Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Um eine perle.

salvirt haben. Aber als wir ihn hatten, als er ungefährlich geworden war,
warum kamst du auch da noch nicht zu mir und sagtest mir leise ins Ohr:
Altezza, Euer Vetter ist ein Verschwörer -- vielleicht habt Ihr mir Aufträge
zu geben -- du verstehst mich, Antonio Maria, denn Mantua hält ihn ja doch
ster tot -- du verstehst mich, was soll zwischen dir und mir die Spiegel¬
fechterei? Aber du kamst nicht zu mir. Und jetzt bist dn schuld, daß der
Doktor Possevino, statt an der Geschichte der Gonzagas zu schreiben, diesen
meinen ruchlosen Vetter mittels seiner Mixturen wieder herauspäppelt. Es
wäre doch so einfach gewesen, ihn verbluten zu lassen! Wozu braucht er zu
leben?

Und seine Mitschuldigen, Altezza?

Hin. Du wolltest ihn für die Folter aufspare"?

Der Herzog stand auf und machte einige Gänge durch das Zimmer, indem
er von Zeit zu Zeit nach demjenigen hinüberschielte, dem gegenüber er so¬
eben zum erstenmale den Ton wirklicher Vertraulichkeit angeschlagen hatte.

Antonio Maria, sagte er dann, vor dem Lakaien mit verschränkten Armen
stehen bleibend, ich habe einen Widerwillen gegen die Folter bekommen, und
wir werden sehen, wie weit die Kunst meines neuen Staatsrath Primaticcio
uns gestattet, die grüne Kammer der Torre della Gabbia nicht wieder aus¬
schließen zu lassen. Ich finde nun in deinem bisherigen Verhalten zwar manches
Löbliche, mauches, das mich bewegen könnte, dich in die Stelle Vitalianos rücken
zu lassen; wie aber steht es mit deiner Glaubhaftigkeit? Sieh, ich bin meinem
Lande schuldig, auf meiner Hut zu sein. Wie willst du mir beweisen, daß dn
nicht gleich mir bis zu den gestrigen Aussagen jenes -- Beppo? in dem Wahne
lebtest, Giuseppe Gonzaga sei nichts weiter als ein verliebter Thor, daß du
dich jetzt also nur nachträglich als ein Alleswisser aufspielst, um dich auf den
Stuhl Vitalianos zu setzen?

Der Lakai hatte allmählich eine Haltung angenommen, welche der ihm zu¬
gedachten Würde mehr entsprach.

Altezza, sagte er, immer noch geschäftsmäßig, aber nicht ohne Selbstbewußt¬
sein, meine grünen Aufschläge sieht ganz Mantua mit respektvollen Augen an,
denn es ist die herzogliche Livree. Muß ich sie ablegen, um mich in Vita¬
lianos Vermummungen einzugewöhnen, so wird es geschehen, denn Euer Befehl
ist mir Gesetz. Aber nie habe ich Vitaliauv um sein Amt beneidet, Altezza,
und glaubt mir, die Folter in der Torre della Gabbia war nicht schlimmer als
der Folterstuhl, nach welchem ich, wie Ihr meint, ein Gelüst haben soll.

Du suchst von meiner Frage abzulenken, beharrte der Herzog; kannst du
mir Zeugen nennen?

Die Euch bessere Bürgen sind als mein Wort?

Heißen wir es so.

Wie könnte ich, Altezza!


Um eine perle.

salvirt haben. Aber als wir ihn hatten, als er ungefährlich geworden war,
warum kamst du auch da noch nicht zu mir und sagtest mir leise ins Ohr:
Altezza, Euer Vetter ist ein Verschwörer — vielleicht habt Ihr mir Aufträge
zu geben — du verstehst mich, Antonio Maria, denn Mantua hält ihn ja doch
ster tot — du verstehst mich, was soll zwischen dir und mir die Spiegel¬
fechterei? Aber du kamst nicht zu mir. Und jetzt bist dn schuld, daß der
Doktor Possevino, statt an der Geschichte der Gonzagas zu schreiben, diesen
meinen ruchlosen Vetter mittels seiner Mixturen wieder herauspäppelt. Es
wäre doch so einfach gewesen, ihn verbluten zu lassen! Wozu braucht er zu
leben?

Und seine Mitschuldigen, Altezza?

Hin. Du wolltest ihn für die Folter aufspare»?

Der Herzog stand auf und machte einige Gänge durch das Zimmer, indem
er von Zeit zu Zeit nach demjenigen hinüberschielte, dem gegenüber er so¬
eben zum erstenmale den Ton wirklicher Vertraulichkeit angeschlagen hatte.

