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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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und dem Ganzen passend eingefügt war; über den Geschmack der Anordnung
oder die unendliche Fülle der Gebilde; über die sichere Auswahl des kunst- und
kulturgeschichtlich Passenden und Richtigen oder über die schöpferische Phantasie,
der ungesucht tausend Mittel der Allegorie und Symbolik zu gehste standen,
um die gewöhnlichsten Vorrichtungen des handwerklichen Lebens zu adeln und
Erfindungen unsrer Zeit, wie Eisenbahnen und Dampfschiffe, stilgerecht in den
Rahmen des Neuaisscmcebildcs zu fassen; über die Denkkraft, die wie spielend
die schwierigsten Aufgaben löste, oder über die frische Laune, welche einen heitern
Schimmer auch über das Trockenste und nüchternste ausgoß; über die sachver¬
ständige Beherrschung der verschiedenartigen menschlichen Thätigkeiten oder über
den künstlerischen Blick, dem alle Farben und all der bunte Glanz zur herrlichsten
Gesamtwirkung zusammenstimmten. , , . Mehr als einmal haben wir ans dem
Munde bei den Festzugsarbciteu beschäftigter Handwerker, Techniker, Architekten
und Bildhauer die Äußerung vernommen, es sei eigentlich schade, daß Makart
ein Maler geworden, einen so richtigen Blick und eine so sichere Hand besitze
er gerade für ihr eignes Fach. Der große Klcidcrküuftler Worth könnte Makart
um die Sicherheit und den Geschmack beneiden, womit er, wenn die Not an
den Mann geht, ein historisches Fraucnkostüm zuschreitet oder aber auch ge¬
legentlich eine moderne Toilette entwirft. Mit einem Druck der Hand versteht
er das Haargebäudc einer Fran in schöne Ordnung zu bringen. Er tritt in
eine Wiese und stellt im Nu ans Feldblumen einen Strauß zusammen, wie
ihn der geübteste Kunstgärtner nicht schöner winden könnte. Mit Verwunderung
sahen die, die ihn nicht kannten, wie er in den letzten heißen Vorbereituugs-
stnnden hier einen Bildhauer, der mit dem Modelliren nicht zurecht kam, in
der Arbeit ablöste, dort einem Architekten seine steifen Linien verbesserte, dann
einem Tapezierer, der bei der Ausschmückung der Fcstwagcu sich keinen Rat
wußte, aus der Not half."

Hans Canons Originalität fällt dem Beschauer nicht gleich bei dem ersten
Blick so entschieden ins Auge wie die Makarts, sie fordert nicht so laut zu Lob
oder Tadel auf, sie ist auch schwieriger in Worten auszudrücken. In seiner
Malerei sind die verschiedenartigsten überlieferten Elemente eigentümlich ver¬
schmolzen. Er gehörte keiner von den großen Schulen an, die im Laufe dieses
Jahrhunderts in Deutschland oder Frankreich geblüht haben; verhältnismäßig
spät zur Kunst geführt, war er in gewissem Sinne Autodidakt. Aber von den
Meister" der Renaissance, von Rubens und den holländischen Genremalern hatte
er mehr gelernt als irgendein Moderner. Aber eine kräftige, sinnliche, leiden¬
schaftliche Natur, wie er war, hatte er das Gelernte durchaus selbständig ver¬
arbeitet und es fällt auch dem Kenner sehr schwer, in seinen Bildern bestimmte
fremde Einflüsse, die ja gewiß basirt, nachzuweisen, man kann nun sagen: hier
malt er im Stil der Niederländer, dort des Tizian, hier der deutscheu Re¬
naissance. Großartig ist seine Vielseitigkeit: vereinigte man alle seine Werke


und dem Ganzen passend eingefügt war; über den Geschmack der Anordnung
oder die unendliche Fülle der Gebilde; über die sichere Auswahl des kunst- und
kulturgeschichtlich Passenden und Richtigen oder über die schöpferische Phantasie,
der ungesucht tausend Mittel der Allegorie und Symbolik zu gehste standen,
um die gewöhnlichsten Vorrichtungen des handwerklichen Lebens zu adeln und
Erfindungen unsrer Zeit, wie Eisenbahnen und Dampfschiffe, stilgerecht in den
Rahmen des Neuaisscmcebildcs zu fassen; über die Denkkraft, die wie spielend
die schwierigsten Aufgaben löste, oder über die frische Laune, welche einen heitern
Schimmer auch über das Trockenste und nüchternste ausgoß; über die sachver¬
ständige Beherrschung der verschiedenartigen menschlichen Thätigkeiten oder über
den künstlerischen Blick, dem alle Farben und all der bunte Glanz zur herrlichsten
Gesamtwirkung zusammenstimmten. , , . Mehr als einmal haben wir ans dem
Munde bei den Festzugsarbciteu beschäftigter Handwerker, Techniker, Architekten
und Bildhauer die Äußerung vernommen, es sei eigentlich schade, daß Makart
ein Maler geworden, einen so richtigen Blick und eine so sichere Hand besitze
er gerade für ihr eignes Fach. Der große Klcidcrküuftler Worth könnte Makart
um die Sicherheit und den Geschmack beneiden, womit er, wenn die Not an
den Mann geht, ein historisches Fraucnkostüm zuschreitet oder aber auch ge¬
legentlich eine moderne Toilette entwirft. Mit einem Druck der Hand versteht
er das Haargebäudc einer Fran in schöne Ordnung zu bringen. Er tritt in
eine Wiese und stellt im Nu ans Feldblumen einen Strauß zusammen, wie
ihn der geübteste Kunstgärtner nicht schöner winden könnte. Mit Verwunderung
sahen die, die ihn nicht kannten, wie er in den letzten heißen Vorbereituugs-
stnnden hier einen Bildhauer, der mit dem Modelliren nicht zurecht kam, in
der Arbeit ablöste, dort einem Architekten seine steifen Linien verbesserte, dann
einem Tapezierer, der bei der Ausschmückung der Fcstwagcu sich keinen Rat
wußte, aus der Not half."

