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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Russen in Zentralasien.
4. (Schluß.)

he wir die neueste Gestaltung der Dinge im nordwestlichen Af¬
ghanistan betrachten, wie sie der Summer dieses Jahres aus¬
weist, prüfen wir ausführlicher verschiedne früher nur kurz berührte
Fragen in bezug ans die mittelasiatische Politik der Russen.
Wie in der englischen Politik in überseeischen Ländern pathetische
Phrasen von der Verpflichtung Großbritanniens, ans Erden Gesittung, Huma¬
nität, Gesetzlichkeit, Christentum und wahre Wohlfahrt auszubreiten, eine große
Rolle spielen und namentlich in der Presse häufig wiederkehren, während in
Wirklichkeit der reine Egoismus die Augen und Hände dieser Politik in Be¬
wegung setzt, so wird uns auch von russischen Schriftstellern nicht selten ver¬
sichert, daß die Regierung des Zaren bei ihren Eroberungen in Zcutralasien
eine zivilisatorische Mission verfolge, der sie sich uicht entziehen könne. Die¬
selbe soll wie eil? Naturtrieb wirken und so mächtig drängen, daß sie auch mit
Opfern fortgesetzt werden müsse. Wäre das richtig, wäre der erste nud letzte
Zweck der russischen Politik in Mittelasien, den dortigen Staate" und Völker¬
schaften in Gestalt besserer Sitten und Einrichtungen Wohlthaten geistiger und
materieller Art zu erweisen, ihnen Licht und Freiheit zu bringen, ihre Lebens-
bedingungen edler, schöner und menschenwürdiger zu machen, so würde das wie
ein Sprung in der natürlichen Entwicklung der Dinge, wie eine Anomalie, wie
eine seltsame Laune der Vorsehung aussehen, die das in den Willen des ruf
fischen Volkes gelegt hätte. Allerdings ist Rußland bei seinem Vordringen
uach dem Oxus und Jaxartes und weiterhin nach Süden ein Kulturträger und


Gttiizboten til. 1885, g?


Die Russen in Zentralasien.
4. (Schluß.)

he wir die neueste Gestaltung der Dinge im nordwestlichen Af¬
ghanistan betrachten, wie sie der Summer dieses Jahres aus¬
weist, prüfen wir ausführlicher verschiedne früher nur kurz berührte
Fragen in bezug ans die mittelasiatische Politik der Russen.
Wie in der englischen Politik in überseeischen Ländern pathetische
Phrasen von der Verpflichtung Großbritanniens, ans Erden Gesittung, Huma¬
nität, Gesetzlichkeit, Christentum und wahre Wohlfahrt auszubreiten, eine große
Rolle spielen und namentlich in der Presse häufig wiederkehren, während in
Wirklichkeit der reine Egoismus die Augen und Hände dieser Politik in Be¬
wegung setzt, so wird uns auch von russischen Schriftstellern nicht selten ver¬
sichert, daß die Regierung des Zaren bei ihren Eroberungen in Zcutralasien
eine zivilisatorische Mission verfolge, der sie sich uicht entziehen könne. Die¬
selbe soll wie eil? Naturtrieb wirken und so mächtig drängen, daß sie auch mit
Opfern fortgesetzt werden müsse. Wäre das richtig, wäre der erste nud letzte
Zweck der russischen Politik in Mittelasien, den dortigen Staate» und Völker¬
schaften in Gestalt besserer Sitten und Einrichtungen Wohlthaten geistiger und
materieller Art zu erweisen, ihnen Licht und Freiheit zu bringen, ihre Lebens-
bedingungen edler, schöner und menschenwürdiger zu machen, so würde das wie
ein Sprung in der natürlichen Entwicklung der Dinge, wie eine Anomalie, wie
eine seltsame Laune der Vorsehung aussehen, die das in den Willen des ruf
fischen Volkes gelegt hätte. Allerdings ist Rußland bei seinem Vordringen
uach dem Oxus und Jaxartes und weiterhin nach Süden ein Kulturträger und


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[0537] [Abbildung] Die Russen in Zentralasien. 4. (Schluß.) he wir die neueste Gestaltung der Dinge im nordwestlichen Af¬ ghanistan betrachten, wie sie der Summer dieses Jahres aus¬ weist, prüfen wir ausführlicher verschiedne früher nur kurz berührte Fragen in bezug ans die mittelasiatische Politik der Russen. Wie in der englischen Politik in überseeischen Ländern pathetische Phrasen von der Verpflichtung Großbritanniens, ans Erden Gesittung, Huma¬ nität, Gesetzlichkeit, Christentum und wahre Wohlfahrt auszubreiten, eine große Rolle spielen und namentlich in der Presse häufig wiederkehren, während in Wirklichkeit der reine Egoismus die Augen und Hände dieser Politik in Be¬ wegung setzt, so wird uns auch von russischen Schriftstellern nicht selten ver¬ sichert, daß die Regierung des Zaren bei ihren Eroberungen in Zcutralasien eine zivilisatorische Mission verfolge, der sie sich uicht entziehen könne. Die¬ selbe soll wie eil? Naturtrieb wirken und so mächtig drängen, daß sie auch mit Opfern fortgesetzt werden müsse. Wäre das richtig, wäre der erste nud letzte Zweck der russischen Politik in Mittelasien, den dortigen Staate» und Völker¬ schaften in Gestalt besserer Sitten und Einrichtungen Wohlthaten geistiger und materieller Art zu erweisen, ihnen Licht und Freiheit zu bringen, ihre Lebens- bedingungen edler, schöner und menschenwürdiger zu machen, so würde das wie ein Sprung in der natürlichen Entwicklung der Dinge, wie eine Anomalie, wie eine seltsame Laune der Vorsehung aussehen, die das in den Willen des ruf fischen Volkes gelegt hätte. Allerdings ist Rußland bei seinem Vordringen uach dem Oxus und Jaxartes und weiterhin nach Süden ein Kulturträger und Gttiizboten til. 1885, g?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/537>, abgerufen am 22.11.2024.