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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Vor Tod des Mahdi.

(?Ä2steh, in einem zu Ende des Juli von ihm veröffentlichten Leitartikel wirklich,
wie vermutet wurde, die Absichten der Tvryregierung in betreff des Nillandes
ausgesprochen hätte. Mancherlei läßt dies annehmen. Das Blatt steht no¬
torisch in Beziehungen zu der ägyptischen Regierung, zu den englischen Militär-
und Zivilbehörden in Kairo und wohl auch zu Persönlichkeiten des Kabinets
in London, Gleichwohl ist die Sprache, welche der Verfasser des Aufsatzes
führt, und der Charakter des Planes, den er vertritt und empfiehlt, so kraß
und undiplomatisch, daß man Anstand nehmen muß, zu glauben, er schreibe im
Auftrage Salisburys oder andrer maßgebenden Personen, und nicht vielmehr
im Sinne der liniös, deren Korrespondent er neben dem berufenen Oppert-
Blowitz ist, und deren grober Chauvinismus in letzter Zeit auch in andern
Fragen oft über das Ziel hinausgeschossen hat. Wäre seine Auslassung wirklich
offiziöser Natur, so würde sie selbst als bloßer Fühler stark genug sein, um
schließen zu lassen, daß den regierenden Tories infolge des Todes des Mahdi
der Kamm ungebührlich geschwollen wäre. England würde dann damit an¬
kündigen, daß es im Begriffe stehe, die Maske abzuwerfen, die es unter Glad-
stones Negierung vor dem Gesichte trug, es würde zu Drohungen fortgeschritten
sein und die Zeit für gekommen halten, offen zu erklären, daß Ägypten hinfort
als britische Kolonie anzusehen und 'zu behandeln sei. Das Blatt ergeht sich
in Anklagen gegen Frankreich, dem es vorwirft, seinen frühern Einfluß am Nil
durch Mißgriffe verscherzt zu haben und sich jetzt zu bemühen, den dortigen
Einfluß der Engländer durch Aufhetzung andrer Mächte zur Einmischung zu
untergraben. "Laßt uns, so heißt es weiter, der Welt zeigen, daß wir die
Verantwortung für die Handlungen übernehmen, die uns das Zaudern fremder
Mächte aufgenötigt hat. Ergreifen wir endlich nicht bloß dem Namen nach,
sondern thatsächlich mit unsern starken Händen die Verwaltung Ägyptens und
zeigen wir den Konsuln fremder Mächte, die sich erdreisten, sich zu gunsten
ihrer Unterthanen in den Gang des Gesetzes zu mengen, daß wir die Herren
im Lande sind. . . , Europa soll und muß innewerden, daß alles, was in Ägypten
geschieht, ans Veranlassung Englands geschieht, und daß es für alles, was am
Nil vorkommt, einzig und allein mit England zu rechnen hat. Wir wollen
sicherlich alles vermeiden, was zu einem Zusammenstoße mit dem Vertreter
einer auswärtige" Macht führen kann, wo aber ein solcher Konflikt nicht zu
umgehen ist, muß England mit seiner ganzen Macht und seinem ganzen Ein¬
flüsse auftreten, damit das Ansehen seiner Vertreter gewahrt bleibe."

Das heißt deutlich gesprochen, aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht,
der uicht John Bull, sondern Europa heißt. Salisbury kann unsers Erachtens
diese Thatsache nicht übersehen, wie freundlich ihm auch das Glück lächelte, er
muß wissen, daß Großbritannien zwar mächtig, aber gerade jetzt weit davon ent¬
fernt ist, allmächtig zu sein. Der rasche Abschluß des finanziellen Geschäfts in
betreff Ägyptens ist wahrscheinlich auf den Wunsch Deutschlands und Österreich-


Vor Tod des Mahdi.

(?Ä2steh, in einem zu Ende des Juli von ihm veröffentlichten Leitartikel wirklich,
wie vermutet wurde, die Absichten der Tvryregierung in betreff des Nillandes
ausgesprochen hätte. Mancherlei läßt dies annehmen. Das Blatt steht no¬
torisch in Beziehungen zu der ägyptischen Regierung, zu den englischen Militär-
und Zivilbehörden in Kairo und wohl auch zu Persönlichkeiten des Kabinets
in London, Gleichwohl ist die Sprache, welche der Verfasser des Aufsatzes
führt, und der Charakter des Planes, den er vertritt und empfiehlt, so kraß
und undiplomatisch, daß man Anstand nehmen muß, zu glauben, er schreibe im
Auftrage Salisburys oder andrer maßgebenden Personen, und nicht vielmehr
im Sinne der liniös, deren Korrespondent er neben dem berufenen Oppert-
Blowitz ist, und deren grober Chauvinismus in letzter Zeit auch in andern
Fragen oft über das Ziel hinausgeschossen hat. Wäre seine Auslassung wirklich
offiziöser Natur, so würde sie selbst als bloßer Fühler stark genug sein, um
schließen zu lassen, daß den regierenden Tories infolge des Todes des Mahdi
der Kamm ungebührlich geschwollen wäre. England würde dann damit an¬
kündigen, daß es im Begriffe stehe, die Maske abzuwerfen, die es unter Glad-
stones Negierung vor dem Gesichte trug, es würde zu Drohungen fortgeschritten
sein und die Zeit für gekommen halten, offen zu erklären, daß Ägypten hinfort
als britische Kolonie anzusehen und 'zu behandeln sei. Das Blatt ergeht sich
in Anklagen gegen Frankreich, dem es vorwirft, seinen frühern Einfluß am Nil
durch Mißgriffe verscherzt zu haben und sich jetzt zu bemühen, den dortigen
Einfluß der Engländer durch Aufhetzung andrer Mächte zur Einmischung zu
untergraben. „Laßt uns, so heißt es weiter, der Welt zeigen, daß wir die
Verantwortung für die Handlungen übernehmen, die uns das Zaudern fremder
Mächte aufgenötigt hat. Ergreifen wir endlich nicht bloß dem Namen nach,
sondern thatsächlich mit unsern starken Händen die Verwaltung Ägyptens und
zeigen wir den Konsuln fremder Mächte, die sich erdreisten, sich zu gunsten
ihrer Unterthanen in den Gang des Gesetzes zu mengen, daß wir die Herren
im Lande sind. . . , Europa soll und muß innewerden, daß alles, was in Ägypten
geschieht, ans Veranlassung Englands geschieht, und daß es für alles, was am
Nil vorkommt, einzig und allein mit England zu rechnen hat. Wir wollen
sicherlich alles vermeiden, was zu einem Zusammenstoße mit dem Vertreter
einer auswärtige» Macht führen kann, wo aber ein solcher Konflikt nicht zu
umgehen ist, muß England mit seiner ganzen Macht und seinem ganzen Ein¬
flüsse auftreten, damit das Ansehen seiner Vertreter gewahrt bleibe."

Das heißt deutlich gesprochen, aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht,
der uicht John Bull, sondern Europa heißt. Salisbury kann unsers Erachtens
diese Thatsache nicht übersehen, wie freundlich ihm auch das Glück lächelte, er
muß wissen, daß Großbritannien zwar mächtig, aber gerade jetzt weit davon ent¬
fernt ist, allmächtig zu sein. Der rasche Abschluß des finanziellen Geschäfts in
betreff Ägyptens ist wahrscheinlich auf den Wunsch Deutschlands und Österreich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/302>, abgerufen am 25.11.2024.