Hans Canons Originalität fällt dem Beschauer nicht gleich bei dem ersten
Blick so entschieden ins Auge wie die Makarts, sie fordert nicht so laut zu Lob
oder Tadel auf, sie ist auch schwieriger in Worten auszudrücken. In seiner
Malerei sind die verschiedenartigsten überlieferten Elemente eigentümlich ver¬
schmolzen. Er gehörte keiner von den großen Schulen an, die im Laufe dieses
Jahrhunderts in Deutschland oder Frankreich geblüht haben; verhältnismäßig
spät zur Kunst geführt, war er in gewissem Sinne Autodidakt. Aber von den
Meister» der Renaissance, von Rubens und den holländischen Genremalern hatte
er mehr gelernt als irgendein Moderner. Aber eine kräftige, sinnliche, leiden¬
schaftliche Natur, wie er war, hatte er das Gelernte durchaus selbständig ver¬
arbeitet und es fällt auch dem Kenner sehr schwer, in seinen Bildern bestimmte
fremde Einflüsse, die ja gewiß basirt, nachzuweisen, man kann nun sagen: hier
malt er im Stil der Niederländer, dort des Tizian, hier der deutscheu Re¬
naissance. Großartig ist seine Vielseitigkeit: vereinigte man alle seine Werke


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[0613] und dem Ganzen passend eingefügt war; über den Geschmack der Anordnung oder die unendliche Fülle der Gebilde; über die sichere Auswahl des kunst- und kulturgeschichtlich Passenden und Richtigen oder über die schöpferische Phantasie, der ungesucht tausend Mittel der Allegorie und Symbolik zu gehste standen, um die gewöhnlichsten Vorrichtungen des handwerklichen Lebens zu adeln und Erfindungen unsrer Zeit, wie Eisenbahnen und Dampfschiffe, stilgerecht in den Rahmen des Neuaisscmcebildcs zu fassen; über die Denkkraft, die wie spielend die schwierigsten Aufgaben löste, oder über die frische Laune, welche einen heitern Schimmer auch über das Trockenste und nüchternste ausgoß; über die sachver¬ ständige Beherrschung der verschiedenartigen menschlichen Thätigkeiten oder über den künstlerischen Blick, dem alle Farben und all der bunte Glanz zur herrlichsten Gesamtwirkung zusammenstimmten. , , . Mehr als einmal haben wir ans dem Munde bei den Festzugsarbciteu beschäftigter Handwerker, Techniker, Architekten und Bildhauer die Äußerung vernommen, es sei eigentlich schade, daß Makart ein Maler geworden, einen so richtigen Blick und eine so sichere Hand besitze er gerade für ihr eignes Fach. Der große Klcidcrküuftler Worth könnte Makart um die Sicherheit und den Geschmack beneiden, womit er, wenn die Not an den Mann geht, ein historisches Fraucnkostüm zuschreitet oder aber auch ge¬ legentlich eine moderne Toilette entwirft. Mit einem Druck der Hand versteht er das Haargebäudc einer Fran in schöne Ordnung zu bringen. Er tritt in eine Wiese und stellt im Nu ans Feldblumen einen Strauß zusammen, wie ihn der geübteste Kunstgärtner nicht schöner winden könnte. Mit Verwunderung sahen die, die ihn nicht kannten, wie er in den letzten heißen Vorbereituugs- stnnden hier einen Bildhauer, der mit dem Modelliren nicht zurecht kam, in der Arbeit ablöste, dort einem Architekten seine steifen Linien verbesserte, dann einem Tapezierer, der bei der Ausschmückung der Fcstwagcu sich keinen Rat wußte, aus der Not half." Hans Canons Originalität fällt dem Beschauer nicht gleich bei dem ersten Blick so entschieden ins Auge wie die Makarts, sie fordert nicht so laut zu Lob oder Tadel auf, sie ist auch schwieriger in Worten auszudrücken. In seiner Malerei sind die verschiedenartigsten überlieferten Elemente eigentümlich ver¬ schmolzen. Er gehörte keiner von den großen Schulen an, die im Laufe dieses Jahrhunderts in Deutschland oder Frankreich geblüht haben; verhältnismäßig spät zur Kunst geführt, war er in gewissem Sinne Autodidakt. Aber von den Meister» der Renaissance, von Rubens und den holländischen Genremalern hatte er mehr gelernt als irgendein Moderner. Aber eine kräftige, sinnliche, leiden¬ schaftliche Natur, wie er war, hatte er das Gelernte durchaus selbständig ver¬ arbeitet und es fällt auch dem Kenner sehr schwer, in seinen Bildern bestimmte fremde Einflüsse, die ja gewiß basirt, nachzuweisen, man kann nun sagen: hier malt er im Stil der Niederländer, dort des Tizian, hier der deutscheu Re¬ naissance. Großartig ist seine Vielseitigkeit: vereinigte man alle seine Werke

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/613>, abgerufen am 01.09.2024.