Antonio Maria, sagte er dann, vor dem Lakaien mit verschränkten Armen
stehen bleibend, ich habe einen Widerwillen gegen die Folter bekommen, und
wir werden sehen, wie weit die Kunst meines neuen Staatsrath Primaticcio
uns gestattet, die grüne Kammer der Torre della Gabbia nicht wieder aus¬
schließen zu lassen. Ich finde nun in deinem bisherigen Verhalten zwar manches
Löbliche, mauches, das mich bewegen könnte, dich in die Stelle Vitalianos rücken
zu lassen; wie aber steht es mit deiner Glaubhaftigkeit? Sieh, ich bin meinem
Lande schuldig, auf meiner Hut zu sein. Wie willst du mir beweisen, daß dn
nicht gleich mir bis zu den gestrigen Aussagen jenes — Beppo? in dem Wahne
lebtest, Giuseppe Gonzaga sei nichts weiter als ein verliebter Thor, daß du
dich jetzt also nur nachträglich als ein Alleswisser aufspielst, um dich auf den
Stuhl Vitalianos zu setzen?

Der Lakai hatte allmählich eine Haltung angenommen, welche der ihm zu¬
gedachten Würde mehr entsprach.

Altezza, sagte er, immer noch geschäftsmäßig, aber nicht ohne Selbstbewußt¬
sein, meine grünen Aufschläge sieht ganz Mantua mit respektvollen Augen an,
denn es ist die herzogliche Livree. Muß ich sie ablegen, um mich in Vita¬
lianos Vermummungen einzugewöhnen, so wird es geschehen, denn Euer Befehl
ist mir Gesetz. Aber nie habe ich Vitaliauv um sein Amt beneidet, Altezza,
und glaubt mir, die Folter in der Torre della Gabbia war nicht schlimmer als
der Folterstuhl, nach welchem ich, wie Ihr meint, ein Gelüst haben soll.

Du suchst von meiner Frage abzulenken, beharrte der Herzog; kannst du
mir Zeugen nennen?

Die Euch bessere Bürgen sind als mein Wort?

Heißen wir es so.

