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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Ein Krieg Englands in Birma.

beeilte sich bald nach seinem Amtsantritt, den Ansprüchen der französischen Be¬
hörden am Jrawaddy mit Vorstellungen zu begegnen, die nicht ohne Erfolg
blieben. In einer vor kurzem abgeschlossnen Korrespondenz mit Freheinct machte
er das britische Interesse in Betreff eines für Englands indisches Reich in so
vielen Beziehungen wichtigen Landes mit Entschiedenheit geltend. Man sagt
nicht zu viel, wenn man behauptet, daß die Stellung der Engländer in Rangun
sehr unbequem werden würde, wenn die Franzosen in Mandalay das Über¬
gewicht erlangten. Salisbury wartete deshalb nicht, bis der französische Konsul
dort eine vollendete Thatsache geschaffen hatte, sondern begegnete dessen Ver¬
suchen unverweilt mit einem deutlichen Einsprüche in Paris. Er wies darauf
hin, daß die englischen Interessen in Oberbirma den obersten Rang haben und
weiterhin behaupten müßten, und daß Großbritannien eine französische Gesell¬
schaft mit ausschließlichen Rechten, mit Monopolen in Mandalay ebensowenig
dulden könne wie Frankreich eine ebenso berechtigte Gesellschaft in Tunis. Er
fügte hinzu, daß er durchaus nicht annehmen wolle, das französische auswärtige
Amt werde derartige Pläne gutheißen; er halte es indes für notwendig, zu er¬
klären, daß das britische Gouvernement, wenn dem Könige ein solcher Vorschlag
gemacht würde, dazwischen treten und jedes Eingehen darauf verhindern würde.
Man werde keiner französischen Gesellschaft den Abschluß von Verträgen zum
Van von Eisenbahnen in Birma erlauben und überhaupt keinerlei Thätigkeit
einer fremde" Macht in einem mit der britischen so eng verbundenen Lande
dulden. Und der englische Minister bediente sich nicht bloß dieser festen und
entschieden Sprache, sondern drang auch, als man in Paris nicht sogleich
Notiz davon nahm, auf baldige Antwort. Dieselbe erfolgte und war völlig
befriedigenden Inhalts. Freycinet erklärte das Recht Englands bei seinem An¬
spruch auf ausschließliche Kontrole der birmanischen Politik nicht bestreiten zu
wollen. Der französische Konsul sei wahrscheinlich ein unruhiger Charakter,
aber die französische Negierung sei für sein Vorgehen nicht verantwortlich zu
machen.

So kann England für jetzt über die Dinge, soweit es sich um Frankreich
handelt, beruhigt sein. Freycinet hatte offenbar verschiedne gute Gründe, nach¬
giebig zu sein und versöhnlich zu antworten. Die Franzosen haben auf der
andern Seite der indochinesischen Halbinsel, in Tonking, viel Geld ausgegeben
und viel Blut verloren und bis jetzt keine entsprechenden Erfolge geerntet,
und das wird ihre Neigung wesentlich verändert haben, ihr Glück mit Birma
zu versuchen, wo die ihnen entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht kleiner,
sondern größer sein würden als dort. Die Wählerschaften daheim haben sich
bei den Wahlen des 4. Oktober vorzüglich deshalb der Mehrzahl nach gegen
die regierende Partei ausgesprochen, weil sie die fruchtlosen Expeditionen der
neuen Kolonialpolitik mißbilligten und keine Fortsetzung dieser Abzapfung der
militärischen und finanziellen Kräfte des Landes in ein Faß ohne Boden wollten.


Ein Krieg Englands in Birma.

beeilte sich bald nach seinem Amtsantritt, den Ansprüchen der französischen Be¬
hörden am Jrawaddy mit Vorstellungen zu begegnen, die nicht ohne Erfolg
blieben. In einer vor kurzem abgeschlossnen Korrespondenz mit Freheinct machte
er das britische Interesse in Betreff eines für Englands indisches Reich in so
vielen Beziehungen wichtigen Landes mit Entschiedenheit geltend. Man sagt
nicht zu viel, wenn man behauptet, daß die Stellung der Engländer in Rangun
sehr unbequem werden würde, wenn die Franzosen in Mandalay das Über¬
gewicht erlangten. Salisbury wartete deshalb nicht, bis der französische Konsul
dort eine vollendete Thatsache geschaffen hatte, sondern begegnete dessen Ver¬
suchen unverweilt mit einem deutlichen Einsprüche in Paris. Er wies darauf
hin, daß die englischen Interessen in Oberbirma den obersten Rang haben und
weiterhin behaupten müßten, und daß Großbritannien eine französische Gesell¬
schaft mit ausschließlichen Rechten, mit Monopolen in Mandalay ebensowenig
dulden könne wie Frankreich eine ebenso berechtigte Gesellschaft in Tunis. Er
fügte hinzu, daß er durchaus nicht annehmen wolle, das französische auswärtige
Amt werde derartige Pläne gutheißen; er halte es indes für notwendig, zu er¬
klären, daß das britische Gouvernement, wenn dem Könige ein solcher Vorschlag
gemacht würde, dazwischen treten und jedes Eingehen darauf verhindern würde.
Man werde keiner französischen Gesellschaft den Abschluß von Verträgen zum
Van von Eisenbahnen in Birma erlauben und überhaupt keinerlei Thätigkeit
einer fremde» Macht in einem mit der britischen so eng verbundenen Lande
dulden. Und der englische Minister bediente sich nicht bloß dieser festen und
entschieden Sprache, sondern drang auch, als man in Paris nicht sogleich
Notiz davon nahm, auf baldige Antwort. Dieselbe erfolgte und war völlig
befriedigenden Inhalts. Freycinet erklärte das Recht Englands bei seinem An¬
spruch auf ausschließliche Kontrole der birmanischen Politik nicht bestreiten zu
wollen. Der französische Konsul sei wahrscheinlich ein unruhiger Charakter,
aber die französische Negierung sei für sein Vorgehen nicht verantwortlich zu
machen.

