Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Sansibar.

die Gegenstände dieses Imports und Exports weiter befördern, und von hier
gehen die Expeditionen der Reisenden aus, welche das Innere von Ostafrika er¬
forschen und der Zivilisation erschließen wollen. Der Mittelpunkt des Sultanats
ist aber die Insel Sansibar, die, auf Korallengrund ruhend, vom Festlande durch
einen tiefen Kanal getrennt ist und sich in der Mitte zur Höhe von etwa
150 Meter über die Meeresfläche erhebt. Dieselbe eignet sich nicht zur Nieder¬
lassung für europäische Landwirte; das Klima ist dem von Oman in Südarabien
gleich, dessen Sommer für die heißesten ans der ganzen Erde gelten, große
Strecken in der Ebne sind fast so ungesund wie die sumpfigen Küsten Madagas¬
kars, und nur ein Drittel des Bodens gestattet Plantagenwirtschaft. Man baut
hier in den Senkungen und Thälern vorzüglich Zuckerrohr, Reis, Mauiok und
Dschowari, eine Art Moorhirse, der in ganz Ostafrika die Hauptbrotfrucht liefert.
Die Abhänge der Hügel bedecken Pflanzungen von Orangenbäumen und Ge¬
würznelkensträuchern. Von größerer Bedeutung ist die Insel durch die Bucht
an ihrer dem Festlande zugekehrten Seite, welche, nach der See hin von zahlreichen
kleinen Eilanden geschützt, einen vortrefflichen Hafen abgiebt, und durch welche
die an ihr erbaute Stadt, die Residenz des Sultans, in wenigen Jahrzehnten
zum vornehmsten Handelsplätze Ostafrikas geworden ist. Zu Anfang unsers
Jahrhunderts standen hier nur ein Kastell und einige Hütten, jetzt hat die Stadt
über 3000 Häuser und mehr als 80000 Einwohner, während die ganze Insel
deren kaum 1.20000 zählen soll. Mehrere europäische Staaten haben hier Kon¬
dore und Konsuln. Die Einfuhr beträgt jährlich mindestens zehn Millionen
Mark an Wert, und die Ausfuhr wird auf nicht viel weniger veranschlagt.
Jene besteht vorzüglich in Baumwollenzeugen, Schießpulver, Gewehren, Brannt¬
wein, Glasperlen und Knpferdrccht, diese in Gewürzen, Harzen, Häuten, Kokos¬
nußöl, Zucker, Scham, Elfenbein und Kaurimuscheln. Früher waren die Ameri¬
kaner die Hauptimporteure, dann erst waren die Engländer und in weitem
Abstände von diesen die deutschen (Hamburger) Firmen zu nennen; auch führten
die letztern fast ausschließlich englische Waaren ein. Später änderte sich dieses
Verhältnis erheblich. Im Jahre 1875 verkehrten im Hafen von Sansibar 89
fremde Handelsfahrzeuge mit zusammen 49300 Tonnen Gehalt, und darunter
befanden sich 42 englische mit 27100, 13 deutsche mit 5370 und 10 amerika¬
nische mit 6950 Tonnen Last. Jetzt aber kommt Deutschland in betreff der
hier einlaufenden Schiffe, wie aus dem "Deutschen Handelsarchiv" zu ersehen
ist, unmittelbar nach England, und die Einfuhr deutscher Fabrikate ist so be¬
deutend, daß sie mehr als die Hälfte des Gesamtwertes aller importirten Artikel
ausmacht.

Abgesehen von den fränkischen Elementen, die sich in Sansibar zeitweilig
angesiedelt haben, besteht die Bevölkerung des Sultanats aus Negern vom
Suahelistamme, Arabern, Mischungen von beiden, Persern und Indern. Die
herrschende Nasse ist die arabische. Nach Chroniken und Reisebeschreibungen


Sansibar.

