lithvgraphirte Berlvbungsanzeigen, ja um die
russische Revue.
Die russische Revue. Da wären wir ja angelangt beim neuesten Bühncn-
creignis der deutschen Reichshauptstadt. Und wenn es das nicht wäre, ohne
Frage wäre, würden wir uns hüten, die Leser dieser Blätter damit zu behelligen.
Was liegt ihnen daran, daß, wie schon immer im Frühjahr die Zeitungen trium-
phirend verkünden, der „espritvolle" X-Korrespondent-Feuilletonist-Kritiker des
I-Vlattes beim Z-Theater ein Stück eingereicht, dasselbe im Anfange des
Winters zur Aufführung gebracht und damit den „Erfolg der Saison" erzielt
hat. Aber diesmal scheint es ernsthaft. Der große Mann hat ein Schauspiel
geschrieben, ein wirkliches Schauspiel, er hat es gewagt, die „Voreingenommen'
heit des Publikums gegen ernste Stücke" zu durchbrechen, sich damit den Weg
zu „den Höhen des Dramas" zu bahnen, und das mit solchem Glück, daß be¬
reits von „klassischen Prätentionen" die Rede sein kann. El, el! Ein ernstes
Stück, welches von Cacaotrinkern und Schlafziminereinrichtnngen handelt, ein
Schauspiel auf den Höhen des Dramas, das den sonnigen Titel „Ein Tropfen
Gift" führt und durch das zugleich „die in der deutschen Literatur so lang un¬
besetzt gebliebene Stellung (so!) eines Lieblings der Grazien" wieder ausgefüllt
worden ist, ein klassisches Werk vou Oskar Blumenthal. Das also bearbeitete
Publikum denkt: so etwas muß man sich so schnell als möglich ansehen. Und
es strömt hin und sieht lind wundert sich im Stillen für sein teures Billet
nichts andres zu finden, als das Feuilleton seines X-Blattes, welches man ihm
unter den vielbewunderten Titeln „Probepfeil" und „Große Glocke" schon einmal
vorgesetzt hat. Aber da wird es ja gespielt, das Feuilleton, da ist die schmucke
Bühne mit der prächtigen Einrichtung, in der man sich im Geiste wie zu Hause
bewegt, da ist der famose Engels, die liebenswürdige Sorna, der feinsinnige
Friedmann und vor allem die unvergleichliche Niemnnn-Nacibe, und man
applaudirt der unvergleichlichen Niemann^Raabe, bis „nach den Hansgesetzen
des Theaters" — der bei keiner Aufführung fehlende „Dichter" erscheint und
Nachpremieren feiert.
Und dann die russische Revue mit ihrem Artikel über die Berliner Gesell¬
schaft, die russische Revue des Grafen Dcischka, die, obgleich sie russisch ist, alle
Damen des Stückes lesen können, die einer der schon aus den vorhergehenden
Stücken bekannten Blumenthalscheu „Aristokraten" der Baronin, die sie ihm ge¬
liehen, auf dem Rout zurückbringt, und deren Verleumdung die Existenz einer
hochgestellten Familie nicht bloß in der Gesellschaft, nein auch bei der Negierung
vernichtet, trotzdem daß ihr der nähre Sachverhalt von Anfang an bekannt ist!
Ist das nicht'„aktuell"? Wie gesagt, so aktuell wie frische Semmeln, es fehlt
nnr noch die genaue Adresse des Palais der verleumdete» „stillen Exzellenz"
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |