Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Die erste Aonstitution für Österreich. Seeburg abhalten, nachdem man in Ungarn über dieses Bedenken hinweggegangen Paragraph 2, der die Länder aufzählt, für welche die Konstitution Geltung So trägt der Entwurf vielfach den Stempel der Zeit seiner Entstehung, Die erste Aonstitution für Österreich. Seeburg abhalten, nachdem man in Ungarn über dieses Bedenken hinweggegangen Paragraph 2, der die Länder aufzählt, für welche die Konstitution Geltung So trägt der Entwurf vielfach den Stempel der Zeit seiner Entstehung, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0445" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196545"/> <fw type="header" place="top"> Die erste Aonstitution für Österreich.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1761" prev="#ID_1760"> Seeburg abhalten, nachdem man in Ungarn über dieses Bedenken hinweggegangen<lb/> ist und einstige Hochverräter Sitz im Rate der Krone erhalten haben!</p><lb/> <p xml:id="ID_1762"> Paragraph 2, der die Länder aufzählt, für welche die Konstitution Geltung<lb/> haben sollte, war zu einem gewaltigen Zankapfel geworden, da jede Landschaft<lb/> meinte, mit den benachbarten unmöglich unter einer Verwaltung leben zu können;<lb/> doch kam man zuletzt dahin, nach der Interessengemeinschaft vierzehn „Länder"<lb/> zu bestimmen: Böhmen, Galizien mit Lodomerien und Krakau, Dalmatien,<lb/> Österreich uuter der Enns, Österreich ob der Enns ohne das Innviertel, Salz¬<lb/> burg samt Innviertel, Steiermark, Kürnten, Krain, Schlesien, Mähren, Tirol<lb/> samt Vorarlberg, Küstenland, Bukowina. Die größern Länder sollten mit Be¬<lb/> rücksichtigung der Nationalität in Kreise geteilt werden, die kleinen je einen<lb/> Kreis bilden; auf diese Weise kam mau z. B. den Wünschen der Wälschtiroler<lb/> und Vorarlberger, wie der Windischen in Steiermark entgegen, und schuf die<lb/> Möglichkeit, in Böhmen und Mähren slawische und deutsche Gebiete zu sondern.<lb/> Dieser Einteilung entspricht die Gliederung in Reichs- und Landesregierungs¬<lb/> gewalten, Reichstag (aus Volks- und Länderkammer bestehend), Landtage, Kreis¬<lb/> tage und Gemeinden. Die Länderkammer sollte von jedem Landtage durch sechs<lb/> Abgeordnete beschickt werden, wozu in den größern Reichsländern noch je einer<lb/> aus jedem Kreise, vom Kreistage zu wählen, gekommen wäre, sodaß sie in allem<lb/> 115 Mitglieder gezählt haben würde. Wie die Minister dem Reichstage, sollte<lb/> der Statthalter dem Landtage verantwortlich sein. Neichslündern von gemischter<lb/> Nationalität blieb vorbehalten, „eine Institution in die Landesverfassung auf¬<lb/> zunehmen, durch welche Angelegenheiten von rein nationaler Natur nach Art<lb/> eines Schiedsgerichtes zu entscheiden sind." Den Landtagen wird u. a. inner¬<lb/> halb der durch Reichsgesetze festgestellten Bestimmungen zugewiesen die Regelung<lb/> des Unterrichts- und Erziehungswesens; dem Reichstage (dessen Funktionen in<lb/> den kleinern Ländern dem Landtage mit zufallen) wird, „wenn er es im Interesse<lb/> des Kreises für notwendig findet, innerhalb der Schranken der Reichs- und<lb/> Landesgesetze zur Regelung und Verwaltung überlassen: Volksunterrichts- und<lb/> Erziehungswesen mit dem Rechte der Bestimmung der Unterrichtssprache und<lb/> der Sprachgegenstände, jedoch mit gleich gerechter Beachtung der Sprachen des<lb/> Kreises" n. a. in. Zur Revision einer Bestimmung der Konstitution soll nur<lb/> ein eigens zu diesem Zwecke einberufener Reichstag befugt sein; gegen Ände¬<lb/> rungen, durch welche das verfassungsmäßige Recht der Krone geschmälert<lb/> würde, steht dem Kaiser das absolute Veto zu, im übrigen hat er nur ein<lb/> snspeusives.</p><lb/> <p xml:id="ID_1763" next="#ID_1764"> So trägt der Entwurf vielfach den Stempel der Zeit seiner Entstehung,<lb/> und hie und da ist eine Schwierigkeit nicht gelöst, sondern nur umgangen.<lb/> An einer Annahme desselben, wie er ist, wäre heute nicht zu denken. Aber der<lb/> aufrichtige Wille, ein Gebäude herzustellen, in welchem alle Österreicher wohnen<lb/> und gedeihen könnten, spricht doch so deutlich aus allen Bestimmungen, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0445]
Die erste Aonstitution für Österreich.