die Gegenstände dieses Imports und Exports weiter befördern, und von hier
gehen die Expeditionen der Reisenden aus, welche das Innere von Ostafrika er¬
forschen und der Zivilisation erschließen wollen. Der Mittelpunkt des Sultanats
ist aber die Insel Sansibar, die, auf Korallengrund ruhend, vom Festlande durch
einen tiefen Kanal getrennt ist und sich in der Mitte zur Höhe von etwa
150 Meter über die Meeresfläche erhebt. Dieselbe eignet sich nicht zur Nieder¬
lassung für europäische Landwirte; das Klima ist dem von Oman in Südarabien
gleich, dessen Sommer für die heißesten ans der ganzen Erde gelten, große
Strecken in der Ebne sind fast so ungesund wie die sumpfigen Küsten Madagas¬
kars, und nur ein Drittel des Bodens gestattet Plantagenwirtschaft. Man baut
hier in den Senkungen und Thälern vorzüglich Zuckerrohr, Reis, Mauiok und
Dschowari, eine Art Moorhirse, der in ganz Ostafrika die Hauptbrotfrucht liefert.
Die Abhänge der Hügel bedecken Pflanzungen von Orangenbäumen und Ge¬
würznelkensträuchern. Von größerer Bedeutung ist die Insel durch die Bucht
an ihrer dem Festlande zugekehrten Seite, welche, nach der See hin von zahlreichen
kleinen Eilanden geschützt, einen vortrefflichen Hafen abgiebt, und durch welche
die an ihr erbaute Stadt, die Residenz des Sultans, in wenigen Jahrzehnten
zum vornehmsten Handelsplätze Ostafrikas geworden ist. Zu Anfang unsers
Jahrhunderts standen hier nur ein Kastell und einige Hütten, jetzt hat die Stadt
über 3000 Häuser und mehr als 80000 Einwohner, während die ganze Insel
deren kaum 1.20000 zählen soll. Mehrere europäische Staaten haben hier Kon¬
dore und Konsuln. Die Einfuhr beträgt jährlich mindestens zehn Millionen
Mark an Wert, und die Ausfuhr wird auf nicht viel weniger veranschlagt.
Jene besteht vorzüglich in Baumwollenzeugen, Schießpulver, Gewehren, Brannt¬
wein, Glasperlen und Knpferdrccht, diese in Gewürzen, Harzen, Häuten, Kokos¬
nußöl, Zucker, Scham, Elfenbein und Kaurimuscheln. Früher waren die Ameri¬
kaner die Hauptimporteure, dann erst waren die Engländer und in weitem
Abstände von diesen die deutschen (Hamburger) Firmen zu nennen; auch führten
die letztern fast ausschließlich englische Waaren ein. Später änderte sich dieses
Verhältnis erheblich. Im Jahre 1875 verkehrten im Hafen von Sansibar 89
fremde Handelsfahrzeuge mit zusammen 49300 Tonnen Gehalt, und darunter
befanden sich 42 englische mit 27100, 13 deutsche mit 5370 und 10 amerika¬
nische mit 6950 Tonnen Last. Jetzt aber kommt Deutschland in betreff der
hier einlaufenden Schiffe, wie aus dem „Deutschen Handelsarchiv" zu ersehen
ist, unmittelbar nach England, und die Einfuhr deutscher Fabrikate ist so be¬
deutend, daß sie mehr als die Hälfte des Gesamtwertes aller importirten Artikel
ausmacht.

