Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Russen in Zentralasien.

war, noch zwei Tage eingeschlossen. Am 12. erhielt Golowatschew Verstärkungen,
worauf er die Gegner vertrieb und bis an die Grenze verfolgte. Am 18. stieß
in Chodschmd General von Kaufmann mit weitern Truppe" zu ihm, am 20.
brachen die um vereinigt operirenden russischen Streitkräfte nach Machram auf,
wo die Kokcmzen sich in der Stärke von 60 000 Mann konzentrirt hatten.
Obwohl Kaufmann nur über sechzehn Kompagnien Infanterie, neun Sotnien
Kosaken und zwanzig Geschütze verfügte, wurden die Feinde schnell geworfen
und zerstreut und die Festung Machram eingenommen und besetzt. Am 26.
marschirte der Generalgvuveruenr weiter nach der Hauptstadt Kokand, deren
Befestigungen vier Tage später in den Händen der Russen waren. Abdnrrachman
hatte mittlerweile bei Margelan neue Schaaren in der Zahl von 10 000 Mann
um sich gesammelt, dieselben liefen indes, als die Gegner sich ihnen näherten,
bis auf 400 Reiter auseinander, mit denen Abdnrrachman am 7. September
nach Asfake entfloh. Schon vorher waren von verschiednen Landstrichen Depu¬
tationen erschienen, die deren Unterwerfung erklärten und um Frieden baten.
Andre folgten jetzt nach, und selbst die meisten Führer der Jnsurgentenbandcn
thaten desgleichen. Nunmehr verhandelte auch der neue Chan Naßr Eddin mit
dem Generalgouvemeur, und es kam am 23. September zu einem Vertrage,
durch welchen das ganze rechte Ufer des Syr Darja von der bisherigen russischen
Grenze bis zum Naryn in den Besitz des Zaren überging. Kaum aber hatten
die Truppen Kaufmanns sich aus dem übriggebliebnen Gebiete von Kokand
zurückgezogen, so erhob Abdnrrachman Antobatschi in Anditschan von neuem
das Banner des Aufstandes, sammelte in kurzer Zeit an 10 000 Mann um sich
und erklärte Naßr Eddin für abgesetzt und Putat Bey, einen Verwandten des¬
selben, zum Herrscher. Am 28. September entsandte Kaufmann vom rechten
Ufer des Shr Darja aus 1400 Manu auf das linke und gegen die Kiptschaken
in Anditschan, und dieselben erstürmten den verbarriladirten Ort, vermochten
ihn jedoch nicht zu behaupten, wurden vielmehr wieder daraus vertrieben und
mußten sich bis nach Namaugau zurückziehen. Auch hier brachen dann Unruhen
ans, die von Baehr Tjurja, dem früheren Bey dieser Stadt, hervorgerufen worden
waren, und in der Hauptstadt zwang ein Aufruhr deu Chan Naßr Eddin, sich
zu den Russen zu flüchten, und Putat Bey zog statt seiner in den Palast ein.
Doch kehrte auf dem rechten (jetzt russischen) Ufer des Syr Darja die Ruhe
bald zurück, sodaß die Truppen sich in ihre frühern Garnisonen zurückbegeben
konnten und nur eine schwache Abteilung derselben unter General Skobclew
(dem später durch seine chanvinistische Renommisterei in Westeuropa bekannt
gewordnen Herrn) im Felde verblieb. Diese Verminderung der russischen Streit¬
kräfte bewog Batyr Tjnrja, von neuem den Kampf mit denselben aufzunehmen,
und anfangs hatte er Glück. Er sammelte gegen 12000 Kirgisen und Kip¬
tschaken um sich, und es gelang ihm, als Skobelew sich gegen Tus gewendet
hatte, sich auf kurze Zeit der Stadt Namangcm zu bemächtigen. Der russische


Die Russen in Zentralasien.

