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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der Streit über die Aaroiinen.

Inseln verödet sein. Wir hoffen daher, daß die Karolinen unter deutschen Schutz
kommen, oder daß der Streit wenigstens mit einem Vertrage endigt, der alle
spanischen Mißbräuche von diesen Inseln ausschließt, den deutschen Schiffern
und Kaufleuten Sicherheit vor spanischer Willkür verschafft und die Eingebornen
vor dem Ruin bewahrt, der den Handel mit ihnen unmöglich machen würde,
da sie im entgegengesetzten Falle bald nichts mehr erzeugen und zu verkaufen
haben würden.

Daran knüpft sich nach den neueste" Berichten aus der Südsee eine zweite
Hoffnung, die nämlich, daß das deutsche Reich bald auch die Marschallinseln,
wo Deutsche ebenfalls Faktoreien angelegt haben, unter seinen Schutz stellen
wird oder schon gestellt hat. Der Reisende Dr. Stubei schlug vor etwa Jahres¬
frist vor, man möge ihn auf einem Kriegsschiffe im Mai d. I. zunächst nach
Neubritannien und von da nach Jay gehen und hierauf über die Marschall-
und Gilbertinseln nach Avia zurückkehren lassen, und ist dies geschehen, so dürfte
sich das Gerücht einer Besitzergreifung der ersteren durch Deutschland, das vor
etwa vierzehn Tagen in der Presse auftauchte, bestätigen und bald die Nachricht
eintreffen, daß auch die Gilbertinseln in unsern Besitz übergegangen sind. Beide
Gruppen hatten bis jetzt keinen europäischen Besitzer. Das Regiment der Ein-
gebornen aber war wie auf den Karolinen ein feudales, d. h. die einzelnen
Stämme wurden von Häuptlingen beherrscht. Schon 1881 machte das deutsche
Kriegsschiff "Habicht" eine längere Rundreise durch die Inselgruppe, und im
vorigen Jahre rekognoszirte die "Hyäne" einige der Eilande. Dieselben liefern
für den Handel gleichfalls vorzüglich Kopra. Durch einen Bericht Dr. Stübels
wissen wir, daß die Firma Hernsheim u. Komp. von den westlichen Inseln
dieser Gruppe seit 1876 folgende "bearbeitet": Jaluit (die Hauptstation mit
deutschem Konsulat und Kohlenlager), Ebon, Namurik, Arma (je eine Faktorei),
Madschura und Mittl (je zwei Faktoreien). Von den östlichen hat die Firma
im vorigen Jahre Aur und Moloelap "in Arbeit genommen." Weiterhin
kommt die deutsche Plantagengesellschaft mit ihren Erwerbungen und neben
dieser nur noch die englische Firma Fenderson und Mac Farlane in Betracht,
die ihre Niederlassung auf der Insel Madschura hat. Die Marschallinseln
haben zusammen (es sind dreiunddreißig an der Zahl) eine Bevölkerung vou
etwa 10 000 Seelen und Produziren jährlich ungefähr 1400 Tonnen Kopra,
von denen etwa 1100 auf die beiden deutschen Häuser und 300 auf die englische
Firma zu rechnen sind.

Der Streit, der sich zwischen den Kabinetten von Berlin und Madrid über
den Besitz der Karolinen entsponnen hat, ist noch in der Schwebe und wird
vermutlich, wie Fürst Bismarck für den Fall einer NichtVerständigung zwischen
den beiden Kabinetten vorgeschlagen hat, durch schiedsrichterlichen Spruch einer
dritten Macht beendigt werden, obwohl Spanien dies im voraus abgelehnt zu
haben scheint. Auf einen Krieg es ankommen zu lassen, kann nnr spanischer


Der Streit über die Aaroiinen.

Inseln verödet sein. Wir hoffen daher, daß die Karolinen unter deutschen Schutz
kommen, oder daß der Streit wenigstens mit einem Vertrage endigt, der alle
spanischen Mißbräuche von diesen Inseln ausschließt, den deutschen Schiffern
und Kaufleuten Sicherheit vor spanischer Willkür verschafft und die Eingebornen
vor dem Ruin bewahrt, der den Handel mit ihnen unmöglich machen würde,
da sie im entgegengesetzten Falle bald nichts mehr erzeugen und zu verkaufen
haben würden.