Seeburg abhalten, nachdem man in Ungarn über dieses Bedenken hinweggegangen
ist und einstige Hochverräter Sitz im Rate der Krone erhalten haben!
Paragraph 2, der die Länder aufzählt, für welche die Konstitution Geltung
haben sollte, war zu einem gewaltigen Zankapfel geworden, da jede Landschaft
meinte, mit den benachbarten unmöglich unter einer Verwaltung leben zu können;
doch kam man zuletzt dahin, nach der Interessengemeinschaft vierzehn „Länder"
zu bestimmen: Böhmen, Galizien mit Lodomerien und Krakau, Dalmatien,
Österreich uuter der Enns, Österreich ob der Enns ohne das Innviertel, Salz¬
burg samt Innviertel, Steiermark, Kürnten, Krain, Schlesien, Mähren, Tirol
samt Vorarlberg, Küstenland, Bukowina. Die größern Länder sollten mit Be¬
rücksichtigung der Nationalität in Kreise geteilt werden, die kleinen je einen
Kreis bilden; auf diese Weise kam mau z. B. den Wünschen der Wälschtiroler
und Vorarlberger, wie der Windischen in Steiermark entgegen, und schuf die
Möglichkeit, in Böhmen und Mähren slawische und deutsche Gebiete zu sondern.
Dieser Einteilung entspricht die Gliederung in Reichs- und Landesregierungs¬
gewalten, Reichstag (aus Volks- und Länderkammer bestehend), Landtage, Kreis¬
tage und Gemeinden. Die Länderkammer sollte von jedem Landtage durch sechs
Abgeordnete beschickt werden, wozu in den größern Reichsländern noch je einer
aus jedem Kreise, vom Kreistage zu wählen, gekommen wäre, sodaß sie in allem
115 Mitglieder gezählt haben würde. Wie die Minister dem Reichstage, sollte
der Statthalter dem Landtage verantwortlich sein. Neichslündern von gemischter
Nationalität blieb vorbehalten, „eine Institution in die Landesverfassung auf¬
zunehmen, durch welche Angelegenheiten von rein nationaler Natur nach Art
eines Schiedsgerichtes zu entscheiden sind." Den Landtagen wird u. a. inner¬
halb der durch Reichsgesetze festgestellten Bestimmungen zugewiesen die Regelung
des Unterrichts- und Erziehungswesens; dem Reichstage (dessen Funktionen in
den kleinern Ländern dem Landtage mit zufallen) wird, „wenn er es im Interesse
des Kreises für notwendig findet, innerhalb der Schranken der Reichs- und
Landesgesetze zur Regelung und Verwaltung überlassen: Volksunterrichts- und
Erziehungswesen mit dem Rechte der Bestimmung der Unterrichtssprache und
der Sprachgegenstände, jedoch mit gleich gerechter Beachtung der Sprachen des
Kreises" n. a. in. Zur Revision einer Bestimmung der Konstitution soll nur
ein eigens zu diesem Zwecke einberufener Reichstag befugt sein; gegen Ände¬
rungen, durch welche das verfassungsmäßige Recht der Krone geschmälert
würde, steht dem Kaiser das absolute Veto zu, im übrigen hat er nur ein
snspeusives.
So trägt der Entwurf vielfach den Stempel der Zeit seiner Entstehung,
und hie und da ist eine Schwierigkeit nicht gelöst, sondern nur umgangen.
An einer Annahme desselben, wie er ist, wäre heute nicht zu denken. Aber der
aufrichtige Wille, ein Gebäude herzustellen, in welchem alle Österreicher wohnen
und gedeihen könnten, spricht doch so deutlich aus allen Bestimmungen, daß
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