So kann England für jetzt über die Dinge, soweit es sich um Frankreich
handelt, beruhigt sein. Freycinet hatte offenbar verschiedne gute Gründe, nach¬
giebig zu sein und versöhnlich zu antworten. Die Franzosen haben auf der
andern Seite der indochinesischen Halbinsel, in Tonking, viel Geld ausgegeben
und viel Blut verloren und bis jetzt keine entsprechenden Erfolge geerntet,
und das wird ihre Neigung wesentlich verändert haben, ihr Glück mit Birma
zu versuchen, wo die ihnen entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht kleiner,
sondern größer sein würden als dort. Die Wählerschaften daheim haben sich
bei den Wahlen des 4. Oktober vorzüglich deshalb der Mehrzahl nach gegen
die regierende Partei ausgesprochen, weil sie die fruchtlosen Expeditionen der
neuen Kolonialpolitik mißbilligten und keine Fortsetzung dieser Abzapfung der
militärischen und finanziellen Kräfte des Landes in ein Faß ohne Boden wollten.


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[0275] Ein Krieg Englands in Birma. beeilte sich bald nach seinem Amtsantritt, den Ansprüchen der französischen Be¬ hörden am Jrawaddy mit Vorstellungen zu begegnen, die nicht ohne Erfolg blieben. In einer vor kurzem abgeschlossnen Korrespondenz mit Freheinct machte er das britische Interesse in Betreff eines für Englands indisches Reich in so vielen Beziehungen wichtigen Landes mit Entschiedenheit geltend. Man sagt nicht zu viel, wenn man behauptet, daß die Stellung der Engländer in Rangun sehr unbequem werden würde, wenn die Franzosen in Mandalay das Über¬ gewicht erlangten. Salisbury wartete deshalb nicht, bis der französische Konsul dort eine vollendete Thatsache geschaffen hatte, sondern begegnete dessen Ver¬ suchen unverweilt mit einem deutlichen Einsprüche in Paris. Er wies darauf hin, daß die englischen Interessen in Oberbirma den obersten Rang haben und weiterhin behaupten müßten, und daß Großbritannien eine französische Gesell¬ schaft mit ausschließlichen Rechten, mit Monopolen in Mandalay ebensowenig dulden könne wie Frankreich eine ebenso berechtigte Gesellschaft in Tunis. Er fügte hinzu, daß er durchaus nicht annehmen wolle, das französische auswärtige Amt werde derartige Pläne gutheißen; er halte es indes für notwendig, zu er¬ klären, daß das britische Gouvernement, wenn dem Könige ein solcher Vorschlag gemacht würde, dazwischen treten und jedes Eingehen darauf verhindern würde. Man werde keiner französischen Gesellschaft den Abschluß von Verträgen zum Van von Eisenbahnen in Birma erlauben und überhaupt keinerlei Thätigkeit einer fremde» Macht in einem mit der britischen so eng verbundenen Lande dulden. Und der englische Minister bediente sich nicht bloß dieser festen und entschieden Sprache, sondern drang auch, als man in Paris nicht sogleich Notiz davon nahm, auf baldige Antwort. Dieselbe erfolgte und war völlig befriedigenden Inhalts. Freycinet erklärte das Recht Englands bei seinem An¬ spruch auf ausschließliche Kontrole der birmanischen Politik nicht bestreiten zu wollen. Der französische Konsul sei wahrscheinlich ein unruhiger Charakter, aber die französische Negierung sei für sein Vorgehen nicht verantwortlich zu machen. So kann England für jetzt über die Dinge, soweit es sich um Frankreich handelt, beruhigt sein. Freycinet hatte offenbar verschiedne gute Gründe, nach¬ giebig zu sein und versöhnlich zu antworten. Die Franzosen haben auf der andern Seite der indochinesischen Halbinsel, in Tonking, viel Geld ausgegeben und viel Blut verloren und bis jetzt keine entsprechenden Erfolge geerntet, und das wird ihre Neigung wesentlich verändert haben, ihr Glück mit Birma zu versuchen, wo die ihnen entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht kleiner, sondern größer sein würden als dort. Die Wählerschaften daheim haben sich bei den Wahlen des 4. Oktober vorzüglich deshalb der Mehrzahl nach gegen die regierende Partei ausgesprochen, weil sie die fruchtlosen Expeditionen der neuen Kolonialpolitik mißbilligten und keine Fortsetzung dieser Abzapfung der militärischen und finanziellen Kräfte des Landes in ein Faß ohne Boden wollten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/275>, abgerufen am 15.01.2025.