Daran knüpft sich nach den neueste» Berichten aus der Südsee eine zweite
Hoffnung, die nämlich, daß das deutsche Reich bald auch die Marschallinseln,
wo Deutsche ebenfalls Faktoreien angelegt haben, unter seinen Schutz stellen
wird oder schon gestellt hat. Der Reisende Dr. Stubei schlug vor etwa Jahres¬
frist vor, man möge ihn auf einem Kriegsschiffe im Mai d. I. zunächst nach
Neubritannien und von da nach Jay gehen und hierauf über die Marschall-
und Gilbertinseln nach Avia zurückkehren lassen, und ist dies geschehen, so dürfte
sich das Gerücht einer Besitzergreifung der ersteren durch Deutschland, das vor
etwa vierzehn Tagen in der Presse auftauchte, bestätigen und bald die Nachricht
eintreffen, daß auch die Gilbertinseln in unsern Besitz übergegangen sind. Beide
Gruppen hatten bis jetzt keinen europäischen Besitzer. Das Regiment der Ein-
gebornen aber war wie auf den Karolinen ein feudales, d. h. die einzelnen
Stämme wurden von Häuptlingen beherrscht. Schon 1881 machte das deutsche
Kriegsschiff „Habicht" eine längere Rundreise durch die Inselgruppe, und im
vorigen Jahre rekognoszirte die „Hyäne" einige der Eilande. Dieselben liefern
für den Handel gleichfalls vorzüglich Kopra. Durch einen Bericht Dr. Stübels
wissen wir, daß die Firma Hernsheim u. Komp. von den westlichen Inseln
dieser Gruppe seit 1876 folgende „bearbeitet": Jaluit (die Hauptstation mit
deutschem Konsulat und Kohlenlager), Ebon, Namurik, Arma (je eine Faktorei),
Madschura und Mittl (je zwei Faktoreien). Von den östlichen hat die Firma
im vorigen Jahre Aur und Moloelap „in Arbeit genommen." Weiterhin
kommt die deutsche Plantagengesellschaft mit ihren Erwerbungen und neben
dieser nur noch die englische Firma Fenderson und Mac Farlane in Betracht,
die ihre Niederlassung auf der Insel Madschura hat. Die Marschallinseln
haben zusammen (es sind dreiunddreißig an der Zahl) eine Bevölkerung vou
etwa 10 000 Seelen und Produziren jährlich ungefähr 1400 Tonnen Kopra,
von denen etwa 1100 auf die beiden deutschen Häuser und 300 auf die englische
Firma zu rechnen sind.

Der Streit, der sich zwischen den Kabinetten von Berlin und Madrid über
den Besitz der Karolinen entsponnen hat, ist noch in der Schwebe und wird
vermutlich, wie Fürst Bismarck für den Fall einer NichtVerständigung zwischen
den beiden Kabinetten vorgeschlagen hat, durch schiedsrichterlichen Spruch einer
dritten Macht beendigt werden, obwohl Spanien dies im voraus abgelehnt zu
haben scheint. Auf einen Krieg es ankommen zu lassen, kann nnr spanischer


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[0619] Der Streit über die Aaroiinen. Inseln verödet sein. Wir hoffen daher, daß die Karolinen unter deutschen Schutz kommen, oder daß der Streit wenigstens mit einem Vertrage endigt, der alle spanischen Mißbräuche von diesen Inseln ausschließt, den deutschen Schiffern und Kaufleuten Sicherheit vor spanischer Willkür verschafft und die Eingebornen vor dem Ruin bewahrt, der den Handel mit ihnen unmöglich machen würde, da sie im entgegengesetzten Falle bald nichts mehr erzeugen und zu verkaufen haben würden. Daran knüpft sich nach den neueste» Berichten aus der Südsee eine zweite Hoffnung, die nämlich, daß das deutsche Reich bald auch die Marschallinseln, wo Deutsche ebenfalls Faktoreien angelegt haben, unter seinen Schutz stellen wird oder schon gestellt hat. Der Reisende Dr. Stubei schlug vor etwa Jahres¬ frist vor, man möge ihn auf einem Kriegsschiffe im Mai d. I. zunächst nach Neubritannien und von da nach Jay gehen und hierauf über die Marschall- und Gilbertinseln nach Avia zurückkehren lassen, und ist dies geschehen, so dürfte sich das Gerücht einer Besitzergreifung der ersteren durch Deutschland, das vor etwa vierzehn Tagen in der Presse auftauchte, bestätigen und bald die Nachricht eintreffen, daß auch die Gilbertinseln in unsern Besitz übergegangen sind. Beide Gruppen hatten bis jetzt keinen europäischen Besitzer. Das Regiment der Ein- gebornen aber war wie auf den Karolinen ein feudales, d. h. die einzelnen Stämme wurden von Häuptlingen beherrscht. Schon 1881 machte das deutsche Kriegsschiff „Habicht" eine längere Rundreise durch die Inselgruppe, und im vorigen Jahre rekognoszirte die „Hyäne" einige der Eilande. Dieselben liefern für den Handel gleichfalls vorzüglich Kopra. Durch einen Bericht Dr. Stübels wissen wir, daß die Firma Hernsheim u. Komp. von den westlichen Inseln dieser Gruppe seit 1876 folgende „bearbeitet": Jaluit (die Hauptstation mit deutschem Konsulat und Kohlenlager), Ebon, Namurik, Arma (je eine Faktorei), Madschura und Mittl (je zwei Faktoreien). Von den östlichen hat die Firma im vorigen Jahre Aur und Moloelap „in Arbeit genommen." Weiterhin kommt die deutsche Plantagengesellschaft mit ihren Erwerbungen und neben dieser nur noch die englische Firma Fenderson und Mac Farlane in Betracht, die ihre Niederlassung auf der Insel Madschura hat. Die Marschallinseln haben zusammen (es sind dreiunddreißig an der Zahl) eine Bevölkerung vou etwa 10 000 Seelen und Produziren jährlich ungefähr 1400 Tonnen Kopra, von denen etwa 1100 auf die beiden deutschen Häuser und 300 auf die englische Firma zu rechnen sind. Der Streit, der sich zwischen den Kabinetten von Berlin und Madrid über den Besitz der Karolinen entsponnen hat, ist noch in der Schwebe und wird vermutlich, wie Fürst Bismarck für den Fall einer NichtVerständigung zwischen den beiden Kabinetten vorgeschlagen hat, durch schiedsrichterlichen Spruch einer dritten Macht beendigt werden, obwohl Spanien dies im voraus abgelehnt zu haben scheint. Auf einen Krieg es ankommen zu lassen, kann nnr spanischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/619>, abgerufen am 01.09.2024.