Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Literatur. vermag ihn nicht ans dem Schlafe zu wecken. Dagegen gelingt es der "Wasser-
Auch das berühmte Gedicht Lermontows auf den Tod Puschkins ist aufgenommen, Gut für dich, mein Sohn, wohlerprobter Held Diese Verse mögen auch als Beispiel für deu kräftigen Stil gelten. Noch sind Literatur. vermag ihn nicht ans dem Schlafe zu wecken. Dagegen gelingt es der „Wasser-
Auch das berühmte Gedicht Lermontows auf den Tod Puschkins ist aufgenommen, Gut für dich, mein Sohn, wohlerprobter Held Diese Verse mögen auch als Beispiel für deu kräftigen Stil gelten. Noch sind <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196155"/> <fw type="header" place="top"> Literatur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_171" prev="#ID_170" next="#ID_172"> vermag ihn nicht ans dem Schlafe zu wecken. Dagegen gelingt es der „Wasser-<lb/> jnngfrau" (S. 30) Pnschkins, den alten Klausner in der Grotte am Ufer ihres<lb/> Sees mit Spielen und Lockungen zu bethören:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_1" type="poem"> <l> Und als die nächtlichen Gewalten<lb/> Verscheucht der Sonne Strahlenglut,<lb/> Gewährten nur den Bart des Alten<lb/> Die Fischcrkindcr in der Flut.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_172" prev="#ID_171" next="#ID_173"> Auch das berühmte Gedicht Lermontows auf den Tod Puschkins ist aufgenommen,<lb/> welches seinem Autor die Verbannung in den Kaukasus eintrug, wo er jung an<lb/> Jahren auch im Duell fallen sollte. Er wußte aber aus seinem Aufenthalte in<lb/> dem romantischen Gebirge Poetisches Kapital zu schlagen. Meisterstücke und national<lb/> charakteristisch sind die Balladen: „Der Ertrunkene," „Der Wojewode," „Budryß<lb/> und seine Söhne," „Der Husar" von Puschkin; „Die Gaben des Taret," „Tamara,"<lb/> „Das Stelldichein" von Lermontow. Vou den epischen Dichtungen Puschkins sind<lb/> übersehe: „Der Gefangne im Kaukasus," „Die Zigeuner," „Poltawa," und von<lb/> denen Lermontows: „Das Lied vom Zaren Jivau Wassilijewitsch," seinem jungen<lb/> Leibtrabanten Liribejewitsch und dem Kaufmannssohne Kalaschnikow: eine Dichtung<lb/> der seltensten Art, auch in Rußland doppelt berühmt wegen des ersten, genial<lb/> gelungner Versuches, den Volkston in der Kunstpoesie fortzubilden. Der junge<lb/> Günstling des grausamen Jwnu verliebt sich im Vorbeireiten in eine schöne Kauf-<lb/> mannsfrau; an der Tafel des Zaren kopfhängerisch dasitzend, erzählt er, aufgefordert,<lb/> von seiner Begegnung. Der Zar läßt ihm freies Spiel. Der Günstling überfüllt<lb/> hierauf die Frau auf offner Straße mit seinen Liebesantrügen, wodurch sie entehrt<lb/> wird. Ihr Gatte rächt sie, indem er beim öffentlichen Ringkampfe den übermütige»<lb/> Leibtrabanten mit einem Faustschläge tötet. Der zuschauende Zar gerät in Zorn; als<lb/> ihm aber der Kaufmann alles getreu erzählt, auch daß seine Brüder bereit gewesen<lb/> wären, sein Weib mit dem Tode ihres Beleidigers zu rächen, entscheidet Iwan höchst<lb/> charakteristisch:</p><lb/> <quote> Gut für dich, mein Sohn, wohlerprobter Held<lb/> Auf dem Kampfesfeld, kühner Kaufmcmussohn,<lb/> Das; du Antwort mir nach der Wahrheit gabst.<lb/> Will dein junges Weib und die Kinder dein<lb/> Reich beschenken aus dem eignen Schatz;<lb/> Deinen Brüdern aber geb' vom heut'gen Tag<lb/> Ich das Recht, zu hnndclu ohn' Gebühr und Zoll<lb/> In dem ganzen weiten Rnssenreich.<lb/> Doch dn selber steigen mußt, mein Sohn,<lb/> Auf deu hohen Richtplatz, auf den peinlichen,<lb/> Daß dein Haupt du legest hin, das stürmische.<lb/> Laß' das Beil dir schleifen, schleifen haareSscharf,<lb/> Heiß den Henker legen an sein bestes Kleid,<lb/> Laß' die große Glocke irrten nuche'gen KlnngS,<lb/> Daß sie alle wissen in Moskwa der Stadt:<lb/> Meine Gnade ist noch verblieben dir!</quote><lb/> <p xml:id="ID_173" prev="#ID_172"> Diese Verse mögen auch als Beispiel für deu kräftigen Stil gelten. Noch sind<lb/> übersetzt: „Der Novize" und der phantastische „Dämon." Die Uebersetznugskunst<lb/> Ascharius verdient alles Lob: sie thut der Sprache niemals Zwang an und erweckt<lb/> mit vollendeter Kunst den Eindruck des Originales in all den verschiednen Formen,<lb/> die sie zu bewältigen gehabt hat. Wenn hie und da ungewöhnliche Wendungen,<lb/> wie: „Deiner Hände warme Drücke" oder „er flog ans davon" vorkommen, oder<lb/> unreine Reime, so siud das verzeihliche Fehler gegenüber der stilistischen Meister¬<lb/> schaft, die sonst bekundet wird.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
Literatur.