war, noch zwei Tage eingeschlossen. Am 12. erhielt Golowatschew Verstärkungen,
worauf er die Gegner vertrieb und bis an die Grenze verfolgte. Am 18. stieß
in Chodschmd General von Kaufmann mit weitern Truppe» zu ihm, am 20.
brachen die um vereinigt operirenden russischen Streitkräfte nach Machram auf,
wo die Kokcmzen sich in der Stärke von 60 000 Mann konzentrirt hatten.
Obwohl Kaufmann nur über sechzehn Kompagnien Infanterie, neun Sotnien
Kosaken und zwanzig Geschütze verfügte, wurden die Feinde schnell geworfen
und zerstreut und die Festung Machram eingenommen und besetzt. Am 26.
marschirte der Generalgvuveruenr weiter nach der Hauptstadt Kokand, deren
Befestigungen vier Tage später in den Händen der Russen waren. Abdnrrachman
hatte mittlerweile bei Margelan neue Schaaren in der Zahl von 10 000 Mann
um sich gesammelt, dieselben liefen indes, als die Gegner sich ihnen näherten,
bis auf 400 Reiter auseinander, mit denen Abdnrrachman am 7. September
nach Asfake entfloh. Schon vorher waren von verschiednen Landstrichen Depu¬
tationen erschienen, die deren Unterwerfung erklärten und um Frieden baten.
Andre folgten jetzt nach, und selbst die meisten Führer der Jnsurgentenbandcn
thaten desgleichen. Nunmehr verhandelte auch der neue Chan Naßr Eddin mit
dem Generalgouvemeur, und es kam am 23. September zu einem Vertrage,
durch welchen das ganze rechte Ufer des Syr Darja von der bisherigen russischen
Grenze bis zum Naryn in den Besitz des Zaren überging. Kaum aber hatten
die Truppen Kaufmanns sich aus dem übriggebliebnen Gebiete von Kokand
zurückgezogen, so erhob Abdnrrachman Antobatschi in Anditschan von neuem
das Banner des Aufstandes, sammelte in kurzer Zeit an 10 000 Mann um sich
und erklärte Naßr Eddin für abgesetzt und Putat Bey, einen Verwandten des¬
selben, zum Herrscher. Am 28. September entsandte Kaufmann vom rechten
Ufer des Shr Darja aus 1400 Manu auf das linke und gegen die Kiptschaken
in Anditschan, und dieselben erstürmten den verbarriladirten Ort, vermochten
ihn jedoch nicht zu behaupten, wurden vielmehr wieder daraus vertrieben und
mußten sich bis nach Namaugau zurückziehen. Auch hier brachen dann Unruhen
ans, die von Baehr Tjurja, dem früheren Bey dieser Stadt, hervorgerufen worden
waren, und in der Hauptstadt zwang ein Aufruhr deu Chan Naßr Eddin, sich
zu den Russen zu flüchten, und Putat Bey zog statt seiner in den Palast ein.
