Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwa'lec. gezwungenen Verhältnis einen zureichenden Schutz angedeihen zu lassen. Denn Der Anwalt hat seiner Partei gegenüber von vornherein eine überwiegende Die Reichsgesetze haben diesen Schutz in die Aufsicht des aus der Wahl Das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwa'lec. gezwungenen Verhältnis einen zureichenden Schutz angedeihen zu lassen. Denn Der Anwalt hat seiner Partei gegenüber von vornherein eine überwiegende Die Reichsgesetze haben diesen Schutz in die Aufsicht des aus der Wahl <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196968"/> <fw type="header" place="top"> Das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwa'lec.</fw><lb/> <p xml:id="ID_735" prev="#ID_734"> gezwungenen Verhältnis einen zureichenden Schutz angedeihen zu lassen. Denn<lb/> nichts ist trauriger, als wenn man gerade da, wo man den Schutz seiner Rechte<lb/> suchen muß, wieder in ein Verhältnis der Rcchtssclmtzlosigkeit hineinfällt.</p><lb/> <p xml:id="ID_736"> Der Anwalt hat seiner Partei gegenüber von vornherein eine überwiegende<lb/> Stellung. Die große Mehrzahl der Parteien ist nicht rechtskundig, und trotz<lb/> aller Bemühungen unsrer Gesetze, volkstümliches Recht zu schaffen, ist das<lb/> Recht, zumal in Beziehung ans Prozeßformen, für den Laien eine mit sieben<lb/> Siegeln verschlossene Wissenschaft. Die Partei ist daher in der Regel ganz<lb/> außer stände, den Anwalt in seiner Thätigkeit zu koutroliren. Sie muß sich<lb/> blindlings auf ihn verlassen. Ihr steht der Anwalt als einzelner, völlig auf<lb/> sich selbst gestellter Mann gegenüber. Auch der Umstand, daß derselbe mit<lb/> seinem Lebensunterhalt anf Gebühren angewiesen ist, macht seine Lage oft<lb/> schwieriger. Dazu kommt noch, daß dem Anwalt nicht selten auch von den<lb/> Parteien selbst Zumutungen gestellt werden, die ihn mit seinen Pflichten in<lb/> Konflikt bringen. Dies alles führt dahin, daß der Anwalt vielleicht mehr als<lb/> irgendein andrer, der einen öffentlichen Beruf ausübt, Versuchungen ausgesetzt<lb/> ist. Erwägt mein nun. daß der Anwaltsstand in Deutschland wohl an 10000<lb/> doch gewiß sehr verschieden geartete Mitglieder zechte, so ergiebt sich daraus für<lb/> die Gesetzgebung umso dringender die Pflicht, dem Publikum gegen Mißbräuche<lb/> des Anwaltes zureichenden Schutz zu gewähren.</p><lb/> <p xml:id="ID_737" next="#ID_738"> Die Reichsgesetze haben diesen Schutz in die Aufsicht des aus der Wahl<lb/> der Anwälte hervorgegangenen Anwaltsvvrstandes und in die Rechtsprechung<lb/> der aus diesem Anwaltsvorstande hervorgehenden Ehrengerichte gelegt. Nur in<lb/> dem die zweite Instanz bildenden Ehrengerichtshofe ist zugleich bis knapp über<lb/> die Hälfte das richterliche Element vertreten. Ehrengerichte, d. h. Gerichte von<lb/> gleichstehenden Standesgenossen — denn einen andern Begriff können wir doch<lb/> nicht damit verbinden —, kommen außerdem nur für den Offizierstand vor.<lb/> Dort aber haben sie eine ganz andre Bedeutung. Sie bilden dort keineswegs<lb/> die ausschließliche Jurisdiktion über BerufSvergchen, sondern neben ihnen besteht<lb/> noch ein Disziplin, welche in der Hand des militärischen Vorgesetzten liegt und<lb/> mit bekannter Strenge geübt wird. Zu dieser Disziplin tritt die Thätigkeit<lb/> der militärischen Ehrengerichte nnr in gewissen Beziehungen ergänzend hinzu.<lb/> Ein ähnliches Verhältnis ließ man auch noch bestehen, als man in Preußen<lb/> zuerst die Ehrcnrüte für Anwälte schuf. Die Verordnung vom 30. April 1847,<lb/> welche solche einführte, enthielt im Z 3 die Bestimmung: „An der Befugnis<lb/> der Gerichte, in den bei ihnen schwebenden Rechtsangelegenheiten die Anwälte<lb/> zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten und mit Ordnungsstrafen zu belegen, wird<lb/> nichts geändert." Auch das Gesetz vom 21. Juli 1852 enthielt die Bestimmung,<lb/> daß, wenn Dienstvergehen eines Urwalds in der Sitzung eines Gerichts vor¬<lb/> fallen, das Gericht selbst über dieses Vergehen zu erkennen befugt sei. Das<lb/> Reichsgesetz hat aber diese Bestimmungen nicht in sich ausgenommen. Mit Aus-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwa'lec.
