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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Nachweis der Mandatsverteilung könnte gleichzeitig im Reichsanzeiger veröffent¬
licht werden.

Nachdem die Mitglieder des neuen Reichstages proklamirt sind, löst sich
die Neichswahlkonnuission auf. Ihre Thätigkeit sowohl wie die aller untern
Wahlinstanzcn ruht für die ganze Dauer der Legislaturperiode und beginnt erst
wieder mit Eröffnung eines neuen allgemeinen Wahlaktes.


Ergänzung des Reichstages.

In der nunmehr konstituirten Versammlung können Lücken entstehen durch
Ablehnung oder Niederlegung eines Maubads, durch Uugiltigkeitscrklärung der
Wahl oder durch den Tod. In allen diesen Fällen findet eine Nachwahl nicht
statt. Der Abgang wird vielmehr nach denselben Grundsätzen ergänzt, welche
bereits früher bei den Zusatzmandaten der einzelnen Parteiverbände Anwendung
fanden. Das Wahlregister der Reichswahlkommissivn bietet dafür alle erforder¬
lichen ziffermäßigen Belege. Eine beglaubigte Abschrift wird bei Zusammentritt
des Reichstages dem Präsidium übergeben und als Wnhlurkuude dem Archiv
des Hauses einverleibt. Eine Ersatzkommission ist also jeder Zeit imstande, auf
Grund dieses Aktenmaterials den Kandidaten namentlich zu bezeichnen, der auf
das erledigte Mandat Anspruch hat. Dasselbe bleibt unter allen Umständen
der Berufsklasse erhalten, welcher das ausgcschiedne Reichstagsmitglied angehörte,
ebenso auch dem Parteiverbande, und zwar rückt hierbei der nächste Ersatzkandidat
in die offne Stelle ein. Gehörte der anSgeschiedne Abgeordnete als ehemaliger
isolirter Kandidat keinem Parteiverbande an, so sällt sein Sitz demjenigen Ver¬
bände oder isolirten Kandidaten zu, der bei der ersten Mandatsverteilung den
höchsten Stimmenüberschuß behielt, nachdem die Zusatzmandatc vergeben waren.
Lehnt der von der Ersatzkommission vorgeschlagne Ersatzmann die Annahme des
Mandates ab oder fehlt dein zuerst zu berücksichtigenden Parteiverbande ein Ersatz¬
kandidat, so wird der Sitz dem Nüchstberechtigten angetragen u. s. f.

Wie leicht erkennbar ist, fügt sich dieser von Marxen vorgeschlagene Ergän¬
zungsmodus organisch dem Prvportionalitätsprinzip an. Der allgemeine einmalige
Wahlakt, der die Vertretung des Volkes bestimmte, behält eine nachwirkende
Kraft, die bei der Ergänzung jeder Lücke wieder zur Geltung kommt. Durch
die Namhaftmachung von Ersatzkandidaten hat die Wählerschaft von vornherein
zur Ersatzfrage Stellung genommen und sie im voraus geregelt. Der Ein¬
wand, daß damit die Stärke der Parteien anf die Dauer von drei Jahren fest
begrenzt ist und Wandlungen in den politischen Anschauungen der Wählerschaft
während dieses Zeitrcunucs nicht mehr zum Ausdruck gelangen können, kommt
angesichts der großen Vorzüge des neuen Verfahrens nicht in Betracht. Es
kann auch füglich die Gegenfrage erhoben werde", ob die heutigen Ersatzwahlen
in ihrer lokalen Begrenzung den Rücksichten der Billigkeit entsprechen, indem
doch der Zufall, der das Ausscheiden einzelner Mitglieder bestimmt, nicht ent-


Nachweis der Mandatsverteilung könnte gleichzeitig im Reichsanzeiger veröffent¬
licht werden.

Nachdem die Mitglieder des neuen Reichstages proklamirt sind, löst sich
die Neichswahlkonnuission auf. Ihre Thätigkeit sowohl wie die aller untern
Wahlinstanzcn ruht für die ganze Dauer der Legislaturperiode und beginnt erst
wieder mit Eröffnung eines neuen allgemeinen Wahlaktes.


Ergänzung des Reichstages.

In der nunmehr konstituirten Versammlung können Lücken entstehen durch
Ablehnung oder Niederlegung eines Maubads, durch Uugiltigkeitscrklärung der
Wahl oder durch den Tod. In allen diesen Fällen findet eine Nachwahl nicht
statt. Der Abgang wird vielmehr nach denselben Grundsätzen ergänzt, welche
bereits früher bei den Zusatzmandaten der einzelnen Parteiverbände Anwendung
fanden. Das Wahlregister der Reichswahlkommissivn bietet dafür alle erforder¬
lichen ziffermäßigen Belege. Eine beglaubigte Abschrift wird bei Zusammentritt
des Reichstages dem Präsidium übergeben und als Wnhlurkuude dem Archiv
des Hauses einverleibt. Eine Ersatzkommission ist also jeder Zeit imstande, auf
Grund dieses Aktenmaterials den Kandidaten namentlich zu bezeichnen, der auf
das erledigte Mandat Anspruch hat. Dasselbe bleibt unter allen Umständen
der Berufsklasse erhalten, welcher das ausgcschiedne Reichstagsmitglied angehörte,
ebenso auch dem Parteiverbande, und zwar rückt hierbei der nächste Ersatzkandidat
in die offne Stelle ein. Gehörte der anSgeschiedne Abgeordnete als ehemaliger
isolirter Kandidat keinem Parteiverbande an, so sällt sein Sitz demjenigen Ver¬
bände oder isolirten Kandidaten zu, der bei der ersten Mandatsverteilung den
höchsten Stimmenüberschuß behielt, nachdem die Zusatzmandatc vergeben waren.
Lehnt der von der Ersatzkommission vorgeschlagne Ersatzmann die Annahme des
Mandates ab oder fehlt dein zuerst zu berücksichtigenden Parteiverbande ein Ersatz¬
kandidat, so wird der Sitz dem Nüchstberechtigten angetragen u. s. f.

