Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes ;c. Richtig ist es ja, daß jetzt bei den Eidesleistungen unverhältnismäßig viel Es bleibt noch übrig, kurz darauf hinzuweisen, daß neben dem Gerichtsstande Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes ;c. Richtig ist es ja, daß jetzt bei den Eidesleistungen unverhältnismäßig viel Es bleibt noch übrig, kurz darauf hinzuweisen, daß neben dem Gerichtsstande <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196836"/> <fw type="header" place="top"> Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes ;c.</fw><lb/> <p xml:id="ID_260"> Richtig ist es ja, daß jetzt bei den Eidesleistungen unverhältnismäßig viel<lb/> Zeit verloren geht; es würde sich dies aber vielleicht in andrer Weise unter<lb/> gleichzeitiger Verminderung der Eide überhaupt beseitigen lassen, wie ja auch<lb/> der Z 56». des Entwurfes gestatten will, von der Vereidigung eines Zeugen<lb/> abzusehen, dessen Aussage sich nach richterlicher Überzeugung offenbar als un¬<lb/> glaubwürdig darstellt, eine Bestimmung, welche freilich beim Voreide nicht<lb/> ausführbar ist. Man kann für Beamte, welche auf die Glaubwürdigkeit<lb/> ihrer Anzeigen verpflichtet sind, oder bei Beamten überhaupt, sofern sie über<lb/> eine dienstliche Wahrnehmung vernommen werden, die Versicherung auf den<lb/> Diensteid einführen. Man kann den Parteien das Recht einräumen, auf die<lb/> Vereidigung des Zeugen mit Zustimmung des Gerichtes zu verzichten, wobei<lb/> dem öffentlichen Interesse nichts vergeben würde, da ja der Vertreter des öffent¬<lb/> lichen Interesses, der Staatsanwalt, am Verzichte teilzunehmen hat, und wobei<lb/> in sehr vielen Fällen nichts in Frage gestellt würde, da ja namentlich Sachver¬<lb/> ständige meist am Ausgange eines Strafverfahrens ohne jegliches persönliche<lb/> Interesse sind. Man könnte auch den Weg wählen, den die kurhessische Straf¬<lb/> prozeßordnung vom 28. Oktober 1863 einschlug, welche im amtsgerichtlicheu Straf¬<lb/> verfahren die Vereidigung der Auskunftspcrsonen nur auf Verlangen einer der<lb/> beiden Parteien oder auf Grund des richterlichen Ermessens gestattete, eine Ein¬<lb/> richtung, welche allerdings nur bei einer sehr geringen amtsgerichtlichen Zu¬<lb/> ständigkeit empfehlenswert sein dürfte. Ob und welchen dieser verschiednen<lb/> Wege man für zweckmäßig halten möchte, darüber läßt sich ja streiten; jeden¬<lb/> falls kommt man auf ihnen weiter als mit der gemeinschaftlichen Vereidigung<lb/> der Zeugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_261" next="#ID_262"> Es bleibt noch übrig, kurz darauf hinzuweisen, daß neben dem Gerichtsstande<lb/> der begangenen That und des Wohnortes auch der der Ergreifung eingeführt<lb/> werden, daß für alle im In- und Auslande begangenen Gesetzesübertretungen<lb/> in Ermangelung eines besondern Gerichtsstandes das Reichsgericht denselben be¬<lb/> stimmen, daß der Zeuge wie früher über keine Thatsachen, die ihm zur Schande ge¬<lb/> reichen können, Aussage zu machen verpflichtet sein soll, daß der vor Erhebung der<lb/> öffentlichen Klage erlassene Haftbefehl nicht, wie jetzt schon, nach einer Woche, sondern<lb/> erst nach sechs Wochen (bei Übertretungen nach zwei Wochen) aufgehoben werden<lb/> soll, falls bis dahin öffentliche Klage nicht erhoben ist, daß der Vorsitzende die Lei¬<lb/> tung der Verhandlungen und Aufnahme der Beweise in einzelnen Sachen ganz oder<lb/> teilweise soll einem Beisitzer des Gerichtes übertragen können, daß in dein Urteil<lb/> auch die Gründe angegeben werden sollen, aus welchen die für erwiesen ange¬<lb/> sehenen Thatsachen als erwiesen angesehen werden, daß bei Einlegung der Be¬<lb/> rufung nicht mehr wie jetzt einzelne Beschwerdepnnkte sollen angegeben werden<lb/> können, sondern angegeben werden müssen, und beim Mangel einer solchen An¬<lb/> gabe die Berufung nicht wie jetzt das ganze Urteil angreifen, sondern als nicht<lb/> eingelegt gelten soll, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund neuer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes ;c.
