Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Sommerfrische in Tirol. nur der Genuß derselben zu gute kommt. Aber dem ist doch nicht so. Je mehr Schon feit Jahren laden die Riefet, Geucke u. a. zu Extrazüge" ein, und Gesell¬ Die Hauptsache aber ist doch der Ort, den man zur Sommerfrische er¬ Sommerfrische in Tirol. nur der Genuß derselben zu gute kommt. Aber dem ist doch nicht so. Je mehr Schon feit Jahren laden die Riefet, Geucke u. a. zu Extrazüge« ein, und Gesell¬ Die Hauptsache aber ist doch der Ort, den man zur Sommerfrische er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196188"/> <fw type="header" place="top"> Sommerfrische in Tirol.</fw><lb/> <p xml:id="ID_263" prev="#ID_262"> nur der Genuß derselben zu gute kommt. Aber dem ist doch nicht so. Je mehr<lb/> die Kulturarbeit im allgemeinen wächst und je stärker der einzelne dabei be¬<lb/> teiligt ist, umso intensiver wird seine Kraft in Anspruch genommen und umso<lb/> entschiedner macht sich bei ihm das Bedürfnis geltend, aus dem ihm an¬<lb/> gewiesenen oder selbstgewählten Berufe, dem er Tag für Tag und Jahr für<lb/> Jahr seine geistige Kraft widmet, sich einmal im Jahre ganz herauszureißen<lb/> und fern von der Stätte seiner Thätigkeit geistige wie körperliche Frische und<lb/> neue Kraft zu immer wieder neuer Arbeit zu gewinnen. „Sommerfrische" ist<lb/> deshalb ein immer mehr zunehmendes Bedürfnis. Und Hand in Hand mit dein<lb/> Wachsen des Bedürfnisses, das sich oft wie eine Naturgewalt geltend macht,<lb/> geht die Erleichterung des Verkehrs und die Einrichtung und' Verbesserung<lb/> geeigneter Aufenthaltsorte für die Sommerfrische.</p><lb/> <p xml:id="ID_264"> Schon feit Jahren laden die Riefet, Geucke u. a. zu Extrazüge« ein, und Gesell¬<lb/> schaften, Turnvereine, Gesangvereine und wie sie alle heißen, die Gemeinschaften<lb/> des vereinswtttigen Deutschen, bleiben dahinter nicht zurück. Haben diese Reise-<lb/> gelegenheiten jedenfalls das Gute, auch dem Minderbemittelten das Fortkommen<lb/> zu erleichtern nud ihn auch einmal ein Stück in die weite Welt hinauszuführen,<lb/> von der er sonst nicht leicht etwas zu sehen bekäme, so haben sie doch auch ihre<lb/> Schattenseiten. Mit einer Anzahl von Leuten, die man garnicht kennt, sich gemein¬<lb/> schaftlich zu amüsiren, hat gerade oft für feinfühligere Naturen etwas Banausisches<lb/> und Abschreckendes. Wie die wahre Freude nur im innersten Wesen empfunden<lb/> wird, so will sie sich auch nicht von aller Welt beobachtet sehen, und der Er¬<lb/> holungsbedürftige darf nicht den Eindrnck machen, als wolle er sich nun, ge¬<lb/> wissermaßen geschäftsmäßig, amüsiren. Wer also sparsam leben muß, aber nicht<lb/> mit einem solchen Vereine oder einer besondern Reisegesellschaft, die er erst<lb/> unterwegs kennen lernen soll, reisen mag, und doch gern einmal in die weite<lb/> Welt hinaus möchte, dem kommen die seit vorigem Jahre eingeführte«, tombinir-<lb/> barcn Nundreisebillete sehr zu statten. Allerdings haben sie für Familien den<lb/> Mangel, daß sie kein Freigepäck gewähren, für alle außerdem den, daß sie den<lb/> Inhaber an eine ganz bestimmte Linie binden. Als letztes Ziel — hoffentlich<lb/> erleben wir es noch! — wird man die Gründung eines internationalen oder<lb/> Welteisenbahnvereins als mindestens gleich wichtiges Seitenstück zu dem Welt¬<lb/> postverein ansehen dürfen, bei welchem an Stelle des jetzigen außerordentlich<lb/> verwickelten und mannichfaltigen Fahrkartenwcsens einfache Kilvmeterchccks trete«.<lb/> Das wird schon der noch unbekannte Stephan des Welteisenbahnvcreins bestens<lb/> besorgen; bis dahin müsse« wir für die Einrichtung der kvmbinirbaren Nund¬<lb/> reisebillete dankbar sein und dürfen hoffen, daß die Neichseisenbahnämter in<lb/> Mitteleuropa auf Beseitigung von wahrnehmbar werdenden Mängeln bedacht<lb/> sein werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_265" next="#ID_266"> Die Hauptsache aber ist doch der Ort, den man zur Sommerfrische er¬<lb/> wählt und a« dem man sich, je nach der Länge des Urlaubs oder der Ferien,<lb/> kürzere oder längere Zeit aufhalte« will. Nun sind seit geraumer Zeit schon<lb/> ein beliebtes und regelmäßiges Reiseziel für tausende von Familien die Alpen,<lb/> von der Schweiz im Westen bis in die Steiermark im Osten, von denen erstere<lb/> wohl noch am meisten, letztere am wenigsten besucht wird; und in der That,<lb/> einen herrlicheren Platz für die Sommerfrische kann es nicht geben als die<lb/> Alpenlandschafte«. Neben der Schweiz aber, neben Oberbaiern und dem Salz¬<lb/> kammergute, die bisher am meisten besucht wurden, wird in wachsendem Maße<lb/> Tirol zum Sommeraufenthalte gewählt; aber meist begnügt man sich mit der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Sommerfrische in Tirol.