Wie leicht erkennbar ist, fügt sich dieser von Marxen vorgeschlagene Ergän¬
zungsmodus organisch dem Prvportionalitätsprinzip an. Der allgemeine einmalige
Wahlakt, der die Vertretung des Volkes bestimmte, behält eine nachwirkende
Kraft, die bei der Ergänzung jeder Lücke wieder zur Geltung kommt. Durch
die Namhaftmachung von Ersatzkandidaten hat die Wählerschaft von vornherein
zur Ersatzfrage Stellung genommen und sie im voraus geregelt. Der Ein¬
wand, daß damit die Stärke der Parteien anf die Dauer von drei Jahren fest
begrenzt ist und Wandlungen in den politischen Anschauungen der Wählerschaft
während dieses Zeitrcunucs nicht mehr zum Ausdruck gelangen können, kommt
angesichts der großen Vorzüge des neuen Verfahrens nicht in Betracht. Es
kann auch füglich die Gegenfrage erhoben werde», ob die heutigen Ersatzwahlen
in ihrer lokalen Begrenzung den Rücksichten der Billigkeit entsprechen, indem
doch der Zufall, der das Ausscheiden einzelner Mitglieder bestimmt, nicht ent-


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[0134] Nachweis der Mandatsverteilung könnte gleichzeitig im Reichsanzeiger veröffent¬ licht werden. Nachdem die Mitglieder des neuen Reichstages proklamirt sind, löst sich die Neichswahlkonnuission auf. Ihre Thätigkeit sowohl wie die aller untern Wahlinstanzcn ruht für die ganze Dauer der Legislaturperiode und beginnt erst wieder mit Eröffnung eines neuen allgemeinen Wahlaktes. Ergänzung des Reichstages. In der nunmehr konstituirten Versammlung können Lücken entstehen durch Ablehnung oder Niederlegung eines Maubads, durch Uugiltigkeitscrklärung der Wahl oder durch den Tod. In allen diesen Fällen findet eine Nachwahl nicht statt. Der Abgang wird vielmehr nach denselben Grundsätzen ergänzt, welche bereits früher bei den Zusatzmandaten der einzelnen Parteiverbände Anwendung fanden. Das Wahlregister der Reichswahlkommissivn bietet dafür alle erforder¬ lichen ziffermäßigen Belege. Eine beglaubigte Abschrift wird bei Zusammentritt des Reichstages dem Präsidium übergeben und als Wnhlurkuude dem Archiv des Hauses einverleibt. Eine Ersatzkommission ist also jeder Zeit imstande, auf Grund dieses Aktenmaterials den Kandidaten namentlich zu bezeichnen, der auf das erledigte Mandat Anspruch hat. Dasselbe bleibt unter allen Umständen der Berufsklasse erhalten, welcher das ausgcschiedne Reichstagsmitglied angehörte, ebenso auch dem Parteiverbande, und zwar rückt hierbei der nächste Ersatzkandidat in die offne Stelle ein. Gehörte der anSgeschiedne Abgeordnete als ehemaliger isolirter Kandidat keinem Parteiverbande an, so sällt sein Sitz demjenigen Ver¬ bände oder isolirten Kandidaten zu, der bei der ersten Mandatsverteilung den höchsten Stimmenüberschuß behielt, nachdem die Zusatzmandatc vergeben waren. Lehnt der von der Ersatzkommission vorgeschlagne Ersatzmann die Annahme des Mandates ab oder fehlt dein zuerst zu berücksichtigenden Parteiverbande ein Ersatz¬ kandidat, so wird der Sitz dem Nüchstberechtigten angetragen u. s. f. Wie leicht erkennbar ist, fügt sich dieser von Marxen vorgeschlagene Ergän¬ zungsmodus organisch dem Prvportionalitätsprinzip an. Der allgemeine einmalige Wahlakt, der die Vertretung des Volkes bestimmte, behält eine nachwirkende Kraft, die bei der Ergänzung jeder Lücke wieder zur Geltung kommt. Durch die Namhaftmachung von Ersatzkandidaten hat die Wählerschaft von vornherein zur Ersatzfrage Stellung genommen und sie im voraus geregelt. Der Ein¬ wand, daß damit die Stärke der Parteien anf die Dauer von drei Jahren fest begrenzt ist und Wandlungen in den politischen Anschauungen der Wählerschaft während dieses Zeitrcunucs nicht mehr zum Ausdruck gelangen können, kommt angesichts der großen Vorzüge des neuen Verfahrens nicht in Betracht. Es kann auch füglich die Gegenfrage erhoben werde», ob die heutigen Ersatzwahlen in ihrer lokalen Begrenzung den Rücksichten der Billigkeit entsprechen, indem doch der Zufall, der das Ausscheiden einzelner Mitglieder bestimmt, nicht ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/134>, abgerufen am 15.01.2025.