Wie könnte ich, Altezza!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196148"/>
          <fw type="header" place="top"> Um eine perle.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_122" prev="#ID_121"> salvirt haben. Aber als wir ihn hatten, als er ungefährlich geworden war,<lb/>
warum kamst du auch da noch nicht zu mir und sagtest mir leise ins Ohr:<lb/>
Altezza, Euer Vetter ist ein Verschwörer &#x2014; vielleicht habt Ihr mir Aufträge<lb/>
zu geben &#x2014; du verstehst mich, Antonio Maria, denn Mantua hält ihn ja doch<lb/>
ster tot &#x2014; du verstehst mich, was soll zwischen dir und mir die Spiegel¬<lb/>
fechterei? Aber du kamst nicht zu mir. Und jetzt bist dn schuld, daß der<lb/>
Doktor Possevino, statt an der Geschichte der Gonzagas zu schreiben, diesen<lb/>
meinen ruchlosen Vetter mittels seiner Mixturen wieder herauspäppelt. Es<lb/>
wäre doch so einfach gewesen, ihn verbluten zu lassen! Wozu braucht er zu<lb/>
leben?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_123"> Und seine Mitschuldigen, Altezza?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_124"> Hin.  Du wolltest ihn für die Folter aufspare»?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_125"> Der Herzog stand auf und machte einige Gänge durch das Zimmer, indem<lb/>
er von Zeit zu Zeit nach demjenigen hinüberschielte, dem gegenüber er so¬<lb/>
eben zum erstenmale den Ton wirklicher Vertraulichkeit angeschlagen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_126"> Antonio Maria, sagte er dann, vor dem Lakaien mit verschränkten Armen<lb/>
stehen bleibend, ich habe einen Widerwillen gegen die Folter bekommen, und<lb/>
wir werden sehen, wie weit die Kunst meines neuen Staatsrath Primaticcio<lb/>
uns gestattet, die grüne Kammer der Torre della Gabbia nicht wieder aus¬<lb/>
schließen zu lassen. Ich finde nun in deinem bisherigen Verhalten zwar manches<lb/>
Löbliche, mauches, das mich bewegen könnte, dich in die Stelle Vitalianos rücken<lb/>
zu lassen; wie aber steht es mit deiner Glaubhaftigkeit? Sieh, ich bin meinem<lb/>
Lande schuldig, auf meiner Hut zu sein. Wie willst du mir beweisen, daß dn<lb/>
nicht gleich mir bis zu den gestrigen Aussagen jenes &#x2014; Beppo? in dem Wahne<lb/>
lebtest, Giuseppe Gonzaga sei nichts weiter als ein verliebter Thor, daß du<lb/>
dich jetzt also nur nachträglich als ein Alleswisser aufspielst, um dich auf den<lb/>
Stuhl Vitalianos zu setzen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_127"> Der Lakai hatte allmählich eine Haltung angenommen, welche der ihm zu¬<lb/>
gedachten Würde mehr entsprach.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_128"> Altezza, sagte er, immer noch geschäftsmäßig, aber nicht ohne Selbstbewußt¬<lb/>
sein, meine grünen Aufschläge sieht ganz Mantua mit respektvollen Augen an,<lb/>
denn es ist die herzogliche Livree. Muß ich sie ablegen, um mich in Vita¬<lb/>
lianos Vermummungen einzugewöhnen, so wird es geschehen, denn Euer Befehl<lb/>
ist mir Gesetz. Aber nie habe ich Vitaliauv um sein Amt beneidet, Altezza,<lb/>
und glaubt mir, die Folter in der Torre della Gabbia war nicht schlimmer als<lb/>
der Folterstuhl, nach welchem ich, wie Ihr meint, ein Gelüst haben soll.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_129"> Du suchst von meiner Frage abzulenken, beharrte der Herzog; kannst du<lb/>
mir Zeugen nennen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_130"> Die Euch bessere Bürgen sind als mein Wort?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_131"> Heißen wir es so.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_132"> Wie könnte ich, Altezza!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] Um eine perle. salvirt haben. Aber als wir ihn hatten, als er ungefährlich geworden war, warum kamst du auch da noch nicht zu mir und sagtest mir leise ins Ohr: Altezza, Euer Vetter ist ein Verschwörer — vielleicht habt Ihr mir Aufträge zu geben — du verstehst mich, Antonio Maria, denn Mantua hält ihn ja doch ster tot — du verstehst mich, was soll zwischen dir und mir die Spiegel¬ fechterei? Aber du kamst nicht zu mir. Und jetzt bist dn schuld, daß der Doktor Possevino, statt an der Geschichte der Gonzagas zu schreiben, diesen meinen ruchlosen Vetter mittels seiner Mixturen wieder herauspäppelt. Es wäre doch so einfach gewesen, ihn verbluten zu lassen! Wozu braucht er zu leben? Und seine Mitschuldigen, Altezza? Hin. Du wolltest ihn für die Folter aufspare»? Der Herzog stand auf und machte einige Gänge durch das Zimmer, indem er von Zeit zu Zeit nach demjenigen hinüberschielte, dem gegenüber er so¬ eben zum erstenmale den Ton wirklicher Vertraulichkeit angeschlagen hatte. Antonio Maria, sagte er dann, vor dem Lakaien mit verschränkten Armen stehen bleibend, ich habe einen Widerwillen gegen die Folter bekommen, und wir werden sehen, wie weit die Kunst meines neuen Staatsrath Primaticcio uns gestattet, die grüne Kammer der Torre della Gabbia nicht wieder aus¬ schließen zu lassen. Ich finde nun in deinem bisherigen Verhalten zwar manches Löbliche, mauches, das mich bewegen könnte, dich in die Stelle Vitalianos rücken zu lassen; wie aber steht es mit deiner Glaubhaftigkeit? Sieh, ich bin meinem Lande schuldig, auf meiner Hut zu sein. Wie willst du mir beweisen, daß dn nicht gleich mir bis zu den gestrigen Aussagen jenes — Beppo? in dem Wahne lebtest, Giuseppe Gonzaga sei nichts weiter als ein verliebter Thor, daß du dich jetzt also nur nachträglich als ein Alleswisser aufspielst, um dich auf den Stuhl Vitalianos zu setzen? Der Lakai hatte allmählich eine Haltung angenommen, welche der ihm zu¬ gedachten Würde mehr entsprach. Altezza, sagte er, immer noch geschäftsmäßig, aber nicht ohne Selbstbewußt¬ sein, meine grünen Aufschläge sieht ganz Mantua mit respektvollen Augen an, denn es ist die herzogliche Livree. Muß ich sie ablegen, um mich in Vita¬ lianos Vermummungen einzugewöhnen, so wird es geschehen, denn Euer Befehl ist mir Gesetz. Aber nie habe ich Vitaliauv um sein Amt beneidet, Altezza, und glaubt mir, die Folter in der Torre della Gabbia war nicht schlimmer als der Folterstuhl, nach welchem ich, wie Ihr meint, ein Gelüst haben soll. Du suchst von meiner Frage abzulenken, beharrte der Herzog; kannst du mir Zeugen nennen? Die Euch bessere Bürgen sind als mein Wort? Heißen wir es so. Wie könnte ich, Altezza!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/48
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/48>, abgerufen am 01.09.2024.