Abgesehen von den fränkischen Elementen, die sich in Sansibar zeitweilig
angesiedelt haben, besteht die Bevölkerung des Sultanats aus Negern vom
Suahelistamme, Arabern, Mischungen von beiden, Persern und Indern. Die
herrschende Nasse ist die arabische. Nach Chroniken und Reisebeschreibungen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196446"/>
          <fw type="header" place="top"> Sansibar.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1421" prev="#ID_1420"> die Gegenstände dieses Imports und Exports weiter befördern, und von hier<lb/>
gehen die Expeditionen der Reisenden aus, welche das Innere von Ostafrika er¬<lb/>
forschen und der Zivilisation erschließen wollen. Der Mittelpunkt des Sultanats<lb/>
ist aber die Insel Sansibar, die, auf Korallengrund ruhend, vom Festlande durch<lb/>
einen tiefen Kanal getrennt ist und sich in der Mitte zur Höhe von etwa<lb/>
150 Meter über die Meeresfläche erhebt. Dieselbe eignet sich nicht zur Nieder¬<lb/>
lassung für europäische Landwirte; das Klima ist dem von Oman in Südarabien<lb/>
gleich, dessen Sommer für die heißesten ans der ganzen Erde gelten, große<lb/>
Strecken in der Ebne sind fast so ungesund wie die sumpfigen Küsten Madagas¬<lb/>
kars, und nur ein Drittel des Bodens gestattet Plantagenwirtschaft. Man baut<lb/>
hier in den Senkungen und Thälern vorzüglich Zuckerrohr, Reis, Mauiok und<lb/>
Dschowari, eine Art Moorhirse, der in ganz Ostafrika die Hauptbrotfrucht liefert.<lb/>
Die Abhänge der Hügel bedecken Pflanzungen von Orangenbäumen und Ge¬<lb/>
würznelkensträuchern. Von größerer Bedeutung ist die Insel durch die Bucht<lb/>
an ihrer dem Festlande zugekehrten Seite, welche, nach der See hin von zahlreichen<lb/>
kleinen Eilanden geschützt, einen vortrefflichen Hafen abgiebt, und durch welche<lb/>
die an ihr erbaute Stadt, die Residenz des Sultans, in wenigen Jahrzehnten<lb/>
zum vornehmsten Handelsplätze Ostafrikas geworden ist. Zu Anfang unsers<lb/>
Jahrhunderts standen hier nur ein Kastell und einige Hütten, jetzt hat die Stadt<lb/>
über 3000 Häuser und mehr als 80000 Einwohner, während die ganze Insel<lb/>
deren kaum 1.20000 zählen soll. Mehrere europäische Staaten haben hier Kon¬<lb/>
dore und Konsuln. Die Einfuhr beträgt jährlich mindestens zehn Millionen<lb/>
Mark an Wert, und die Ausfuhr wird auf nicht viel weniger veranschlagt.<lb/>
Jene besteht vorzüglich in Baumwollenzeugen, Schießpulver, Gewehren, Brannt¬<lb/>
wein, Glasperlen und Knpferdrccht, diese in Gewürzen, Harzen, Häuten, Kokos¬<lb/>
nußöl, Zucker, Scham, Elfenbein und Kaurimuscheln. Früher waren die Ameri¬<lb/>
kaner die Hauptimporteure, dann erst waren die Engländer und in weitem<lb/>
Abstände von diesen die deutschen (Hamburger) Firmen zu nennen; auch führten<lb/>
die letztern fast ausschließlich englische Waaren ein. Später änderte sich dieses<lb/>
Verhältnis erheblich. Im Jahre 1875 verkehrten im Hafen von Sansibar 89<lb/>
fremde Handelsfahrzeuge mit zusammen 49300 Tonnen Gehalt, und darunter<lb/>
befanden sich 42 englische mit 27100, 13 deutsche mit 5370 und 10 amerika¬<lb/>
nische mit 6950 Tonnen Last. Jetzt aber kommt Deutschland in betreff der<lb/>
hier einlaufenden Schiffe, wie aus dem &#x201E;Deutschen Handelsarchiv" zu ersehen<lb/>
ist, unmittelbar nach England, und die Einfuhr deutscher Fabrikate ist so be¬<lb/>
deutend, daß sie mehr als die Hälfte des Gesamtwertes aller importirten Artikel<lb/>
ausmacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1422" next="#ID_1423"> Abgesehen von den fränkischen Elementen, die sich in Sansibar zeitweilig<lb/>