Doch kehrte auf dem rechten (jetzt russischen) Ufer des Syr Darja die Ruhe
bald zurück, sodaß die Truppen sich in ihre frühern Garnisonen zurückbegeben
konnten und nur eine schwache Abteilung derselben unter General Skobclew
(dem später durch seine chanvinistische Renommisterei in Westeuropa bekannt
gewordnen Herrn) im Felde verblieb. Diese Verminderung der russischen Streit¬
kräfte bewog Batyr Tjnrja, von neuem den Kampf mit denselben aufzunehmen,
und anfangs hatte er Glück. Er sammelte gegen 12000 Kirgisen und Kip¬
tschaken um sich, und es gelang ihm, als Skobelew sich gegen Tus gewendet
hatte, sich auf kurze Zeit der Stadt Namangcm zu bemächtigen. Der russische


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196433"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Russen in Zentralasien.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1310" prev="#ID_1309" next="#ID_1311"> war, noch zwei Tage eingeschlossen. Am 12. erhielt Golowatschew Verstärkungen,<lb/>
worauf er die Gegner vertrieb und bis an die Grenze verfolgte. Am 18. stieß<lb/>
in Chodschmd General von Kaufmann mit weitern Truppe» zu ihm, am 20.<lb/>
brachen die um vereinigt operirenden russischen Streitkräfte nach Machram auf,<lb/>
wo die Kokcmzen sich in der Stärke von 60 000 Mann konzentrirt hatten.<lb/>
Obwohl Kaufmann nur über sechzehn Kompagnien Infanterie, neun Sotnien<lb/>
Kosaken und zwanzig Geschütze verfügte, wurden die Feinde schnell geworfen<lb/>
und zerstreut und die Festung Machram eingenommen und besetzt. Am 26.<lb/>
marschirte der Generalgvuveruenr weiter nach der Hauptstadt Kokand, deren<lb/>
Befestigungen vier Tage später in den Händen der Russen waren. Abdnrrachman<lb/>
hatte mittlerweile bei Margelan neue Schaaren in der Zahl von 10 000 Mann<lb/>
um sich gesammelt, dieselben liefen indes, als die Gegner sich ihnen näherten,<lb/>
bis auf 400 Reiter auseinander, mit denen Abdnrrachman am 7. September<lb/>
nach Asfake entfloh. Schon vorher waren von verschiednen Landstrichen Depu¬<lb/>
tationen erschienen, die deren Unterwerfung erklärten und um Frieden baten.<lb/>
Andre folgten jetzt nach, und selbst die meisten Führer der Jnsurgentenbandcn<lb/>
thaten desgleichen. Nunmehr verhandelte auch der neue Chan Naßr Eddin mit<lb/>
dem Generalgouvemeur, und es kam am 23. September zu einem Vertrage,<lb/>
durch welchen das ganze rechte Ufer des Syr Darja von der bisherigen russischen<lb/>
Grenze bis zum Naryn in den Besitz des Zaren überging. Kaum aber hatten<lb/>
die Truppen Kaufmanns sich aus dem übriggebliebnen Gebiete von Kokand<lb/>
zurückgezogen, so erhob Abdnrrachman Antobatschi in Anditschan von neuem<lb/>
das Banner des Aufstandes, sammelte in kurzer Zeit an 10 000 Mann um sich<lb/>
und erklärte Naßr Eddin für abgesetzt und Putat Bey, einen Verwandten des¬<lb/>
selben, zum Herrscher. Am 28. September entsandte Kaufmann vom rechten<lb/>
Ufer des Shr Darja aus 1400 Manu auf das linke und gegen die Kiptschaken<lb/>
in Anditschan, und dieselben erstürmten den verbarriladirten Ort, vermochten<lb/>
ihn jedoch nicht zu behaupten, wurden vielmehr wieder daraus vertrieben und<lb/>
mußten sich bis nach Namaugau zurückziehen. Auch hier brachen dann Unruhen<lb/>
ans, die von Baehr Tjurja, dem früheren Bey dieser Stadt, hervorgerufen worden<lb/>
waren, und in der Hauptstadt zwang ein Aufruhr deu Chan Naßr Eddin, sich<lb/>
zu den Russen zu flüchten, und Putat Bey zog statt seiner in den Palast ein.<lb/>
Doch kehrte auf dem rechten (jetzt russischen) Ufer des Syr Darja die Ruhe<lb/>
bald zurück, sodaß die Truppen sich in ihre frühern Garnisonen zurückbegeben<lb/>
konnten und nur eine schwache Abteilung derselben unter General Skobclew<lb/>