nur der Genuß derselben zu gute kommt. Aber dem ist doch nicht so. Je mehr
die Kulturarbeit im allgemeinen wächst und je stärker der einzelne dabei be¬
teiligt ist, umso intensiver wird seine Kraft in Anspruch genommen und umso
entschiedner macht sich bei ihm das Bedürfnis geltend, aus dem ihm an¬
gewiesenen oder selbstgewählten Berufe, dem er Tag für Tag und Jahr für
Jahr seine geistige Kraft widmet, sich einmal im Jahre ganz herauszureißen
und fern von der Stätte seiner Thätigkeit geistige wie körperliche Frische und
neue Kraft zu immer wieder neuer Arbeit zu gewinnen. „Sommerfrische" ist
deshalb ein immer mehr zunehmendes Bedürfnis. Und Hand in Hand mit dein
Wachsen des Bedürfnisses, das sich oft wie eine Naturgewalt geltend macht,
geht die Erleichterung des Verkehrs und die Einrichtung und' Verbesserung
geeigneter Aufenthaltsorte für die Sommerfrische.
Schon feit Jahren laden die Riefet, Geucke u. a. zu Extrazüge« ein, und Gesell¬
schaften, Turnvereine, Gesangvereine und wie sie alle heißen, die Gemeinschaften
des vereinswtttigen Deutschen, bleiben dahinter nicht zurück. Haben diese Reise-
gelegenheiten jedenfalls das Gute, auch dem Minderbemittelten das Fortkommen
zu erleichtern nud ihn auch einmal ein Stück in die weite Welt hinauszuführen,
von der er sonst nicht leicht etwas zu sehen bekäme, so haben sie doch auch ihre
Schattenseiten. Mit einer Anzahl von Leuten, die man garnicht kennt, sich gemein¬
schaftlich zu amüsiren, hat gerade oft für feinfühligere Naturen etwas Banausisches
und Abschreckendes. Wie die wahre Freude nur im innersten Wesen empfunden
wird, so will sie sich auch nicht von aller Welt beobachtet sehen, und der Er¬
holungsbedürftige darf nicht den Eindrnck machen, als wolle er sich nun, ge¬
wissermaßen geschäftsmäßig, amüsiren. Wer also sparsam leben muß, aber nicht
mit einem solchen Vereine oder einer besondern Reisegesellschaft, die er erst
unterwegs kennen lernen soll, reisen mag, und doch gern einmal in die weite
Welt hinaus möchte, dem kommen die seit vorigem Jahre eingeführte«, tombinir-
barcn Nundreisebillete sehr zu statten. Allerdings haben sie für Familien den
Mangel, daß sie kein Freigepäck gewähren, für alle außerdem den, daß sie den
Inhaber an eine ganz bestimmte Linie binden. Als letztes Ziel — hoffentlich
erleben wir es noch! — wird man die Gründung eines internationalen oder
Welteisenbahnvereins als mindestens gleich wichtiges Seitenstück zu dem Welt¬
postverein ansehen dürfen, bei welchem an Stelle des jetzigen außerordentlich
verwickelten und mannichfaltigen Fahrkartenwcsens einfache Kilvmeterchccks trete«.
Das wird schon der noch unbekannte Stephan des Welteisenbahnvcreins bestens
besorgen; bis dahin müsse« wir für die Einrichtung der kvmbinirbaren Nund¬
reisebillete dankbar sein und dürfen hoffen, daß die Neichseisenbahnämter in
Mitteleuropa auf Beseitigung von wahrnehmbar werdenden Mängeln bedacht
sein werden.
Die Hauptsache aber ist doch der Ort, den man zur Sommerfrische er¬
wählt und a« dem man sich, je nach der Länge des Urlaubs oder der Ferien,
kürzere oder längere Zeit aufhalte« will. Nun sind seit geraumer Zeit schon
ein beliebtes und regelmäßiges Reiseziel für tausende von Familien die Alpen,
von der Schweiz im Westen bis in die Steiermark im Osten, von denen erstere
wohl noch am meisten, letztere am wenigsten besucht wird; und in der That,
einen herrlicheren Platz für die Sommerfrische kann es nicht geben als die
Alpenlandschafte«. Neben der Schweiz aber, neben Oberbaiern und dem Salz¬
kammergute, die bisher am meisten besucht wurden, wird in wachsendem Maße
Tirol zum Sommeraufenthalte gewählt; aber meist begnügt man sich mit der
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