Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.braucht sie nicht eher herauszugeben, bis die Rechnung bezahlt ist. Was bleibt Um jedoch aus der Gesamtheit dieser Betrachtungen ein Fazit zu ziehen, braucht sie nicht eher herauszugeben, bis die Rechnung bezahlt ist. Was bleibt Um jedoch aus der Gesamtheit dieser Betrachtungen ein Fazit zu ziehen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196973"/> <p xml:id="ID_747" prev="#ID_746"> braucht sie nicht eher herauszugeben, bis die Rechnung bezahlt ist. Was bleibt<lb/> also der Partei übrig? Sie muß die Rechnung blindlings bezahlen, oder sie<lb/> muß gewärtigen, daß ihr der Anwalt einen Prozeß anhangt, in dem sie sich<lb/> nicht einmal recht zu verteidigen weiß. Sie zahlt also. Hat sie zuviel gezahlt,<lb/> so kaun sie ja noch einen Prozeß auf Rückzahlung gegen ihren Anwalt anstellen.<lb/> Natürlich thut sie es aber nicht, aus den oben dargelegten Gründen. Auch in<lb/> dieser Beziehung ist also die Partei ihrem Anwalt gegenüber thatsächlich so gut<lb/> wie rechtlos. Schwerlich haben sich die Faktoren unsrer Gesetzgebung wohl<lb/> einmal klar gemacht, mit welchen Empfindungen der Laie einer solchen Rechnung<lb/> gegenübersteht, die er von seinem laienhaften Standpunkte fabelhaft hoch findet,<lb/> von der ihm aber niemand sagen kann, ob sie richtig ist oder nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_748"> Um jedoch aus der Gesamtheit dieser Betrachtungen ein Fazit zu ziehen,<lb/> fehlt uns noch eine unbekannte Größe. Es wurde bereits oben bemerkt, daß<lb/> in der Rechtsprechung des EhrengcrichtshofeS nur gleichsam die Spitze der<lb/> gesamten über Anwälte geübten Disziplin sich darstellt. Daß die 73 Fälle,<lb/> welche zur Entscheidung des Ehrengerichtshofes gelangt sind, nicht die im Laufe<lb/> von fünf Jahren innerhalb des gesamten deutschen Anwaltsstandes vorgekommenen<lb/> Unregelmäßigkeiten erschöpfen, liegt wohl auf der Hand. Wir kennen aber nicht die<lb/> Fälle, die ehrengerichtlich in erster Instanz erledigt worden sind, ohne in die zweite<lb/> Instanz zu gelangen. Und wenn wir auch annehmen dürfen, daß diese qualitativ<lb/> sich vou den in zweiter Instanz entschiednen nicht wesentlich unterscheiden werden,<lb/> so kennen wir doch auch nicht die Thätigkeit, welche die Anwaltsvorstände kraft<lb/> des ihnen zugewiesenen Berufs, Streitigkeiten zwischen Anwalt und Partei zu<lb/> ermitteln, üben. Es ist ja möglich, daß diese Thätigkeit, wo sie in der Hand<lb/> tüchtiger Männer liegt, in sehr heilsamer Weise sich gestaltet; daß namentlich<lb/> dadurch der im Gesetz selbst wenig berücksichtigte Schutz der Parteien in ihren<lb/> Rechten mehr oder minder geübt wird. Wir denken uns also, daß z. B. der<lb/> von einer Partei angerufene AnwaltSvvrstand eine Mahnung dahin erläßt, daß<lb/> der Anwalt eine widerrechtlich bezogene Gebühr zurückzuerstatten oder sonst<lb/> ein begangnes Unrecht wieder gutzumachen habe, Damit würde freilich für<lb/> den Fall der Befolgung auf eine disziplinarische Ahndung des Unrechts wohl<lb/> verzichtet, aber es würde doch wenigstens der Partei geholfen sein. Als Zwangs¬<lb/> mittel würde allerdings nur die Androhung der ehrengerichtlichen Untersuchung und<lb/> Bestrafung in Betracht kommen. Aber es wäre ja möglich, daß diese Androhung<lb/> selbst über das Maß ihres reellen Kernes hinaus moralisch wirkte. Auf diese<lb/> Weise könnte die Schwäche des Gesetzes durch die Tüchtigkeit seiner Handhabung<lb/> eine Art Korrektur finden. Es wäre sehr zu wünschen, daß diese Dinge<lb/> einmal offen dargelegt und dadurch das Publikum über das Maß des ihm in<lb/> den einschlagenden Verhältnissen gewährten Schutzes belehrt würde. Aus dein<lb/> Gesetz selbst und den auf dasselbe sich gründenden Entscheidungen des höchsten<lb/> Ehrengerichtshofes allein ist dieser Schutz nicht erkennbar.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0239]
braucht sie nicht eher herauszugeben, bis die Rechnung bezahlt ist. Was bleibt
also der Partei übrig? Sie muß die Rechnung blindlings bezahlen, oder sie
muß gewärtigen, daß ihr der Anwalt einen Prozeß anhangt, in dem sie sich
nicht einmal recht zu verteidigen weiß. Sie zahlt also. Hat sie zuviel gezahlt,
so kaun sie ja noch einen Prozeß auf Rückzahlung gegen ihren Anwalt anstellen.