angesiedelt haben, besteht die Bevölkerung des Sultanats aus Negern vom<lb/>
Suahelistamme, Arabern, Mischungen von beiden, Persern und Indern. Die<lb/>
herrschende Nasse ist die arabische.  Nach Chroniken und Reisebeschreibungen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0346] Sansibar. die Gegenstände dieses Imports und Exports weiter befördern, und von hier gehen die Expeditionen der Reisenden aus, welche das Innere von Ostafrika er¬ forschen und der Zivilisation erschließen wollen. Der Mittelpunkt des Sultanats ist aber die Insel Sansibar, die, auf Korallengrund ruhend, vom Festlande durch einen tiefen Kanal getrennt ist und sich in der Mitte zur Höhe von etwa 150 Meter über die Meeresfläche erhebt. Dieselbe eignet sich nicht zur Nieder¬ lassung für europäische Landwirte; das Klima ist dem von Oman in Südarabien gleich, dessen Sommer für die heißesten ans der ganzen Erde gelten, große Strecken in der Ebne sind fast so ungesund wie die sumpfigen Küsten Madagas¬ kars, und nur ein Drittel des Bodens gestattet Plantagenwirtschaft. Man baut hier in den Senkungen und Thälern vorzüglich Zuckerrohr, Reis, Mauiok und Dschowari, eine Art Moorhirse, der in ganz Ostafrika die Hauptbrotfrucht liefert. Die Abhänge der Hügel bedecken Pflanzungen von Orangenbäumen und Ge¬ würznelkensträuchern. Von größerer Bedeutung ist die Insel durch die Bucht an ihrer dem Festlande zugekehrten Seite, welche, nach der See hin von zahlreichen kleinen Eilanden geschützt, einen vortrefflichen Hafen abgiebt, und durch welche die an ihr erbaute Stadt, die Residenz des Sultans, in wenigen Jahrzehnten zum vornehmsten Handelsplätze Ostafrikas geworden ist. Zu Anfang unsers Jahrhunderts standen hier nur ein Kastell und einige Hütten, jetzt hat die Stadt über 3000 Häuser und mehr als 80000 Einwohner, während die ganze Insel deren kaum 1.20000 zählen soll. Mehrere europäische Staaten haben hier Kon¬ dore und Konsuln. Die Einfuhr beträgt jährlich mindestens zehn Millionen Mark an Wert, und die Ausfuhr wird auf nicht viel weniger veranschlagt. Jene besteht vorzüglich in Baumwollenzeugen, Schießpulver, Gewehren, Brannt¬ wein, Glasperlen und Knpferdrccht, diese in Gewürzen, Harzen, Häuten, Kokos¬ nußöl, Zucker, Scham, Elfenbein und Kaurimuscheln. Früher waren die Ameri¬ kaner die Hauptimporteure, dann erst waren die Engländer und in weitem Abstände von diesen die deutschen (Hamburger) Firmen zu nennen; auch führten die letztern fast ausschließlich englische Waaren ein. Später änderte sich dieses Verhältnis erheblich. Im Jahre 1875 verkehrten im Hafen von Sansibar 89 fremde Handelsfahrzeuge mit zusammen 49300 Tonnen Gehalt, und darunter befanden sich 42 englische mit 27100, 13 deutsche mit 5370 und 10 amerika¬ nische mit 6950 Tonnen Last. Jetzt aber kommt Deutschland in betreff der hier einlaufenden Schiffe, wie aus dem „Deutschen Handelsarchiv" zu ersehen ist, unmittelbar nach England, und die Einfuhr deutscher Fabrikate ist so be¬ deutend, daß sie mehr als die Hälfte des Gesamtwertes aller importirten Artikel ausmacht. Abgesehen von den fränkischen Elementen, die sich in Sansibar zeitweilig angesiedelt haben, besteht die Bevölkerung des Sultanats aus Negern vom Suahelistamme, Arabern, Mischungen von beiden, Persern und Indern. Die herrschende Nasse ist die arabische. Nach Chroniken und Reisebeschreibungen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/346
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/346>, abgerufen am 27.07.2024.