gezwungenen Verhältnis einen zureichenden Schutz angedeihen zu lassen. Denn
nichts ist trauriger, als wenn man gerade da, wo man den Schutz seiner Rechte
suchen muß, wieder in ein Verhältnis der Rcchtssclmtzlosigkeit hineinfällt.
Der Anwalt hat seiner Partei gegenüber von vornherein eine überwiegende
Stellung. Die große Mehrzahl der Parteien ist nicht rechtskundig, und trotz
aller Bemühungen unsrer Gesetze, volkstümliches Recht zu schaffen, ist das
Recht, zumal in Beziehung ans Prozeßformen, für den Laien eine mit sieben
Siegeln verschlossene Wissenschaft. Die Partei ist daher in der Regel ganz
außer stände, den Anwalt in seiner Thätigkeit zu koutroliren. Sie muß sich
blindlings auf ihn verlassen. Ihr steht der Anwalt als einzelner, völlig auf
sich selbst gestellter Mann gegenüber. Auch der Umstand, daß derselbe mit
seinem Lebensunterhalt anf Gebühren angewiesen ist, macht seine Lage oft
schwieriger. Dazu kommt noch, daß dem Anwalt nicht selten auch von den
Parteien selbst Zumutungen gestellt werden, die ihn mit seinen Pflichten in
Konflikt bringen. Dies alles führt dahin, daß der Anwalt vielleicht mehr als
irgendein andrer, der einen öffentlichen Beruf ausübt, Versuchungen ausgesetzt
ist. Erwägt mein nun. daß der Anwaltsstand in Deutschland wohl an 10000
doch gewiß sehr verschieden geartete Mitglieder zechte, so ergiebt sich daraus für
die Gesetzgebung umso dringender die Pflicht, dem Publikum gegen Mißbräuche
des Anwaltes zureichenden Schutz zu gewähren.
Die Reichsgesetze haben diesen Schutz in die Aufsicht des aus der Wahl
der Anwälte hervorgegangenen Anwaltsvvrstandes und in die Rechtsprechung
der aus diesem Anwaltsvorstande hervorgehenden Ehrengerichte gelegt. Nur in
dem die zweite Instanz bildenden Ehrengerichtshofe ist zugleich bis knapp über
die Hälfte das richterliche Element vertreten. Ehrengerichte, d. h. Gerichte von
gleichstehenden Standesgenossen — denn einen andern Begriff können wir doch
nicht damit verbinden —, kommen außerdem nur für den Offizierstand vor.
Dort aber haben sie eine ganz andre Bedeutung. Sie bilden dort keineswegs
die ausschließliche Jurisdiktion über BerufSvergchen, sondern neben ihnen besteht
noch ein Disziplin, welche in der Hand des militärischen Vorgesetzten liegt und
mit bekannter Strenge geübt wird. Zu dieser Disziplin tritt die Thätigkeit
der militärischen Ehrengerichte nnr in gewissen Beziehungen ergänzend hinzu.
Ein ähnliches Verhältnis ließ man auch noch bestehen, als man in Preußen
zuerst die Ehrcnrüte für Anwälte schuf. Die Verordnung vom 30. April 1847,
welche solche einführte, enthielt im Z 3 die Bestimmung: „An der Befugnis
der Gerichte, in den bei ihnen schwebenden Rechtsangelegenheiten die Anwälte
zu ihrer Schuldigkeit anzuhalten und mit Ordnungsstrafen zu belegen, wird
nichts geändert." Auch das Gesetz vom 21. Juli 1852 enthielt die Bestimmung,
daß, wenn Dienstvergehen eines Urwalds in der Sitzung eines Gerichts vor¬
fallen, das Gericht selbst über dieses Vergehen zu erkennen befugt sei. Das
Reichsgesetz hat aber diese Bestimmungen nicht in sich ausgenommen. Mit Aus-
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