vermag ihn nicht ans dem Schlafe zu wecken. Dagegen gelingt es der „Wasser-
jnngfrau" (S. 30) Pnschkins, den alten Klausner in der Grotte am Ufer ihres
Sees mit Spielen und Lockungen zu bethören:
Und als die nächtlichen Gewalten
Verscheucht der Sonne Strahlenglut,
Gewährten nur den Bart des Alten
Die Fischcrkindcr in der Flut.
Auch das berühmte Gedicht Lermontows auf den Tod Puschkins ist aufgenommen,
welches seinem Autor die Verbannung in den Kaukasus eintrug, wo er jung an
Jahren auch im Duell fallen sollte. Er wußte aber aus seinem Aufenthalte in
dem romantischen Gebirge Poetisches Kapital zu schlagen. Meisterstücke und national
charakteristisch sind die Balladen: „Der Ertrunkene," „Der Wojewode," „Budryß
und seine Söhne," „Der Husar" von Puschkin; „Die Gaben des Taret," „Tamara,"
„Das Stelldichein" von Lermontow. Vou den epischen Dichtungen Puschkins sind
übersehe: „Der Gefangne im Kaukasus," „Die Zigeuner," „Poltawa," und von
denen Lermontows: „Das Lied vom Zaren Jivau Wassilijewitsch," seinem jungen
Leibtrabanten Liribejewitsch und dem Kaufmannssohne Kalaschnikow: eine Dichtung
der seltensten Art, auch in Rußland doppelt berühmt wegen des ersten, genial
gelungner Versuches, den Volkston in der Kunstpoesie fortzubilden. Der junge
Günstling des grausamen Jwnu verliebt sich im Vorbeireiten in eine schöne Kauf-
mannsfrau; an der Tafel des Zaren kopfhängerisch dasitzend, erzählt er, aufgefordert,
von seiner Begegnung. Der Zar läßt ihm freies Spiel. Der Günstling überfüllt
hierauf die Frau auf offner Straße mit seinen Liebesantrügen, wodurch sie entehrt
wird. Ihr Gatte rächt sie, indem er beim öffentlichen Ringkampfe den übermütige»
Leibtrabanten mit einem Faustschläge tötet. Der zuschauende Zar gerät in Zorn; als
ihm aber der Kaufmann alles getreu erzählt, auch daß seine Brüder bereit gewesen
wären, sein Weib mit dem Tode ihres Beleidigers zu rächen, entscheidet Iwan höchst
charakteristisch:
Gut für dich, mein Sohn, wohlerprobter Held
Auf dem Kampfesfeld, kühner Kaufmcmussohn,
Das; du Antwort mir nach der Wahrheit gabst.
Will dein junges Weib und die Kinder dein
Reich beschenken aus dem eignen Schatz;
Deinen Brüdern aber geb' vom heut'gen Tag
Ich das Recht, zu hnndclu ohn' Gebühr und Zoll
In dem ganzen weiten Rnssenreich.
Doch dn selber steigen mußt, mein Sohn,
Auf deu hohen Richtplatz, auf den peinlichen,
Daß dein Haupt du legest hin, das stürmische.
Laß' das Beil dir schleifen, schleifen haareSscharf,
Heiß den Henker legen an sein bestes Kleid,
Laß' die große Glocke irrten nuche'gen KlnngS,
Daß sie alle wissen in Moskwa der Stadt:
Meine Gnade ist noch verblieben dir!
Diese Verse mögen auch als Beispiel für deu kräftigen Stil gelten. Noch sind
übersetzt: „Der Novize" und der phantastische „Dämon." Die Uebersetznugskunst
Ascharius verdient alles Lob: sie thut der Sprache niemals Zwang an und erweckt
mit vollendeter Kunst den Eindruck des Originales in all den verschiednen Formen,
die sie zu bewältigen gehabt hat. Wenn hie und da ungewöhnliche Wendungen,
wie: „Deiner Hände warme Drücke" oder „er flog ans davon" vorkommen, oder
unreine Reime, so siud das verzeihliche Fehler gegenüber der stilistischen Meister¬
schaft, die sonst bekundet wird.
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