(dem später durch seine chanvinistische Renommisterei in Westeuropa bekannt<lb/>
gewordnen Herrn) im Felde verblieb. Diese Verminderung der russischen Streit¬<lb/>
kräfte bewog Batyr Tjnrja, von neuem den Kampf mit denselben aufzunehmen,<lb/>
und anfangs hatte er Glück. Er sammelte gegen 12000 Kirgisen und Kip¬<lb/>
tschaken um sich, und es gelang ihm, als Skobelew sich gegen Tus gewendet<lb/>
hatte, sich auf kurze Zeit der Stadt Namangcm zu bemächtigen. Der russische</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0333] Die Russen in Zentralasien. war, noch zwei Tage eingeschlossen. Am 12. erhielt Golowatschew Verstärkungen, worauf er die Gegner vertrieb und bis an die Grenze verfolgte. Am 18. stieß in Chodschmd General von Kaufmann mit weitern Truppe» zu ihm, am 20. brachen die um vereinigt operirenden russischen Streitkräfte nach Machram auf, wo die Kokcmzen sich in der Stärke von 60 000 Mann konzentrirt hatten. Obwohl Kaufmann nur über sechzehn Kompagnien Infanterie, neun Sotnien Kosaken und zwanzig Geschütze verfügte, wurden die Feinde schnell geworfen und zerstreut und die Festung Machram eingenommen und besetzt. Am 26. marschirte der Generalgvuveruenr weiter nach der Hauptstadt Kokand, deren Befestigungen vier Tage später in den Händen der Russen waren. Abdnrrachman hatte mittlerweile bei Margelan neue Schaaren in der Zahl von 10 000 Mann um sich gesammelt, dieselben liefen indes, als die Gegner sich ihnen näherten, bis auf 400 Reiter auseinander, mit denen Abdnrrachman am 7. September nach Asfake entfloh. Schon vorher waren von verschiednen Landstrichen Depu¬ tationen erschienen, die deren Unterwerfung erklärten und um Frieden baten. Andre folgten jetzt nach, und selbst die meisten Führer der Jnsurgentenbandcn thaten desgleichen. Nunmehr verhandelte auch der neue Chan Naßr Eddin mit dem Generalgouvemeur, und es kam am 23. September zu einem Vertrage, durch welchen das ganze rechte Ufer des Syr Darja von der bisherigen russischen Grenze bis zum Naryn in den Besitz des Zaren überging. Kaum aber hatten die Truppen Kaufmanns sich aus dem übriggebliebnen Gebiete von Kokand zurückgezogen, so erhob Abdnrrachman Antobatschi in Anditschan von neuem das Banner des Aufstandes, sammelte in kurzer Zeit an 10 000 Mann um sich und erklärte Naßr Eddin für abgesetzt und Putat Bey, einen Verwandten des¬ selben, zum Herrscher. Am 28. September entsandte Kaufmann vom rechten Ufer des Shr Darja aus 1400 Manu auf das linke und gegen die Kiptschaken in Anditschan, und dieselben erstürmten den verbarriladirten Ort, vermochten ihn jedoch nicht zu behaupten, wurden vielmehr wieder daraus vertrieben und mußten sich bis nach Namaugau zurückziehen. Auch hier brachen dann Unruhen ans, die von Baehr Tjurja, dem früheren Bey dieser Stadt, hervorgerufen worden waren, und in der Hauptstadt zwang ein Aufruhr deu Chan Naßr Eddin, sich zu den Russen zu flüchten, und Putat Bey zog statt seiner in den Palast ein. Doch kehrte auf dem rechten (jetzt russischen) Ufer des Syr Darja die Ruhe bald zurück, sodaß die Truppen sich in ihre frühern Garnisonen zurückbegeben konnten und nur eine schwache Abteilung derselben unter General Skobclew (dem später durch seine chanvinistische Renommisterei in Westeuropa bekannt gewordnen Herrn) im Felde verblieb. Diese Verminderung der russischen Streit¬ kräfte bewog Batyr Tjnrja, von neuem den Kampf mit denselben aufzunehmen, und anfangs hatte er Glück. Er sammelte gegen 12000 Kirgisen und Kip¬ tschaken um sich, und es gelang ihm, als Skobelew sich gegen Tus gewendet hatte, sich auf kurze Zeit der Stadt Namangcm zu bemächtigen. Der russische

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/333
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/333>, abgerufen am 24.11.2024.