Richtig ist es ja, daß jetzt bei den Eidesleistungen unverhältnismäßig viel
Zeit verloren geht; es würde sich dies aber vielleicht in andrer Weise unter
gleichzeitiger Verminderung der Eide überhaupt beseitigen lassen, wie ja auch
der Z 56». des Entwurfes gestatten will, von der Vereidigung eines Zeugen
abzusehen, dessen Aussage sich nach richterlicher Überzeugung offenbar als un¬
glaubwürdig darstellt, eine Bestimmung, welche freilich beim Voreide nicht
ausführbar ist. Man kann für Beamte, welche auf die Glaubwürdigkeit
ihrer Anzeigen verpflichtet sind, oder bei Beamten überhaupt, sofern sie über
eine dienstliche Wahrnehmung vernommen werden, die Versicherung auf den
Diensteid einführen. Man kann den Parteien das Recht einräumen, auf die
Vereidigung des Zeugen mit Zustimmung des Gerichtes zu verzichten, wobei
dem öffentlichen Interesse nichts vergeben würde, da ja der Vertreter des öffent¬
lichen Interesses, der Staatsanwalt, am Verzichte teilzunehmen hat, und wobei
in sehr vielen Fällen nichts in Frage gestellt würde, da ja namentlich Sachver¬
ständige meist am Ausgange eines Strafverfahrens ohne jegliches persönliche
Interesse sind. Man könnte auch den Weg wählen, den die kurhessische Straf¬
prozeßordnung vom 28. Oktober 1863 einschlug, welche im amtsgerichtlicheu Straf¬
verfahren die Vereidigung der Auskunftspcrsonen nur auf Verlangen einer der
beiden Parteien oder auf Grund des richterlichen Ermessens gestattete, eine Ein¬
richtung, welche allerdings nur bei einer sehr geringen amtsgerichtlichen Zu¬
ständigkeit empfehlenswert sein dürfte. Ob und welchen dieser verschiednen
Wege man für zweckmäßig halten möchte, darüber läßt sich ja streiten; jeden¬
falls kommt man auf ihnen weiter als mit der gemeinschaftlichen Vereidigung
der Zeugen.
Es bleibt noch übrig, kurz darauf hinzuweisen, daß neben dem Gerichtsstande
der begangenen That und des Wohnortes auch der der Ergreifung eingeführt
werden, daß für alle im In- und Auslande begangenen Gesetzesübertretungen
in Ermangelung eines besondern Gerichtsstandes das Reichsgericht denselben be¬
stimmen, daß der Zeuge wie früher über keine Thatsachen, die ihm zur Schande ge¬
reichen können, Aussage zu machen verpflichtet sein soll, daß der vor Erhebung der
öffentlichen Klage erlassene Haftbefehl nicht, wie jetzt schon, nach einer Woche, sondern
erst nach sechs Wochen (bei Übertretungen nach zwei Wochen) aufgehoben werden
soll, falls bis dahin öffentliche Klage nicht erhoben ist, daß der Vorsitzende die Lei¬
tung der Verhandlungen und Aufnahme der Beweise in einzelnen Sachen ganz oder
teilweise soll einem Beisitzer des Gerichtes übertragen können, daß in dein Urteil
auch die Gründe angegeben werden sollen, aus welchen die für erwiesen ange¬
sehenen Thatsachen als erwiesen angesehen werden, daß bei Einlegung der Be¬
rufung nicht mehr wie jetzt einzelne Beschwerdepnnkte sollen angegeben werden
können, sondern angegeben werden müssen, und beim Mangel einer solchen An¬
gabe die Berufung nicht wie jetzt das ganze Urteil angreifen, sondern als nicht
eingelegt gelten soll, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund neuer
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