Natürlich thut sie es aber nicht, aus den oben dargelegten Gründen. Auch in
dieser Beziehung ist also die Partei ihrem Anwalt gegenüber thatsächlich so gut
wie rechtlos. Schwerlich haben sich die Faktoren unsrer Gesetzgebung wohl
einmal klar gemacht, mit welchen Empfindungen der Laie einer solchen Rechnung
gegenübersteht, die er von seinem laienhaften Standpunkte fabelhaft hoch findet,
von der ihm aber niemand sagen kann, ob sie richtig ist oder nicht.
Um jedoch aus der Gesamtheit dieser Betrachtungen ein Fazit zu ziehen,
fehlt uns noch eine unbekannte Größe. Es wurde bereits oben bemerkt, daß
in der Rechtsprechung des EhrengcrichtshofeS nur gleichsam die Spitze der
gesamten über Anwälte geübten Disziplin sich darstellt. Daß die 73 Fälle,
welche zur Entscheidung des Ehrengerichtshofes gelangt sind, nicht die im Laufe
von fünf Jahren innerhalb des gesamten deutschen Anwaltsstandes vorgekommenen
Unregelmäßigkeiten erschöpfen, liegt wohl auf der Hand. Wir kennen aber nicht die
Fälle, die ehrengerichtlich in erster Instanz erledigt worden sind, ohne in die zweite
Instanz zu gelangen. Und wenn wir auch annehmen dürfen, daß diese qualitativ
sich vou den in zweiter Instanz entschiednen nicht wesentlich unterscheiden werden,
so kennen wir doch auch nicht die Thätigkeit, welche die Anwaltsvorstände kraft
des ihnen zugewiesenen Berufs, Streitigkeiten zwischen Anwalt und Partei zu
ermitteln, üben. Es ist ja möglich, daß diese Thätigkeit, wo sie in der Hand
tüchtiger Männer liegt, in sehr heilsamer Weise sich gestaltet; daß namentlich
dadurch der im Gesetz selbst wenig berücksichtigte Schutz der Parteien in ihren
Rechten mehr oder minder geübt wird. Wir denken uns also, daß z. B. der
von einer Partei angerufene AnwaltSvvrstand eine Mahnung dahin erläßt, daß
der Anwalt eine widerrechtlich bezogene Gebühr zurückzuerstatten oder sonst
ein begangnes Unrecht wieder gutzumachen habe, Damit würde freilich für
den Fall der Befolgung auf eine disziplinarische Ahndung des Unrechts wohl
verzichtet, aber es würde doch wenigstens der Partei geholfen sein. Als Zwangs¬
mittel würde allerdings nur die Androhung der ehrengerichtlichen Untersuchung und
Bestrafung in Betracht kommen. Aber es wäre ja möglich, daß diese Androhung
selbst über das Maß ihres reellen Kernes hinaus moralisch wirkte. Auf diese
Weise könnte die Schwäche des Gesetzes durch die Tüchtigkeit seiner Handhabung
eine Art Korrektur finden. Es wäre sehr zu wünschen, daß diese Dinge
einmal offen dargelegt und dadurch das Publikum über das Maß des ihm in
den einschlagenden Verhältnissen gewährten Schutzes belehrt würde. Aus dein
Gesetz selbst und den auf dasselbe sich gründenden Entscheidungen des höchsten
Ehrengerichtshofes allein ist dieser Schutz nicht erkennbar.
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